Gesundheitspolitik

Bilanz der Erfolglosigkeit

Politischer Lagebericht von DAV-Chef Fritz Becker zur Eröffnung der Expopharm

DÜSSELDORF (cha) | Vieles, was der DAV-Vorsitzende Fritz Becker in seinem politischen Lagebericht anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Expopharm ausführte, kam den Zuhörern nur allzu bekannt vor: Ob Honorierung, Null-Retaxation oder Reimporte – alles schon seit Langem diskutierte Themen, bei denen die ABDA bislang keine Erfolge verbuchen kann.
Foto: AZ/Alex Schelbert

Viele Probleme, wenig Lösungen: DAV-Chef Fritz Becker eröffnet die diesjährige Expopharm mit seinem politischen Lagebericht.

Ausdrücklich begrüßte Becker die Festschreibung des GKV-Abschlags auf 1,77 Euro durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Dies schaffe Planungssicherheit und sei ein wichtiger Teilerfolg in der Vergütungsdebatte. Als zweiter Schritt müsse nun gesetzlich sichergestellt werden, dass das Fixhonorar jährlich auf Angemessenheit überprüft und bei Bedarf nach einer ordentlichen und gerechten Berechnungsmethode angepasst werde. Dies sei, so Becker, bei anderen Leistungserbringern eine Selbstverständlichkeit; und auch die Mitarbeiter erwarteten und verdienten regelmäßige angemessene Gehaltserhöhungen. Im Zuge des nächsten Gesetzgebungsverfahrens werde daher eine Änderung des Anpassungsmechanismus für das Fixhonorar angestrebt, und zwar auf der Basis eines Berechnungsmodus, der ein Mehr an Leistungen honoriere statt sanktioniere. Dabei verwahrte Becker sich ausdrücklich gegen den Vorwurf, die Apothekerschaft hätte keine ausreichenden Daten geliefert.

Handlungsbedarf sieht Becker auch bei Rezepturarzneimitteln: Hier müsse zusätzlich zum Rezepturzuschlag nach der AMPreisV das Abgabeentgelt zur Anwendung kommen. „Unerträglich“ sei zudem, dass die 26 Cent für die Dokumentation bei Betäubungsmitteln seit mehr als 40 Jahren nicht erhöht wurden. Darüber hinaus müsse diese Dokumentationsgebühr auf weitere dokumentationspflichtige Aufgaben ausgedehnt werden. Weiterhin forderte Becker den Nacht- und Notdienstzuschlag von 16 auf 20 Cent zu erhöhen; denn die zugesagten 120 Millionen Euro pro Jahr würden weder 2014 noch 2015 und schon gar nicht 2013 erreicht.

Unverständnis zeigte Becker beim Thema Null-Retaxationen: Dem GKV-Spitzenverband sei es bisher offenbar nicht möglich gewesen, „alle seine Mitglieder zu zügeln“. Das Retax-Geschäft sei anscheinend für einzelne Krankenkassen „zu lukrativ“, als dass sie bereit wären, „diese Zechprellerei zu beenden“. Dies sei umso ärgerlicher, als man vor zwei Jahren bereits kurz vor einer Lösung gestanden habe, die dann aber an internen Beschlusslagen innerhalb des GKV-Spitzenverbands gescheitert sei. Nachdem die vom Gesetzgeber im Versorgungsstärkungsgesetz vorgeschriebenen Verhandlungen gescheitert seien, habe der DAV nun die Schiedsstelle angerufen und erwarte „eine praktikable und praxisbezogene Lösung dieser unsäglichen Geschichte“.

Nachdrücklich forderte Becker den Gesetzgeber dazu auf, die gesetz­liche Importförderungsklausel im Sozialgesetzbuch zu streichen. Importe seien angesichts der Rabattverträge als Sparinstrument bedeutungslos geworden.

Als Verbesserung begrüßte Becker die Einführung des einheitlichen Entlassrezeptes durch das Versorgungsstärkungsgesetz. Von entscheidender Bedeutung sei nun die praktikable Ausgestaltung, weshalb er an die im Gesetz genannten Vertragspartner von DKG, KBV und GKV appelliere, sich rechtzeitig mit den Apothekern abzustimmen. Kritik übte Becker daran, dass ein Entlassrezept nur drei Tage gültig sein solle, praktikabler sei eine Gültigkeit von einer Woche. Lächerlich sei die Forderung des G-BA, dass Änderungen auf dem Rezept der erneuten Unterschrift des Klinikarztes mit Datumsangabe bedürften.

Angesichts der stärksten Masern-Welle seit langer Zeit sei es unerklärlich, so Becker, dass die Politik das Angebot der Apotheker zur Förderung des Impfschutzes nicht aufgegriffen habe. Vollkommen unverständlich sei auch, dass die Regierungskoalition den Apothekern im Rahmen des E-Health-Gesetzes nur eine nachgeordnete Aufgabe bei der Erstellung und Aktualisierung von Medikationslisten zugebilligt habe. Sein Vorschlag: Hier solle der Patient entscheiden, ob Arzt oder Apotheker „den ersten Aufschlag“ bei der Medikationsliste machten, wobei die Honorierung beider Berufsgruppen „selbstverständlich“ gleich sein müsse. Becker zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundestag im weiteren parlamentarischen Verfahren hier noch nachbessern werde. Dass die enge Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker funktioniere, zeige das Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen. Diese Erfahrungen müssten möglichst rasch in die bundesweite Versorgung Einzug halten.

Kopfzerbrechen bereite häufig das Thema Hilfsmittel: Die Ausschreibungen seien versorgungsfeindlich, sie gefährdeten die wohnortnahe und flächendeckende Hilfsmittelversorgung. Zusätzlich behindert werde die Versorgung durch die „maßlos übertriebenen Anforderungen der Präqualifizierung“. Hier müsse dringend nachgebessert werden, das anstehende Pflegestärkungsgesetz biete dazu Gelegenheit. Ein „Licht inmitten des Hilfsmitteldschungels“ sei seit Anfang dieses Jahres das Online-Vertragsportal (OVP), mit dessen Hilfe der Apotheker auf einen Blick sehen könne, an welchen Dienstleistungs- oder Hilfsmittelverträgen sich seine Apotheke beteilige und welche Anforderungen für die Teilnahme an einem weiteren Vertrag erforderlich seien. Neuerdings sei es auch möglich, diese Daten mit dem Warenwirtschaftssystem der einzelnen Apotheken zusammenzuführen; viele Softwareanbieter präsentierten diese Anbindung erstmals auf der Expopharm.

Positiv sei, so Becker, die Zusammenarbeit von DAV, Phagro und der pharmazeutischen Industrie. Das neue Bestellverfahren MSV3 bringe wesentliche Vorteile für den Arbeitsablauf mit sich. Eine Umstellung sei allen Kollegen zu empfehlen, denn noch sei sie freiwillig und ohne zeitlichen Druck – aber bald ein „vorgegebenes Muss“. |

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