INTERPHARM 2015 – Osteoporose

Wenn Knochen brechen

Leitliniengerechte Osteoporose-Therapie

kas| Jede Minute bricht in Deutschland osteoporosebedingt ein Knochen. Innerhalb eines Jahres nach einer Fraktur sterben 20 Prozent der Betroffenen. Im Alter führt ein Knochenbruch schnell zu einem Verlust der Selbstständigkeit. Wie eine adäquate Therapie aussieht, um den weiteren Abbau der Knochenmatrix zu verhindern, stellte Prof. Dr. med. Thomas Herdegen, Professor für Pharmakologie der Universität Kiel, vor.
Foto: DAZ/A. Schelbert

Prof. Dr. Thomas Herdegen

Die Knochen befinden sich in einem ständigen Auf- und Abbau. Pro Jahr werden zehn bis 15 Prozent der ­Knochenmatrix umgebaut. Um dies zu verdeutlichen, erinnerte Herdegen an die Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Während uns dieses Ereignis sehr wohl im Gedächtnis geblieben ist, können sich nur wenige Knochenzellen daran erinnern. In der Therapie kommt es daher darauf an, dieses ­dynamische System zu erhalten.

Die Osteoporose betrifft insbesondere spongiöse Knochen wie Wirbelkörper. Das Risiko einer Wirbelkörperfraktur ist zwar hoch, aber eine Prophylaxe ist gut möglich. Hierfür sind neben ausreichender Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr die Vermeidung von Untergewicht und übermäßigem Alkoholkonsum sowie Nichtrauchen und regelmäßige Bewegung wichtig. Bereits eine einwöchige Immobilisation benötigt eine vierwöchige Rehabilitation, um die Muskelmasse wieder aufzubauen und somit Stürzen und Knochenbrüchen vorzubeugen.

Die neue S3-Leitlinie

Gemäß der S3-Leitlinie zur Therapie der Osteoporose ist diese als eine systemische Skeletterkrankung definiert, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes charakterisiert ist. Die Folge ist eine vermehrte Knochenbrüchigkeit. Zur Diagnostik wird die Knochendichtemessung mittels Dual-X-Ray-Absorptiometrie (DXA) verwendet. Gemessen wird hierbei immer an der Lendenwirbelsäule, an beiden Oberschenkelhalsknochen und am Gesamtfemur. Weicht der Knochenmineralgehalt an einer der Stellen um mindestens 2,5 Standardabweichungen vom Mittelwert ­eines geschlechtsspezifischen Normkollektivs ab (T-Score ≤ -2,5), liegt eine Osteoporose vor. Antiosteoporotika werden dann in Abhängigkeit vom DXA-Wert und von vorangegangenen Frakturen eingesetzt.

Für Frauen und für Männer

Die aktuelle S3-Leitlinie gilt sowohl für Frauen ab der Menopause als auch für Männer ab dem 60. Lebensjahr. Antiosteoporotika haben vor allem auf vertebrale Frakturen einen positiven Effekt. Sie senken das Risiko für Wirbelkörperfrakturen um 50 bis 70 Prozent. Arzneimittel der ersten Wahl sind Bisphosphonate und der RANKL-Antikörper Denosumab (RANKL = Receptor Activator of NF-κB Ligand). ­Immer muss die Basisversorgung mit Calcium und Vitamin D sichergestellt sein. Fehlt diese, sinkt die Wirksamkeit der Antiosteoporotika.

Bisphosphonate reichern sich an der Knochenoberfläche an und hemmen die Osteoklasten. Sie bremsen auch das Wachstum von Knochenmetastasen. Die intravenöse Gabe ist so effektiv wie die orale Einnahme und ­ermöglicht eine Sicherstellung der Compliance. Kiefernekrosen sind zwar eine seltene, aber von den Patienten gefürchtete Nebenwirkung der Bisphosphonate. Durch Zahnextraktionen steigt das Risiko einer Kiefernekrose unter Bisphosphonaten um das fünf- bis zehnfache. Eine Sanierung der Zähne vor Beginn der Osteoporose-Therapie kann daher sinnvoll sein.

Der RANKL-Antikörper Denosumab ist den Bisphosphonaten in der Osteoporose-Therapie ebenbürtig. Er hemmt den RANK-Liganden und somit die ­Bildung und Aktivierung der Osteoklasten. Mit der subkutanen Gabe von 60 mg zweimal jährlich ist ebenfalls eine gute Compliance möglich. Kiefernekrosen und atypische Frakturen sind Nebenwirkungen, die sowohl ­unter Bisphosphonaten als auch unter Denosumab auftreten. Ein Vorteil gegenüber Bisphosphonaten ist die Möglichkeit, Denosumab auch bei schwerer Niereninsuffizienz einzusetzen.

Selektive Estrogen-Rezeptormodulatoren (SERM) wie Raloxifen und die Hormonersatztherapie sind Mittel der zweiten Wahl, vor allem aufgrund von thromboembolischen Nebenwirkungen.

Herdegen fasste abschließend zusammen, dass neben der Gabe eines ­Antiosteoporotikums der Lebensstil für die Prävention weiterer Frakturen entscheidend ist. |

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