Management

Arbeitszeit – was Sie in der Apotheke beachten müssen

Verstöße können zur Haftung bei Schäden führen

Vor Kurzem wurde der Vorschlag der Arbeitgeberverbände in der Presse bekannt, das ­Arbeitszeitgesetz zu ändern. Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsverbände forderten die Bundesregierung auf, insbesondere den 8-Stunden-Tag aus dem Arbeitszeitgesetz zu streichen und diese tägliche Höchstarbeitszeit vielmehr durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu ersetzen. Hierdurch würden mehr Spielräume geschaffen für eine flexible Arbeitszeit, die aufgrund der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der fortschreitenden Digitalisierung ohnehin immer mehr an Bedeutung gewinne.

Sowohl das Arbeitsministerium als auch Gewerkschaften haben die Forderung nach einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit zunächst abgelehnt.

Der nachfolgende Beitrag möchte diese Diskussion zum Anlass ­nehmen, um die aktuellen gesetzlichen und tariflichen Regelungen zu Arbeitszeit, Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen vor­zustellen.

Foto: Klaus Eppele – Fotolia.com

Pause – Kittel aus, Kaffee in die Tasse und trotzdem am Headset? Wer in seiner Pause erreichbar sein soll, kann sich nicht erholen. Das sieht auch der Gesetzgeber so.

Was ist Arbeitszeit?

Fall: Als Arbeitsbeginn der PTA Frau Müller in der Markt-Apotheke ist 8.00 Uhr vereinbart. Um 8.00 Uhr erscheint Frau Müller in der Apotheke. Daraufhin zieht sie die vorgeschriebene Arbeitskleidung (Polohemd mit Aufdruck Markt-Apotheke) an, verstaut ihre persönlichen Sachen in ihrem Spind und steht schließlich um 8.15 Uhr am HV-Tisch. Der Arbeitgeber Herr Meier ist der Auffassung, dass Frau ­Müller jeden Tag ihren Dienst zu spät beginnt, sie habe ­vielmehr bereits um Punkt 8.00 Uhr in Dienstkleidung am HV-Tisch zu stehen.

Die Definition der Arbeitszeit scheint auf Anhieb leicht erklärbar: Es ist Zeit, die man einem Arbeitgeber zur Verfügung stellt und somit der Gegenbegriff von Freizeit. Das obige Beispiel zeigt jedoch, dass die Unterscheidung von Arbeitszeit und Freizeit in der Praxis gar nicht so einfach ist und es viele Grenzfälle gibt, die genau betrachtet werden müssen.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes wird die Arbeitszeit grundsätzlich als die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen definiert. Nun stellt sich die Frage, ob vor- und nachbereitende Tätigkeiten wie Umkleiden oder Waschen noch zur eigentlichen Arbeitszeit gehören und somit vom Arbeitgeber zu vergüten sind. Eine klarstellende gesetzliche oder tarifliche Regelung fehlt hierzu. Ein ­Arbeitgeber kann diesen Punkt im Arbeitsvertrag regeln, indem er z. B. ausdrücklich bestimmt, dass das Anlegen der Dienstkleidung noch nicht zur eigentlichen Arbeitszeit gehört. Aber auch wenn eine solche ausdrück­liche Regelung im Arbeitsvertrag fehlt, werden die Zeiten für das Umkleiden oder das Anlegen eines Kittels nur dann als Arbeitszeit gelten, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden zwingend im Betrieb erfolgen muss (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2012).

Insofern ist im Regelfall davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer zum vertraglich festgelegten Dienstbeginn tatsächlich arbeitsbereit am HV-Tisch stehen muss. Ebenso wenig wird die Wegezeit, also die Zeit, die der Arbeitnehmer zwischen zu Hause und Arbeitsort zurücklegt, als Arbeitszeit angesehen. Insofern trägt der Arbeitnehmer hier das Risiko des Zuspätkommens durch Verkehrsbehinderungen, Hochwasser etc.

Demgegenüber sind Dienstreisezeiten, also die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen zu einem vom Arbeit­geber bestimmten entfernten ­Arbeitsort fährt, in der Regel ­Arbeitszeit. Dies sind insbesondere Zeiten, in denen ein Apothekenangestellter z. B. zu einer Fortbil­dungsveranstaltung fährt. Anders ist der Fall allerdings dann zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer öffentliche Verkehrsmittel nutzt und die Zeit mit privaten Dingen verbringt.

Tipp: Da sich speziell bei außerhalb der Apotheke gelegenen Fortbildungsveranstaltungen die Problematik ergibt, wie Dienstreisezeiten zu vergüten sind, ist hier nur zu empfehlen, dass dies jeweils im Vorfeld zwischen den Vertragsparteien abgesprochen wird. Der Apothekeninhaber sollte zumindest klar darstellen, wie er solche Zeiten zu handhaben gedenkt.

Was steht drin im Tarifvertrag? – einige Zitate

  • Bundesrahmentarifvertrag

§ 3 Arbeitszeit

(...)

2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen und der Notdienstbereitschaft werden durch den Apothekeninhaber festgelegt.

Während der Pausenzeiten kann der Mitarbeiter seinen Aufenthaltsort frei bestimmen. Zeiten, die der Mitarbeiter auf Anweisung des Apothekeninhabers in der Apotheke verbringen muss, sind Arbeitszeit.

3. Als Arbeitszeit zählen auch Teambesprechungen. (...)

§ 5 Notdienstbereitschaft

(...)

2. Die nach der Verordnung über den Betrieb von Apotheken zur Ausübung der Notdienstbereitschaft berechtigten Mitarbeiter sind neben der regelmäßigen Arbeitszeit zur Notdienstbereitschaft verpflichtet. Dabei darf die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden je Werktag bzw. Sonn- und Feiertag auch ohne einen über § 6 hinausgehenden Ausgleich überschritten werden. (...)

4. Die Notdienstbereitschaft ist im Wechsel möglichst gleichmäßig von den zum Notdienst verpflichteten Mitarbeitern zu übernehmen. Dabei ist die Verteilung proportional zur Wochenarbeitszeit der Mitarbeiter vorzunehmen. Von dem einzelnen Diensttuenden kann nicht mehr als die Hälfte der von der Apotheke zu leistenden Notdienstbereitschaften verlangt werden, von zwingenden Notfällen abgesehen.

5. Nach einer Notdienstbereitschaft einschließlich des davor oder danach als Arbeitszeit geleisteten Zeitraumes von höchstens 24 Stunden muss eine Freizeit von mindestens zwölf Stunden gewährt werden, soweit nicht dringende betriebliche Gründe1 entgegenstehen.

§ 6 Vergütung der Notdienst­bereitschaft

1. Für jede Notdienstbereitschaft in der Nacht (18.30 bis 8.00 Uhr) wird nach Wahl des Apothekeninhabers entweder eine Freizeit gewährt (...) oder eine entsprechende Vergütung, (...)

2. Für jede Notdienstbereitschaft an Sonn- und Feiertagen (8.00 bis 18.30 Uhr) wird nach Wahl des Apothekeninhabers entweder eine Freizeit (...) oder eine entsprechende Vergütung gewährt, (...)

1 Die Parteien sind sich darüber einig, dass die durchgehende Aufrechterhaltung des Betriebes als dringender betrieblicher Grund anzusehen ist.

Eine weitere Form der Arbeitszeit ist der Bereitschaftsdienst, im Apothekenbereich insbesondere die Notdienstbereitschaft. Bereitschaftsdienst liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer sich im Betrieb aufzuhalten hat, um er­forderlichenfalls eine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können. Inwieweit ­Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten ist, gehörte lange zu den umstrittensten Fragen des Arbeitszeitrechts. Mittlerweile ist jedoch geklärt, dass auch der Bereitschaftsdienst und somit die Notdienstbereitschaften zur Arbeitszeit zählen. Tariflich ge­regelt ist dies in § 5 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter. Für die Vergütung der Notdienstbereitschaft wurde in § 6 BRTV eine Regelung durch die Tarifvertragsparteien getroffen.

Eine Pause ist eine Pause

Fall: Der Apothekeninhaber Herr Schmidt weist die PTA Frau Müller an, dass diese ihre Mittagspause in der Apotheke verbringt. Falls ein Kunde die Apotheke betrete, solle sie diesen kurz bedienen. Nach Auffassung von Herrn Schmidt stellt ein solches kurzes Unterbrechen der Pause keine Arbeitszeit dar.

Eine Ruhepause ist nach der Rechtsprechung eine im Voraus festliegende Unterbrechung der Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat, er darf vielmehr frei darüber verfügen, wo und wie er diese Ruhezeit verbringen will (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.09.1992). Aus dieser Definition folgt bereits, dass in dem obigen Fall keine Pause vorliegt, da sich Frau Müller zur Arbeit in der Apotheke bereitzuhalten hat. Dies ist auch durch die Tarifvertragsparteien in § 3 des Bundesrahmentarifvertrages zum 1. Januar 2015 klargestellt worden.

Es ist arbeitsmedizinisch anerkannt, dass Ruhepausen notwendig sind, um den Arbeitnehmer vor Übermüdung und damit einhergehenden Gesundheits- und Unfallrisiken zu schützen. In § 4 des Arbeitszeitgesetzes sind daher auch gesetzliche Mindestpausen vorgesehen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden ist eine gesetzliche Mindestpause von 30 Minuten vorgeschrieben. Diese kann auch in zwei Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer längstens sechs Stunden beschäftigt werden kann, ohne dass eine Pause vereinbart ist. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden ist eine gesetzliche Mindestpause von 45 Minuten vorgeschrieben.

Es ist den Vertragsparteien eines Arbeitsverhältnisses dringend anzuraten, diese Mindestpausen unbedingt einzuhalten. Ansonsten liegt eine Ordnungswidrigkeit gemäß dem Arbeitszeitgesetz vor, die gemäß § 22 Arbeitszeitgesetz mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Viel schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass es bei einer Beschäftigung ohne Einhaltung der Mindestpausen zu versicherungs- und haftungsrechtlichen Problemen kommen kann, wenn hieraus Schäden entstehen (Gesundheitsschäden des jeweiligen Arbeitnehmers, Schädigung von Dritten, z. B. durch Falschabgaben, Verkehrsunfälle etc.).

Höchstarbeitszeit: nicht mehr als 48 Stunden

Fall: Die Approbierte Frau Schneider ist in der Markt-Apotheke mit 40 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit beschäftigt. Sie arbeitet montags bis donnerstags jeweils von 8.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr abends bei einer Stunde Mittagspause. Darf Frau Schneider in dieser Weise beschäftigt werden oder liegt ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz vor?

Gemäß dem Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung bis auf maximal zehn Stunden pro Tag ist möglich, wenn in einem Ausgleichszeitraum von sechs Monaten oder 24 Wochen durchschnittlich acht Stunden pro Tag gearbeitet wird. Somit kann ein Arbeitnehmer in diesem Ausgleichszeitraum pro Werktag acht Arbeitsstunden und damit 6 × 8 = 48 Stunden pro Woche arbeiten. Wird dieser Durchschnitt überschritten, muss ein Ausgleich erfolgen. Im obigen Beispiel bedeutet dies, dass Frau Schneider, die 40 Stunden pro Woche arbeitet, in diesem Arbeitszeitmodell ohne Ausgleich beschäftigt werden kann. Würde sie fünf Tage à zehn Stunden und somit 50 Stunden pro Woche arbeiten, müsste hingegen ein Ausgleich dergestalt erfolgen, dass sie in einem 6-Monats-Zeitraum (oder einem 24-Wochen-Zeitraum) im Durchschnitt 48 Stunden arbeitet.

Zusätzlich kann, wenn in der Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft anfällt, in Tarifverträgen die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich verlängert werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 a, Nr. 4 a, Arbeitszeitgesetz). Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien im Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter Gebrauch gemacht, sodass für Notdienstbereitschaften §§ 5 und 6 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter vom Arbeitszeitgesetz abweichende Sonder­regelungen darstellen.

Auch bezüglich der Überschreitung der Höchstarbeitszeiten gilt, dass die Arbeitsvertragsparteien hier – genau wie bei den Pausen – darauf achten sollten, dass keine Verstöße gegen das Arbeitszeit­gesetz stattfinden. |

Martin Hassel

Martin Hassel ist Rechtsanwalt und Partner bei der bundesweit tätigen Kanzlei Dr. Schmidt und Partner mit Niederlassungen in Koblenz, Dresden, München und Oberhausen.

Den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter mit Gehaltstarifvertrag, Stand 1. Januar 2015, 59. Auflage, 2015, 32 Seiten. Kartoniert, 9,80 Euro, ISBN 978-3-7692-6545-3

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