Recht

Ausbeuter, Führer, Speckrolle …

Streit am Arbeitsplatz wird vermehrt bei Facebook ausgetragen

bü/he | An Arbeitsplätzen kommen unterschiedliche Charaktere zusammen. Und wo verschiedene Typen aufeinandertreffen, da sind Meinungsverschiedenheiten oder gar Streit vorprogrammiert. Auffällig: Vermehrt verschaffen sich Arbeitnehmer in sogenannten sozialen Netzwerken Luft und schimpfen auf Kollegen oder Vorgesetzte. Das offene Gespräch „von Angesicht zu Angesicht“ scheint langsam auszusterben.

Diese Erkenntnis kann vielleicht gewonnen werden, wenn die aktuellen Urteile aus Deutschlands ­Arbeitsgerichten zur Streitkultur „am Arbeitsplatz“ betrachtet werden. Klassische Wortgefechte gibt es aber immer noch, wie die zwei ersten Beispiele zeigen.

So kassierte ein Arbeitnehmer nach einem Streit mit seinem Chef die fristlose Kündigung – er hatte ihn „Arschloch und Wichser“ genannt. Das allein reicht eigentlich, um eine Entlassung zu rechtfertigen. Dennoch akzeptierte der Beschäftigte diese nicht. Denn sein „Ausraster“ sei die Antwort auf eine unberechtigte Kritik seines Vorgesetzten gewesen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz schaute sich die Umstände genau an – und urteilte milde.

Es stellte sich nämlich heraus, dass der Chef die ordnungsgemäß eingereichte Krankmeldung des Mitarbeiters mit barschem Ton und einer durchaus als Androhung zu verstehenden Bemerkung abgewiesen hatte. Angesichts dieses „Vorspiels“ hielten die Richter die erheblich ehrverletzende Reaktion des langjährigen Betriebs­angehörigen für bedingt verständlich, sodass eine Abmahnung ein ausreichendes Mittel gewesen wäre. (Az.: 2 Sa 232/11)

Jawohl, mein Führer

Ein 50-jähriger Bezirksleiter wollte sich nichts von der Sekretärin der Geschäftsleitung sagen lassen: Auf die nach seiner Meinung anmaßende Aufforderung der Dame, Umsatzzahlen nachzureichen, ­reagierte er barsch mit „Jawohl, mein Führer“.

Die Geschäftsführung sprach ihm daraufhin eine außerordentliche Kündigung aus. Zu Unrecht, wie das Gericht befand, obwohl die Anspielungen und Vergleiche mit dem Naziregime grundsätzlich eine Entlassung rechtfertigen. Da sich der Bezirksleiter aber sofort bei der Sekretärin entschuldigte und versichern konnte, dass er die Anspielung leichtfertig ausgesprochen und ihre beleidigende Wirkung nicht sofort erkannt habe, wäre eine Abmahnung angemessen – und ausreichend – gewesen. (Az.: 11 Sa 353/10)

Luft ablassen im Internet

Ein ausgeschiedener Mitarbeiter eines Pflegedienstes ließ auf facebook Dampf ab. Er bezeichnete seinen ehemaligen Chef als „Pfeife“ und „arme Pfanne“ in einem „armseligen Saftladen“. Der Ex-Brötchengeber erfuhr davon und verklagte den Ehemaligen auf „Beleidigung“ – vergeblich: Da die „Kanonaden“ über die „Freunde“-Seite abgefeuert wurden, also öffentlich nicht eingesehen werden konnten, hielt das Arbeitsgericht Bochum diese „Formalbeleidigungen“ als von der Meinungsfreiheit gedeckt. (Az.: 3 Ca 1203/11)

Ein ähnlicher Fall landete vor dem Arbeitsgericht Hagen: Von den 70 facebook-„Freunden“ eines Kaltwalzers gehörten 36 zu der Firma, bei der er (seit 30 Jahren) beschäftigt war. Sauer wegen zweier Abmahnungen, die er erhalten hatte, schrieb er: „Diesen kleinen Scheißhaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen Wichser. So ein faules Schwein, der noch nie gearbeitet hat in seinem Scheißleben, gibt mir zwei Abmahnungen. Da hat er sich in den Falschen verguckt, diese Drecksau ...“ Von den Zeilen erfuhr der Chef.

Die fristlose Kündigung folgte auf dem Fuße – hilfsweise „fristgerecht“, worauf das Arbeitsgericht Hagen wegen des lang dauernden Arbeitsverhältnisses einging. Einer weiteren Abmahnung habe es aber nicht bedurft. (Az.: 3 Ca 2597/11)

„Speckrollen“

Die Menschen im Ruhrgebiet sind für klare Ansagen bekannt. Einen Kaufmann im Einzelhandel aus dem Raum Duisburg hätte das jedoch fast seinen Job gekostet. Er bezeichnete seine Kollegen bei facebook als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“. Grundsätzlich, so das Arbeitsgericht Duisburg, können diese Worte eine fristlose Kündigung rechtfertigen – hier behielt der Mitarbeiter aber seine Stelle.

Es stellte sich heraus, dass er „im Affekt“ getextet hatte, nachdem er von einer unberechtigten Denun­ziation der Kollegen beim Chef erfuhr. Außerdem nannte er keine Namen. Prinzipiell könnten solche Beleidigungen zwar auch ohne Abmahnung zum Rauswurf führen und sie sind als Eintrag in einem sozialen Netzwerk nicht mit „normalen Lästereien“ unter Kollegen gleichzustellen, weil sie nachhaltig in die Rechte der Betroffenen eingreifen und schwerer wiegen. Dennoch kam der Mann mit einem blauen Auge davon ... (Az.: 5 Ca 949/12)

Dieser aber nicht: Ein 27-jähriger Auszubildender zum Mediengestalter bezeichnete seinen Arbeitgeber dort als „Menschenschinder und Ausbeuter“ und sich selbst mit der Bezeichnung „Leibeigener“. Außerdem textete er: „Däm­liche Scheiße für Mindestlohn.“

Er bekam die Papiere – fristlos und zu Recht. Er konnte nicht erfolgreich argumentieren, die Ausdrucksweise sei „überspitzt“ und „lustig“ gemeint gewesen – das Landesarbeitsgericht Hamm bewertete die Äußerungen als Be­leidigung. Auf eine Abmahnung konnte verzichtet werden. Der angehende Mediengestalter kannte sich im Internet aus und wusste um die „Verbreitungswirkung“. Das treffe auch dann zu, wenn er als „unreif“ gelte. Mit 27 Jahren müsse er die Konsequenzen tragen – der Ausbilder habe nicht mehr in der Form die Pflicht „zur Förderung der geistigen und charakterlichen Entwicklung“, wie er sie zum Beispiel für einen 16 oder 17 Jahren alten Azubi hätte. (Az.: 3 Sa 644/12) |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.