Arzneimittel und Therapie

VEGF-Inhibitoren im Vergleich

Patienten mit starkem Sehverlust profitieren am meisten von Aflibercept

Das diabetische Makulaödem gilt als ursächlich für fortschreitende Sehbeeinträchtigungen bis hin zum Sehverlust bei Diabetespatienten. Als Behandlungsoption gilt neben einer lokalen Lasertherapie auch die Inhibition des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors, wodurch sogar eine leichte Verbesserung der Sehfunktion erzielt werden kann. In einer Studie wurde nun die Wirksamkeit der verfügbaren VEGF-Inhibitoren bei Patienten mit leichter und starker Sehstörung verglichen.

Mit Ranibizumab (Lucentis®, Genentech), einem Fab-Fragment eines humanisierten monoklonalen Antikörpers, steht bereits seit 2011 ein zugelassener Inhibitor des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) für die Behandlung des diabetischen Makulaödems (DMÖ) zur Verfügung. Auch Aflibercept (Eylea®, Regeneron Pharmaceuticals), ein Fusionsprotein, bestehend aus dem VEGF-Rezeptor vom Typ 1 und 2, verbunden mit dem Fc-Teil des humanen Immunglobulin G1, erhielt 2014 die Zulassungserweiterung zur Behandlung des DMÖ. Bevacizumab (Avastin®, Genentech) ist ebenfalls ein humanisierter monoklonaler Anti-VEGF-Antikörper. Er ist zur Therapie unterschiedlicher Krebserkrankungen zugelassen. Für die Therapie des diabetischen Makulaödems besitzt er zwar keine offizielle Zulassung, hat aber in klinischen Studien seine Wirksamkeit gezeigt und wird aus Kostengründen häufig off label eingesetzt. Während die Applikation von Aflibercept und Ranibizumab mit Preisen von 1950 bzw. 1200 US-Dollar beziffert wird, belaufen sich die Kosten einer Einmalanwendung von Bevacizumab auf nur etwa 50 US-Dollar. Die große Diskrepanz der Anwendungskosten begründet sich mit der geringeren Dosierung von Bevacizumab bei intravitrealer Applikation, wodurch sich die Präparate, welche ursprünglich zur Behandlung diverser Krebserkrankungen formuliert wurden, mehrfach verwenden lassen (eine Durchstechflasche zu 4 ml enthält 100 mg Bevacizumab, bei einer Einmaldosis von 1,25 mg für DMÖ).

Das Diabetic Retinopathy Clinical Research Network verglich nun erstmals die Wirksamkeit und Sicherheit aller drei Wirkstoffe beim diabetischen Makulaödem im Rahmen einer randomisierten, multizentrischen klinischen Studie. Hierzu wurden insgesamt 660 Diabetespatienten mit diagnostizierter DMÖ entweder mit Aflibercept (2,0 mg Dosis, 224 Personen), Bevacizumab (1,25 mg Dosis, 218 Personen) oder Ranibizumab (0,3 mg Dosis, 218 Personen) therapiert, wobei die Behandlung alle vier Wochen wiederholt wurde und die mittlere Veränderung der Sehstärke nach einem Jahr Behandlungsdauer als primärer Endpunkt der Studie diente. Dabei trugen alle drei VEGF-Inhibitoren zur Verbesserung der Sehfähigkeit bei, was anhand eines Letter-Scores (Erkennung der Buchstaben nach ihrer Größe) verifiziert werden konnte. Auch hinsichtlich der Nebenwirkungen und Komplikationen waren alle drei Wirkstoffe gleichwertig. Zwar erzielte die Aflibercept-Therapie mit 13,3 Punkten gegenüber 9,7 bei Bevacizumab bzw. 11,2 bei Ranibizumab den stärksten Zuwachs an Sehstärke für DMÖ-Patienten, jedoch war dies von keiner praktischen Bedeutsamkeit, da hierdurch vornehmlich das Auge mit schlechterer Sehstärke verbessert wurde und für das Lesen zumeist das besser sehende Auge genutzt wird. Im Rahmen einer Subanalyse wurden die Probanden nachträglich entsprechend der Schwere ihrer Sehbeeinträchtigung in zwei Gruppen eingeteilt. Mit einem Letter-Score von 78 bis 69 zeigten hierbei 51% der Patienten zu Studienbeginn eine nur moderat verringerte Sehleistung, wobei alle drei Wirkstoffe eine ähnliche Wirksamkeit aufwiesen und den individuellen Score im Mittel um 8,0 (Aflibercept), 7,5 (Bevacizumab) und 8,3 (Ranibizumab) Punkte erhöhten. Die andere Hälfte (49% der Studienteilnehmer) wies dagegen stärkere Einschränkungen der Sehstärke auf und erzielte zu Behandlungsbeginn einen Letter-Score von weniger als 69. Hier zeigte sich, dass Aflibercept mit durchschnittlich 18,9 Punkten eine signifikant höhere Verbesserung der Sehstärke erzielte als Bevacizumab mit 11,8 bzw. Ranibizumab mit 14,2 Punkten.

Die Autoren der Studie sehen Aflibercept daher als erste Wahl bei DMÖ-Patienten mit bereits fortgeschrittenem Sehverlust an. Bei Personen mit besserem Sehvermögen ist dagegen kein Unterschied in der Wirksamkeit und Sicherheit aller drei untersuchten VEGF-Inhibitoren messbar, sodass hier die kostengünstige Off-label-Anwendung von Bevacizumab empfohlen werden kann. Dabei ist jedoch eine Indikationserweiterung von Avastin® wünschenswert, um letztlich eine Anwendung beim diabetischen Makulaödem auch in einem rechtlich gesicherten Rahmen zu erlauben [2]. |

Quelle

[1] The Diabetic Retinopathy Clinical Research Network. Aflibercept, Bevacizumab or Ranibizumab for Diabetic Macular Edema. N Engl J Med, 2015;DOI: 10.1056/NEJMoa1414264

[2] Martin DF, Maguire MG. Treatment Choice for Diabetic Macular Edema. N Engl J Med, 2015; DOI: 10.1056/NEJMe1500351

Apotheker Dr. André Said

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