Steuer

Kirchensteuer - wie hoch ist die Belastung?

Nur die Erhebungsform hat sich geändert

Es scheint ein Phänomen der jüngsten Vergangenheit zu sein: Mehr Deutsche als je zuvor „verlieren den Glauben“ an die Kirche und reichen beim zuständigen Standesamt ihre Austrittserklärung ein.

Vorläufiger Höhepunkt in der katholischen Kirche war das von diversen Missbrauchsskandalen geprägte Jahr 2010 mit ca. 180.000 Austritten. Fast ebenso viele Austritte wurden im Jahr 2013 verzeichnet, als das undurchsichtige Finanzgebaren des damaligen Limburger Bischofs Tebartz-van Elst die Schlagzeilen bestimmte. Für 2014 erwarten verschiedene Hochrechnungen einen neuen Rekord an Kirchenaustritten. Ein vergleichbarer Trend ist auch in der evangelischen Kirche zu verzeichnen.

Viele fühlen sich unzureichend informiert

Als mitverantwortlich werden in den Medien die Änderungen beim Kirchensteuerabzug auf Kapitalerträge erklärt. Aus der Beratungspraxis lässt sich bestätigen, dass die Informationspolitik zu diesem Thema unglücklich verlaufen ist. Viele Gläubige fühlten sich über die Neuregelungen unzureichendinformiert, einige interpretierten die geänderten Vorschriften gar als eine „neue Steuer“, die von der Kirche er­hoben werde. Stein des Anstoßes waren die standardmäßigen Schreiben von Banken, die ihre Kunden richtigerweise über den neuen „automatisierten Kirchensteuerabzug“ aufklärten. Doch was hat sich wirklich geändert?

Seit dem 1. Januar 2015 sind die Banken gesetzlich verpflichtet, die Kirchensteuer automatisch an das Finanzamt abzuführen, sofern der Kunde einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört. Um diesen Automatismus in Gang zu setzen, muss die Bank beim Bundeszentralamt für Steuern abfragen, ob und welcher Religionsgemeinschaft Sie angehören. Das Ganze ist eigentlich eine Erleichterung für den Steuerpflichtigen, die bereits seit 2009 mit der damals eingeführten Abgeltungssteuer Einzug halten sollte. Dabei ist die Abgeltungssteuer nur ein modernes Wort für die altbekannte Kapitalertragssteuer, seit 2009 jedoch mit dem reduzierten pauschalen Steuersatz von 25%. Doch die bürokratischen Mühlen in Deutschland mahlen bekanntermaßen langsam, sodass der automatische Abzug erst seit 2015 wirklich funktioniert. Im Endeffekt handelt es sich aber weder um eine neue Steuer noch um eine Schlechterstellung des Steuerpflichtigen, sondern um eine vereinfachte Erhebungsform der Kirchensteuer.

Was das Ganze in der gelebten Praxis bedeutet, kann der Bürger auf seinen Kontoauszügen nachvollziehen. Spätestens seit diesem Jahr werden bei einer Zinsgutschrift auf dem Konto von beispielsweise 100 Euro gleich in der nachfolgenden Position 25 Euro Abgeltungssteuer, 2,25 Euro Kirchensteuer sowie 1,375 Euro Solidaritätszuschlag einbehalten.

8% oder 9% der Einkommensteuer

Doch wie hoch ist die Kirchensteuerlast tatsächlich für die Gläubigen? Die Kirchensteuer wird in Deutschland auf Basis der Einkommensteuer erhoben. In Bayern und Baden-Württemberg beträgt sie 8%, in den übrigen Bundesländern 9% der Einkommensteuer. Viele vergessen bei der Betrachtung jedoch, dass die im Veranlagungsverfahren festgesetzte Kirchensteuer (z. B. auf Arbeitslohn) in voller Höhe als Sonderausgabe abziehbar ist. Dadurch mindert sich die Steuerlast. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 35.000 Euro zahlt der alleinstehende Gläubige beispielsweise 648 Euro Kirchensteuer. Durch den Abzug als Sonderausgabe verbleibt eine tatsächliche Nettobelastung von nur 411 Euro. Es mag viele mögliche Gründe geben, die die Menschen zum Kirchenaustritt bewegen. Die Steuer allein liefert jedoch keinen neuen Grund, denn außer der Erhebungsform hat sich bei der Kirchensteuer nichts geändert. |

Dipl.-Kfm. Martin Wolf, LL.M. ist Steuerberater und Partner bei der bundesweit tätigen Kanzlei Dr. Schmidt und Partner mit Nieder­lassungen in Koblenz, Dresden, München und Oberhausen.

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