Gesundheitspolitik

Zwischen Bahngleisen, Rollfeldern und ­Outlet-Kunden

Sonderstandorte von Apotheken

Der Apotheken-Ökonom

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Was sind Sonderstandorte für Apotheken? Sonderstandorte sind solche, die nicht als eigenständiger Standort betrieben werden, also als sogenannte Solitärstandorte gelten, sondern die sich als Teil einer Standortagglomeration identifizieren lassen und in denen die Apotheke als Teil des Ganzen angesehen werden kann. Die Sondersituation für das Ladenlokal Apotheke ergibt sich aus mehreren strukturellen Unterschieden zu ­typischen Standorten. Agglomerationen wie Einkaufszentren, Urban Entertainment Center, Galerien, Passagen usw. sowie Bahnhöfe und Flughäfen haben von ­bekannten Standorten leicht bis stark abweichende Gesetzmäßigkeiten. Die Betreiber von derlei Agglomerationen sind von sich aus daran interessiert, im Objekt einen stimmigen Mieter- und Branchen-Mix zu erzielen. Dazu gehören in nahezu ­allen Agglomerationen auch Apotheken. Zwar wird diesen nicht überall und immer der beste innerbetriebliche Standort zugewiesen, dennoch sind sie in der Regel von einer weit überdurchschnittlichen Frequenz geprägt. Ein zweiter Vorteil liegt in der Einheitlichkeit aller Geschäfte im Außenauftritt. Alle öffnen und schließen zur gleichen Zeit, bei Events werden alle einbezogen und das Management achtet darauf, dass sich alle Beteiligten gleichermaßen an die Spielregeln halten. Darin liegt aber auch ein Nachteil solcher Stand­orte: Die Apotheke muss bei den Aktivitäten mitmachen, dies impliziert normalerweise der Mietvertrag. Dies mag bei gut gemachten Aktionen unproblematisch, manchmal sogar komfortabel sein. Doch wird es zum Bumerang, wenn man sich mit den ­Aktivitäten nicht oder nur eingeschränkt identifizieren mag.

Da das Konzept solcher Malls nicht zwingend auf ergänzende Dienstleistungen ausgelegt ist und nicht alle Zentren als in die umliegende Handels- und Dienstleistungsinfrastruktur integriert bezeichnet werden können, sind Rezeptkunden an diesen Standorten eher schwach. Oder positiv ausgedrückt: an diesen Standorten hat der OTC-Umsatz im Durchschnitt einen höheren prozentualen Anteil.

Dies gilt wohl auch für Standorte an Flughäfen, bei den zwischen zwei innerbetrieblichen Standortarten differenziert wird: „land­side“ und „airside“. Landside sind jene Handelsbereiche, die für alle frei zugänglich sind, airside befinden sich Geschäfte nach der ­Sicherheitskontrolle, so dass hier nur noch Flugreisende und Flughafenangestellte als Kunden infrage kommen. Deshalb finden sich Apotheken an Flughäfen ­normalerweise landside. Oft re­duzieren sich die Gedanken zu Zielgruppen nur auf Flugreisende, was nicht stimmt. Flughäfen haben ein beachtliches Einzugsgebiet an Arbeitnehmern, man denke nur an den Frankfurter Flughafen, der eine Reihe von nicht direkt mit dem Flughafen in Verbindung stehenden Unternehmen im unmittelbaren Einzugsgebiet beheimatet. Natürlich kommen aber auch alle am und im Flughafen Beschäftigten dazu. Menschen werden zum Flughafen gebracht (nicht ganz so interessant) und ­geholt (schon interessanter, weil normalerweise ein zeitlicher Puffer eingebaut wird bzw. gewartet werden muss). Diese Bringer und Holer sind bedeutsam. Immer mehr ­Meetings finden an Flughäfen statt, weil diese zentral liegen und auch mit anderen Verkehrsmitteln (Bahn, Auto) gut erreichbar sind und über eine gute Aufenthaltsqualität verfügen (Parkplätze, Meeting-Räume, ­Catering usw.). Schließlich gibt es noch die Flughafenbesucher, die die Faszination Flughafen erleben wollen und demnach auch besonders konsumaffin sind. Apotheken sind für alle Zielgruppen am Flughafen durchaus interessant. Deshalb sind die Mieten an Flughäfen auch besonders hoch.

Entziehen sich Flughäfen noch ­etwas den Rezeptkunden, muss dies bei Bahnhöfen nicht der Fall sein. Viele Pendler kommen am Bahnhof an und fahren dort auch wieder ab. Für diese ist der Apothekenstandort am Bahnhof die nicht schlechteste Alternative. Für den Apotheker betörend ist sicher die Frequenz. Dafür können andere Probleme auftreten (nicht immer adäquates Publikum, Vermüllung usw.), die die Frequenzvorteile relativieren oder sogar negieren. Es bleibt aber ein eher positives Stimmungsbild. Auch an diesem Standort liegt der OTC-Umsatz höher als sonst, auch das will bedacht sein.

Sonderstandorte mögen in der Vergangenheit weniger beliebt ­gewesen sein, in dem Ausmaß, in dem das tradierte Bild der ­Apotheke bröselt und wankt, ­gewinnen diese Standorte an ­Gewicht, denn ungeachtet aller gesetzlichen Regelungen: Geschäfte macht man dort, wo ­Menschen sind und das trifft auf Sonderstandorte im besonderen Maße zu. Womöglich heißen sie deshalb so. |

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