INTERPHARM 2015 – Infektiologie

Nicht immer gleich ein Antibiotikum

Bei Harnwegsinfekten symptomatisch behandeln

hb | Harnwegsinfekte sind die häufigste bakterielle Infektion bei Frauen. Sie tragen wesentlich zur Zahl der Antibiotikaverordnungen bei. Priv.-Doz. Dr. Guido Schmiemann vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen kommentierte den aktuellen Stand zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie und stellte neue Studienergebnisse zur symptomatischen Behandlung vor.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Priv.-Doz. Dr. Guido Schmiemann

Jede zweite Frau erlebt einmal in ihrem Leben einen Harnwegsinfekt, wobei die Inzidenz mit dem Alter zunimmt. Die Symptome sind je nach Alter unterschiedlich. Jüngere Frauen klagen meist über erschwertes und/oder schmerzhaftes Ablassen des Harns (Dysurie) und eine gesteigerte Frequenz von Blasenentleerungen mit meist kleinen Harnmengen (Pollakisurie) sowie Unterbauchbeschwerden. Bei postmenopausalen Frauen sind generalisierte Beschwerden, Inkontinenz und vermehrtes nächtliches Wasserlassen (Nykturie) vorherrschend. Die Pollakisurie ist das schwerwiegendste Symptom, das auch am längsten anhält (drei Tage mit und sechs Tage ohne Antibiotikum). Fieber und klopfschmerzhafte Nierenlager sprechen für eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis).

Als kompliziert sind Harnwegsinfekte unter folgenden Voraussetzungen einzustufen:

  • immer bei Kindern, Männern und Schwangeren,
  • bei anatomischen Besonderheiten, unter Immunsuppression,
  • bei chronischen urologischen Erkrankungen,
  • innerhalb der letzten zwei Wochen, wenn ein Dauerkatheters gelegt wurde, bei Entlassung aus dem Krankenhaus und bei Antibiotikatherapie.

In diesen Fällen ist immer eine Urinkultur notwendig.

Der häufigste Verursacher von asymptomatischen Bakteriurien, Harnwegsinfekten, Nierenbeckenentzündungen und Katheter-assoziierten Infektionen ist E. coli. Für die Diagnose ohne Untersuchung sind drei entscheidende Fragen maßgeblich:

  • Vermutet die Patientin einen Harnwegsinfekt als Ursache?
  • Bestehen mindestens ausgeprägte Schmerzen beim Wasserlassen?
  • Hat die Patientin vaginale Be­schwerden?

Diese drei Fragen bringen laut Schmiemann schon eine hohe diagnostische Sicherheit. Bei bestehender Unsicherheit kann man sich über Teststreifen Gewissheit verschaffen.

Die Wirksamkeit einer nicht-antibiotischen Prophylaxe bei rezidivierenden Harnwegsinfekten wurde in einem systematischen Review randomisierter kontrollierter Studien aufgearbeitet. Es zeigten sich positive Effekte für das Bakterienlysat Urovaxom®, vaginale Östrogene, Cranberries und Akupunktur, während eine Prophylaxe mit Lactobacillen die Rezidivrate nicht verminderte. Die Datenlage zu Cranberries ist allerdings uneinheitlich, weshalb Schmiemann sie nicht unbedingt empfehlen würde. Zu Wacholder, Birke, Brennnessel und Goldrute liegen nach seinen Recherchen keine kontrollierten Studien vor.

Für die Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfekte werden derzeit leitliniengerecht Fosfomycin, Nitrofurantoin und Trimethoprim empfohlen. Die Resistenz gegenüber dem häufig eingesetzten Ciprofloxacin nimmt nach einer Erhebung im niedergelassenen Bereich zu. Schmiemann betonte, dass asymptomatische Bakteriurien nach dem derzeitigen Stand des Wissens außer bei Schwangeren und vor urologischen Eingriffen nicht behandlungsbedürftig sind. Hier sei ein großes Umdenken erforderlich.

Auf einen möglicherweise neuen Therapieansatz deuten die noch nicht ­publizierten Ergebnisse einer Pilotstudie (Immediate vs. Conditional treatment of urinary tract infection [ICUTI]) mit dreimal täglich 400 mg Ibuprofen über drei Tage gegen 3 g Fosfomycin einmal pro Tag hin. Unter den 484 einbezogenen Frauen mit Dysurie oder Pollakisurie (ohne komplizierte Infektionen) hatte jede fünfte einen ­rezidivierenden Infekt, und über 70% wiesen positive Kulturen auf. Nach sieben Tagen waren die Frauen in beiden Gruppen beschwerdefrei. Für die Ibuprofen-Gruppe ergab sich ein fast 70%iger Rückgang der notwendigen Antibiotika. Außerdem traten unter der symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen signifikant weniger Rezidive auf, bei einer etwa gleichen Symptomentwicklung. Für Schmiemann ist die nicht-­antibiotische Behandlung mit Ibuprofen deshalb durchaus eine Option. |

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