Gesundheitspolitik

Retax-Gespräche gescheitert

Verhandlungen einvernehmlich abgebrochen – DAV ruft Schiedsstelle an

BERLIN (jz) | Die Gespräche zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband über eine Regelung zur Vermeidung von ungerechtfertigten Retaxationen im Rahmenvertrag sind fehlgeschlagen: Wie der DAV am 9. September mitteilte, stellten beide Seiten nach einem Spitzengespräch am Vortag „gemeinsam“ das Scheitern fest. Zugleich kündigte der DAV an, als Nächstes die Schiedsstelle anzurufen.

Zuvor hatte man bei mehreren Treffen versucht, eine einvernehmliche Einigung zu finden – so, wie es der Gesetzgeber aufgegeben hat. Ende Juli war das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz in Kraft getreten, das § 129 SGB V um den entscheidenden Satz ergänzte: „In dem Rahmenvertrag ist erstmals bis zum 1. Januar 2016 zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt; kommt eine Regelung nicht innerhalb der Frist zustande, entscheidet die Schiedsstelle“.

Anlass für die Gesetzesänderung war die Praxis einiger Krankenkassen, Apotheker teilweise schon bei marginalen Formfehlern auf Null zu retaxieren – obwohl der Patient mit dem richtigen Arzneimittel versorgt worden war.

Doch die Gespräche zwischen DAV und GKV-Spitzenverband, die zu einer Lösung des Problems führen sollten, verliefen schwierig. Es zeichnete sich nicht erst wenige Tage vor dem vorerst letzten Verhandlungsgespräch in der vergangenen Woche ab, dass die eingeräumte Zeit bis Anfang nächsten Jahres nicht ausgeschöpft werden würde. Im Interview mit der AZ hatte DAV-Chef Fritz Becker bereits während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens angekündigt, alsbald die Schiedsstelle anzurufen, falls eine Einigung nicht erreichbar erscheint: „Wenn wir nicht ganz schnell zu einer Lösung kommen, weil sich der GKV-Spitzenverband stur stellt, werden wir die Schiedsstelle anrufen“, mahnte er schon Ende April.

Friedenspflicht läuft aus

Das Scheitern der Gespräche könnte auch im Zusammenhang mit der seit dem 1. Juli geänderten Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) für Ärger sorgen. Rezepte müssen seither sowohl den Vornamen als auch die Telefonnummer des ausstellenden Arztes enthalten. Die Änderung sorgte insbesondere in der Anfangszeit für einigen Mehraufwand: Nicht jeder Arzt war sich der Neuerungen bewusst, immer wieder mussten Apotheken nachfragen und um Nachbesserung ­bitten. Viele Krankenkassen erklärten, in Fällen, in denen die Angaben fehlten, für eine Übergangszeit auf Retaxationen zu verzichten – doch diese läuft Ende September aus. Bislang hat allein die Techniker Krankenkasse (TK) angekündigt, bis Ende März von Retaxierungen abzusehen.

Schiedsstelle am Zug

Nun will der DAV die im Rahmen der Selbstverwaltung gesetzlich vorgesehene Schiedsstelle unter Vorsitz des ehemaligen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses, Dr. Rainer Hess, anrufen und somit frühzeitig das Schiedsverfahren auslösen. Nähere Informationen zu den weiteren Verfahrensschritten und -inhalten gibt es jedoch nicht: Beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart, um, wie es heißt, „das anstehende Schiedsverfahren nicht zu belasten“.

Diskussionsthema beim DAT

Unterdessen wird das Thema Retax die Apothekerschaft beim anstehenden Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf beschäftigen. Mehrere Anträge ranken sich um die leidvolle Problematik. Eine Delegiertengruppe um die Berliner Apothekerin Dr. Kerstin Kemmritz und den früheren Hessischen Verbandsvize Dr. Hans Rudolf Diefenbach fordert die nachträgliche Heilbarkeit von Formfehlern. Fehlende Angaben oder Unterlagen sollten nachgereicht werden dürfen, sofern die zur Abgabe notwendigen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Belieferung vorlagen, heißt es. Teil-/Vollabsetzungen seien eine „völlig unkalkulierbare und unverhältnismäßige Belastung“ für Apothekeninhaber.

Auch der Apothekerverband Brandenburg sieht dringenden Handlungsbedarf und fordert „Schluss mit Nullretaxationen wegen Formfehlern“. Die Praxis der Vollabsetzung bei Formfehlern gefährde die Versorgungssicherheit. Eine Retaxierung über den den Kassen tatsächlich erstandenen Schaden hinaus sei inakzeptabel und müsse ausgeschlossen werden.

Bremer Apothekerverband und Apothekerkammer Bremen fordern gemeinsam, von Retaxationen in den Fällen abzusehen, die durch vom Arzt zu vertretende Formfehler bedingt sind. Die Erwartung von Retaxationen sei inzwischen fester Bestandteil des Apothekenalltags und führe dazu, dass der Apotheker seinen eigentlichen pharmazeutischen Kernkompetenzen kaum mehr nachkommen könne. Daher fordert der Berliner Apotheker-Verein den Gesetzgeber in einem Antrag auf, sicherzustellen, dass die verschreibende Person die Anforderungen der AMVV vollumfänglich erfüllt. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.