Gesundheitspolitik

Was ist korrupt?

Neues Strafrecht umstritten

HAMBURG (tmb) | Vermutlich im März 2016 wird das neue Strafrecht gegen Korruption im Gesundheitswesen in Kraft treten, der Kabinettsentwurf hat den Bundesrat bereits passiert. Doch inhaltlich bleibt der Entwurf umstritten, viele Beobachter sehen große Unklarheit, was strafbar sein wird und was nicht. Besonders für Apotheker stellen sich viele Fragen, wie auf dem Eppendorfer Dialog am 4. November in Hamburg klar wurde.

Prof. Dr. Hendrik Schneider, Strafrechtler an der Universität Leipzig, begrüßte eine einheitliche Regelung zur Korruption im Kernstrafrecht, hält es aber für grundlegend falsch, ein „selektives Sonderstrafrecht für eine Berufsgruppe“ zu schaffen. Stattdessen sollte die Korruption einheitlich gemäß § 299 StGB bestraft werden. Er kritisierte insbesondere, dass die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten strafrechtlich sanktioniert werden soll. Da das Berufsrecht heterogen und landesspezifisch sei, widerspreche diese Vorschrift dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Auch die geplante „Apothekervorschrift“ zur Unabhängigkeit beim Einkauf von Arznei- und Hilfsmitteln enthalte „Zonen der Unbestimmtheit“. Außerdem sieht Schneider große Probleme für eigentlich erwünschte Kooperationen zwischen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen.

Apotheker in problematischer Doppelrolle

Dass die Apotheker Freiberufler und zugleich Gewerbetreibende sind, die in einem gewollten Wettbewerb stehen, gab Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, zu bedenken. Die Regelung zur heilberuflichen Unabhängigkeit beim Einkauf von Arznei- und Hilfsmitteln sei problematisch, weil der Einkauf Teil des normalen Wettbewerbs und die heilberufliche Unabhängigkeit nicht definiert sei. Zudem sei das Handeln der Apotheker immer gewerbsmäßig, was bei einer unzulässigen Vereinbarung strafverschärfend wirke. Die wesentliche Frage sei, anhand welcher Kriterien künftig bewertet werden soll, ob Apotheker ein Produkt aufgrund heilberuflicher Überzeugung oder wegen guter Einkaufskonditionen empfehlen. Daher sei zu klären, wo bei Mengenstaffeln für Rabatte, bevorzugter Warenpräsentation in Apotheken, Kick-back-Zahlungen und anderen verbreiteten Vorgehensweisen künftig die Grenze der Zulässigkeit liege. Dies werde wohl erst die Rechtsprechung zeigen. Daher müsse die Politik die Anwendung des neuen Gesetzes begleiten, forderte Tisch.

Nach Einschätzung von Dina Michels, Korruptionsexpertin bei der Kaufmännischen Krankenkasse, können die relevanten Sachverhalte schon jetzt als Betrug angezeigt werden. Daher sei das neue Gesetz zwar nicht nötig, aber doch wichtig, weil Korruption auch so genannt werden solle und der Staat ein Signal gegen Korruption setzen solle.

Der von Schneider kritisierte Verweis auf das Berufsrecht ist für Noah Krüger von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gerade ein besonders wichtiges Instrument. Der Verweis auf landesspezifische Regeln ist für Krüger eine gewollte Konsequenz aus dem Föderalismus und den Gestaltungsmöglichkeiten freier Berufe. Krüger bezeichnete die neue Norm als gut anwendbar, räumte aber in der Diskussion ein, er erwarte dazu Verfassungsbeschwerden.

„Korruption in manchen Bereichen Regelfall“

Nach Einschätzung von Krüger hat sich in manchen Bereichen des Gesundheitswesen korruptes Verhalten als Regelfall etabliert. Dort werde das Strafrecht künftig ganz andere Sanktionen ermöglichen, aber das grundsätzliche Vollzugsdefizit werde bestehen bleiben. „Wir schießen nun mal mit Kanonen. Wir haben keine Kleinkaliberwaffen“, erklärte Krüger zum Instrumentarium des Strafrechts und mahnte: „Nehmen Sie es ernst.“ |

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