Die Seite 3

Die Mär vom gemeinsamen Boot

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Wenn ein Geschäftspartner ständig betont, man habe doch die gleichen Interessen, dann ist besondere Wachsamkeit geboten. Denn allzu oft steckt dahinter nichts weiter als der Versuch, durch die Betonung der gemeinsamen die ureigensten Interessen zu verstecken. Wenn also die Vertreter des pharmazeutischen Großhandels das Bild des gemeinsamen Boots bemühen, in dem die Apotheke und der Großhandel sitzen, ist Vorsicht angebracht. Das gilt umso mehr, wenn dies Vertreter von Großhändlern tun, die bereits in der Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt haben, wie schnell vollmundige Bekenntnisse zur inhabergeführten Apotheke zu Lippenbekenntnissen werden können. Sei es, weil man meint, eine sich verändernde politische Großwetterlage und anstehende Gesetzesänderungen ließen neue Geschäftsfelder entstehen, die man vor der Konkurrenz besetzen will. Oder sei es, weil man im Rausch der Internationalisierung jedes Gespür für (und vielleicht auch Interesse an) nationalen oder gar regionalen Besonderheiten verliert und meint, auf Biegen und Brechen Konzepte (und Namen) aus anderen Märkten einführen zu müssen, auch gegen den erklärten Willen der eigenen Kunden.

Doch in einem Punkt stimmt das Bild, das auch bei der Wirtschafts-Interpharm in Hamburg bemüht wurde, und zwar von beiden Seiten, vom DAV-Vorsitzenden Fritz Becker wie von den Chefs der Großhändler Gehe und Noweda (s. Bericht S. 13 und S. 66): Wenn es darum geht, wie viel der Politik die Arzneimittelversorgung wert ist und welche Vergütung Apotheken und pharmazeutischem Großhandel zugestanden werden, dann sitzen diese beiden Marktpartner tatsächlich im selben Boot – und sie tun gut daran, in dieselbe Richtung zu rudern!

Viel zu groß ist ansonsten die Gefahr, dass die verschiedenen Handelsstufen gegeneinander ausgespielt werden. Wie das laufen kann, hat Jens Spahn auf dem letzten Apothekertag demonstriert. Er sei gerne bereit, sich für eine bessere Vergütung der Apotheker einzusetzen, sagte er da. Insbesondere stellte er für das Medikations­management ein gesondertes Honorar in Aussicht. Zur Finanzierung könnten doch alle Rabatte des Großhandels abgeschafft werden. Positiver Nebeneffekt laut Spahn: Die kleineren Apotheken, die mangels Umsatzvolumen heute nur wenig Rabatte bekommen, profitieren mehr als große, umsatzstarke mit besseren Konditionen. Sozusagen ein eingebauter Strukturausgleich.

Heute hängt das wirtschaftliche Wohl und Wehe einer Apotheke in (zu) großem Maß von den Konditionen des Großhandels ab. Gäbe es eine Honorarerhöhung für die Apotheker, ohne dass die Vergütung des Großhandels ebenfalls angepasst wird bzw. sogar finanziert durch Margenkürzungen beim Großhandel, würde sich dieser das Geld durch Konditionenkürzungen von den Apotheken zurückholen (glaubt man den Großhändlern: zurückholen müssen).

Stellt die Politik auf der anderen Seite nur die Großhandlungen besser, dürfte sich das zwar im Großen und Ganzen über die Konditionen auch auf die Apotheken ­positiv auswirken. Dafür würde schon der Wettbewerb unter den Großhändlern sorgen. Doch diese Effekte würden sich auf große Apotheken(-verbünde) konzentrieren. Die kleine Landapotheke, die der Politik so am Herzen liegt, weil die Wähler ihren Wegfall so unmittelbar spüren – die hätte gar nichts davon.

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