Gesundheitspolitik

G-BA: Bundesverfassungsgericht bestätigt Legitimation

Medizinprodukt-Klage auch aus formalen Gründen als unzulässig verworfen

TRAUNSTEIN (cha) | Weitgehend überraschend hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Klägerin abgelehnt, bei der auch die grundsätzliche Legitimation des G-BA in Zweifel gezogen wurde. Konkret wollte die Frau die Erstattung eines Medizinprodukts erzwingen, dessen Aufnahme in die Arzneimittel-Richtlinie der G-BA abgelehnt hatte. Gegen das entsprechende Urteil des Bundessozialgerichts hatte sie Beschwerde eingelegt – die nun zurückgewiesen wurde. Noch vor Kurzem hatte sich die Situation ganz anders dargestellt: Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof, Vorsitzender des zuständigen Ersten Senats, hatte öffentlich erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA geäußert. In seinem Vortrag „Verfassungsrechtliche Leitlinien in der Sozialversicherung“, zu dem die „Juristische Gesellschaft zu Kassel“ eingeladen hatte, nahm Kirchhof nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „das rechtliche Konstrukt des Gemeinsamen Bundesausschusses aus­einander, sodass am Ende nicht viel übriggeblieben“ sei.

Die verfassungsrechtliche Legitimation im Grundgesetz fehle, schwach sei auch die historische Legitimierung durch seine Gründung 1955 oder die Vorläufer des Jahres 1915. Die Vorgaben und Kontrollen durch den Gesetzgeber seien eher vage. Dies lasse der Selbstverwaltung sehr viel Raum, obwohl der Gesetzgeber gemäß dem Demokratie­prinzip wesentliche Entscheidungen selbst treffen müsse.

Sehr unbestimmt seien die zentralen Rechtsbegriffe, auf die der G-BA seine Arbeit stütze: Einhaltung von Wirt­schaftlichkeit und Qualität der Ver­sorgung. Im Gegensatz dazu verfüge er über eine enorme Machtfülle: Kirchhof verglich den Bundeshaushalt von 300 Milliarden Euro mit dem vom G-BA beeinflussten Finanzvolumen. Dabei gilt, dass von den 200 Milliarden Euro, die die gesetzlichen Kassen in diesem Jahr ausgeben, der größte Teil durch Festlegungen des G-BA bestimmt ist.

Kirchhof bescheinigt GBA Demokratiedefizit

Zusammenfassend war die Botschaft Kirchhofs an die Zuhörer laut Frankfurter Allgemeiner ­Zeitung, dass der G-BA nur eine schwache verfassungsrechtliche Verankerung und eine geringe normative Bindung habe, aber von großer finanzieller Relevanz sei – und damit ein Demokratiedefizit habe.

Umso erstaunlicher ist daher ­zumindest auf den ersten Blick, dass diese Haltung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich nicht zum Tragen kam. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts für die Zurückweisung zeigt allerdings, dass hier auch formale Gründe eine Rolle gespielt haben. Wörtlich heißt es in der Pressemeldung zur Verfassungsbeschwerde: „Sie genügt insbesondere nicht den Begründungsanforderungen, nach denen eine Verfassungsbeschwerde sich eingehend mit den angefochtenen Entscheidungen auseinandersetzen und den behaupteten Grundrechtsverstoß substantiiert darlegen muss.“ Zudem habe die Klägerin den regulären Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft.

Zweifel an Legitimation bei Entscheidungen über Dritte

Allerdings weisen die Bundesverfassungsrichter darauf hin, dass dem G-BA für manche Entscheidungen durchaus die Legitimation fehlen könne, wenn zum Beispiel eine Richtlinie „mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten“. Maßgeblich sei hierfür insbesondere, „inwieweit der Ausschuss für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist und beaufsichtigt wird“. |

©: Kai Felmy

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