Arzneimittel und Therapie

Hypoglykämien unter Tramadol

Datenbankanalyse deckt seltene Nebenwirkung auf

Tramadol ist ein mittelstark wirkendes Opioid, das zur Behandlung von mäßig starken bis starken Schmerzen eingesetzt wird. Den Verdacht, dass Tramadol in seltenen Fällen zu Hypoglykämien führen kann, bestätigt nun eine systematische Analyse einer britischen Verordnungsdatenbank.

Tramadol entfaltet seine analgetische Wirkung über µ-Opioidrezeptoren und durch die Hemmung der Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme. Aufgrund dieses dualen Wirkmechanismus eignet es sich besonders für die Behandlung neuropathischer Schmerzen. Da Tramadol als relativ ­sicher erachtet wurde, stiegen die Verordnungszahlen weltweit an. Während 1999 in Großbritannien circa 25.000-mal Tramadol rezeptiert wurde, waren es 2011 bereits rund 215.000 Verordnungen. In Deutschland zählt Tramadol seit 2011 zu den meistverordneten Arzneimitteln. Tramadol hat aufgrund seines Metabolismus über die Cytochrom-P450-Isoenzyme 3A4 und 2D6 und wegen des dualen Wirkmechanismus ein vergleichsweise hohes Nebenwirkungs- und Interaktionspotenzial. Beispielsweise steigt in Kombination mit zahlreichen Antidepressiva das Risiko für ein Serotonin-Syndrom. Anhand von Fallberichten und Fallserien kam der Verdacht auf, dass die Gabe von Tramadol mit einem erhöhten Hypoglyk­ämie-Risiko assoziiert ist.

Vorsicht zu Therapiebeginn!

Dieses potenzielle Hypoglykämie-Risiko wurde nun mithilfe einer Verordnungsdatenbank systematisch untersucht. Zentrale Frage war, ob es nach der Gabe von Tramadol bei nicht-tumorbedingten Schmerzen häufiger als unter Codein zu Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Hypoglykämie kommt. Im Zeitraum von 1998 bis 2012 erfüllten insgesamt 334.034 Patienten die Einschlusskriterien. Von diesen wurden 1105 aufgrund einer Hypoglykämie in ein Krankenhaus aufgenommen. Die Inzidenz einer Hypoglykämie war mit 0,7 pro 1000 Patientenjahre sehr niedrig. Allerdings zeigte der Vergleich, dass das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund einer Hypoglykämie unter Tramadol 52% höher war als unter Codein (Odds ratio: 1,52; 95%-Konfidenzintervall: 1,09 bis 2,10). Dieses Ergebnis wurde auch durch mehrere Sensitivitätsanalysen bestätigt. Anhand einer Subgruppenanalyse wurde außerdem deutlich, dass das Hypoglykämie-­Risiko vor allem innerhalb der ersten 30 Tage nach der Verordnung von Tramadol erhöht ist. In dieser Zeit war das Risiko mehr als doppelt so groß. Der zugrundeliegende Mechanismus ist nicht endgültig geklärt. Studien an Ratten zeigten, dass Tramadol die hepatische Gluconeogenese hemmt und die Insulin-Sensitivität verbessert. In weiteren Studien müssen nun der Mechanismus aufgeklärt und die klinische Relevanz der Ergebnisse untersucht werden. |

Quelle

Fournier JP, Azoulay L et al. Tramadol use and the risk of hospitalization for hypoglycemia in patients with noncancer pain. JAMA Intern Med 2014; doi: 10.1001/jamainternmed.2014.6512 [Epub ahead of print]

Nelson LS, Jurrlink DN. Tramadol and hypo­glycemia. One more thing to worry about. JAMA Intern Med 2014, published online 8. Dezember 2014

Apothekerin Karin Schmiedel

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