Recht

Apothekennachfolge und Erbschaftsteuer

Was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Sie bedeutet

Bereits vergangenen Herbst wurde auf einen möglichen Handlungsbedarf bei der Apothekennachfolge hingewiesen (vgl. etwa AZ 2014, Nr. 31/32, S. 6). Hintergrund der Überlegungen war eine anstehende Entscheidung des Bundesver­fassungsgerichtes zur Recht­mäßigkeit des aktuell gültigen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuergesetzes. Mit großer Spannung wurde das Urteil nicht nur von Fachleuten, sondern auch von vielen betroffenen Apothekern erwartet. Kurz vor Jahresende war es dann so weit: Am 17. Dezember 2014 gaben die Richter ihre wichtige Entscheidung bekannt (siehe auch AZ 2014, Nr. 52, S. 3).

Warum war das Erbschaftsteuergesetz auf dem ­Prüfstand?

Kernpunkt der gerichtlichen ­Überprüfung war die seit dem 1. Januar 2009 geltende erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Verschonungsregelung für Betriebsvermögen. Diese ermöglicht, Unternehmensvermögen in Deutschland deutlich begünstigt oder in vielen Fällen sogar gänzlich steuerfrei an die nächste Generation weiterzugeben.

Als wesentliche Voraussetzung müssen die Nachfolger das Unternehmen fünf bzw. sieben Jahre weiterführen und in dieser Zeit eine gesetzlich vorgegebene Lohnsumme konstant halten. Ziel ist dabei, Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Für Betriebe mit 20 oder weniger Beschäftigten gilt die Arbeitsplatzbindung allerdings nicht. Daher war diese Vereinfachung – auch bekannt als Lohnsummenregel – gerade für viele kleinere Apotheken interessant.

Eine weitere Voraussetzung für die Begünstigung ist, dass das ­Unternehmen nicht zu mehr als 50 Prozent aus sogenanntem Verwaltungsvermögen besteht. Vereinfacht ausgedrückt soll nur solches Vermögen gefördert werden, das tatsächlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Schädliches Vermögen (= Verwaltungsvermögen) wie vermietete Immobilien, Geldvermögen, Wertpapiere oder Kunstgegenstände soll hingegen keine steuerlichen Vorteile erhalten. Nach der „Fallbeilmethode“ wurden bisher all diejenigen Unternehmen begünstigt, die zu maximal 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen bestehen.

Die Bundesrichter hatten nun die Aufgabe zu prüfen, ob die im Erbschaftsteuergesetz vorgesehenen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig sind.

Bereits vor Urteilsverkündung rechnete der Bundesfinanzhof sowie die herrschende Meinung in der Fachliteratur damit, dass das Bundesverfassungsgericht die Begünstigungen „kippt“ und somit eine Schlechterstellung für Unternehmer zu befürchten ist. Dies führte in der Beratungspraxis zu einer deutlichen Zunahme an Nachfolgegestaltungen, mit dem Ziel, das Betriebsvermögen der Mandanten noch rechtzeitig – möglichst steuerfrei – an die ­Kinder zu übertragen.

Foto: Karin & Uwe Annas – fotolia.com

Verschnaufpause nutzen und mit Bedacht und Maß planen, bis der Schuh passt – das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gewährt noch ein bisschen Zeit für die Nachfolgeregelung bei Unternehmen.

Wie hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und was sind seine Gründe?

In seiner knapp 100 Seiten umfassenden Urteilsbegründung bewertet das Bundesverfassungsgericht das derzeit gültige Erbschaftsteuergesetz in zentralen Punkten als verfassungswidrig, da es eine nicht zu rechtfertigende Bevorteilung von Betriebsvermögen (z. B. Apotheken) gegenüber anderen Vermögensarten (z. B. Immobilien oder Kapitalanlagen) ermöglicht. Zur Begründung führt es an:

Auf die Größe kommt es an: Zwar habe der Gesetzgeber grundsätzlich das Recht, kleine und mittlere Unternehmen aus Gemeinwohlgründen (z. B. Erhalt von Arbeitsplätzen) steuerlich zu begünstigen. Eine Begünstigung sei jedoch unverhältnismäßig, sofern sie ohne eine sogenannte Bedürfnisprüfung gewährt werde. Das bedeutet im Klartext: Es soll nur dann eine steuerliche Entlastung geben, wenn diese notwendig ist, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. All diejenigen, die es „sich leisten können“ Erbschaftsteuer zu zahlen, sollen nicht begünstigt werden. Damit zielen die Richter insbesondere in Richtung von Großunternehmen – Apotheken dürften somit nicht ­betroffen sein.

Anzahl der Mitarbeiter entscheidend: Unabhängig von der Größe des Unternehmens fordert das ­Verfassungsgericht eine deutliche Nachbesserung bei der Lohnsummenregelung. Insbesondere die 20-Mitarbeitergrenze sieht es kritisch. Sie führe dazu, dass über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland gar nicht erst von der gesetzlichen Reglementierung erfasst würden, da sie weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigen. Diese ausufernde Privilegierung wurde als unverhältnismäßig beurteilt. Dem Gesetzgeber wurde aufgetragen, eine Begünstigung nur für Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten (z. B. bis zu drei) zu begrenzen oder von einer derartigen Vereinfachung ganz Abstand zu nehmen.

Dieser Punkt ist insbesondere für Apothekennachfolgen von großem Interesse. Durch die zu erwartende Neuregelung werden künftig nahezu alle Apotheken an die Verpflichtung gebunden sein, die im Zeitpunkt von Schenkung/Erbschaft vorhandene Lohnsumme für eine neu festzulegende bestimmte Zeit in der Zukunft (z. B. zehn Jahre) aufrecht zu erhalten.

Qualität des Vermögens von Bedeutung: Betriebliches Vermögen wird derzeit selbst dann begünstigt, wenn es bis zu 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen besteht. Auch dies ist nach Auffassung der Bundesrichter nicht gerechtfertigt. Insbesondere das hier angewendete „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ sei nicht nachvollziehbar. Warum etwa sollten Unternehmen mit 49 Prozent Verwaltungsvermögen die volle Bandbreite gesetzlicher Begünstigungen genießen, während sie solchen mit 51 Prozent Verwaltungsvermögen gänzlich verwehrt bleibt? Viel sinnvoller wäre hier eine Begünstigung gemäß der tatsächlichen Verhältnisse. Beispielsweise würde so ein Unternehmen mit 30 Prozent Verwaltungsvermögen auch nur zu 70 Prozent in den Genuss der steuerlichen Begünstigung kommen.

Insbesondere die Gestaltungsanfälligkeit der bisherigen Gesetzeslage wurde vom Gericht scharf angegriffen. So konnten vermögende Unternehmer in den vergangenen Jahren mithilfe einer sogenannten „Cash-GmbH“ privates Geldvermögen in unbegrenzter Höhe in den Mantel einer GmbH hüllen und diese relativ unkompliziert, legal und vor allem steuerfrei an ihre Kinder verschenken. Den Bundesländern gingen durch diese Umgehungspraxis hunderte Millionen Euro an Steuereinnahmen verloren. Zwar ist diese Gesetzeslücke inzwischen durch nachträgliche Verschärfungen geschlossen worden; dennoch verbleiben zahlreiche weitere vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten (Stichwort: Betriebsaufspaltungsmodell oder Kaskadeneffekt), die aus Sicht des Verfassungsgerichts nicht geduldet werden dürfen. Es ist daher zu erwarten, dass der Umfang des zu begünstigenden Vermögens vom Gesetzgeber in Zukunft deutlich eingeschränkt wird. Diese Verschärfung wird ebenfalls – wie bei der Lohnsummenregel – unabhängig von ihrer Größe alle Unternehmen betreffen.

Wie geht es weiter?

Die Verfassungsrichter geben nun der Politik die Chance, das Gesetzeswerk bis spätestens 30. Juni 2016 nachzubessern. Das kann entweder durch Anpassung des aktuellen Gesetzes oder aber auch durch eine vollständig neu konzipierte Besteuerung erfolgen. Letzteres ist angesichts der bisher zu beobachtenden Konsensfähigkeit der aktuellen Bundesregierung eher unwahrscheinlich. Man dürfte aber davon ausgehen können, dass die Regierung sich der Aufgabe zur gesetzlichen Nachbesserung in aller Sorgfalt stellen wird.

Welche Konsequenzen ­ergeben sich für Sie?

Entgegen der teilweise äußerst kritischen und oberflächlichen Medienreaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollte zunächst festgehalten werden, dass die weitere Anwendbarkeit des aktuellen Gesetzes bis zum 30. Juni 2016 die wohl wichtigste und beste der zahlreichen zu erwartenden Urteilsalternativen darstellt. Mit einer Zustimmung der Richter zum Erbschaftsteuergesetz kann keiner ernsthaft gerechnet haben.

Ebenfalls positiv zu beurteilen ist, dass der Begünstigung von Betriebsvermögen vom Gericht keine grundsätzliche Absage erteilt wurde. Deren Notwendigkeit zum Erhalt von Arbeitsplätzen wurde als Gemeinwohlziel anerkannt. Beanstandet wurde vielmehr die „Art und Weise“ in der der Gesetzgeber diese Begünstigungen ausgestaltet hat. In diesem Bereich haben die Beamten des Finanzministeriums nun die Möglichkeit, das gegenwärtige Verschonungskonzept zu verbessern, ohne die Betriebsvermögensbegünstigung gänzlich aufgeben zu müssen.

Die Übergangsfrist verschafft Unternehmern und ihren Beratern eine dankbare Verschnaufpause, die ihnen die Möglichkeit eröffnet, in den nächsten 18 Monaten mit Ruhe und Bedacht die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Insbesondere können die zuvor dargestellten und vom Gericht kritisierten Vergünstigungen noch uneingeschränkt in Anspruch genommen werden. Somit kann man allen Apothekern, die ernsthaft mit dem Gedanken spielen, ihr Unternehmen in die nächste Generation zu übertragen, nur raten, die Frist bis zum 30. Juni 2016 zu nut-zen. Denn so viel ist klar: Für alle Unternehmen wird es zu Verschlechterungen gegenüber der aktuellen Begünstigungslage kommen; insbesondere bei Großunternehmen ist davon auszugehen, dass die aktuellen gesetzlichen Vorzüge nur noch unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen gewährt werden.

Wie und in welchem Ausmaße sich die Neuregelungen auswirken werden, wird man frühestens im Herbst 2015 beurteilen können, wenn die ersten Gesetzesentwürfe zu erwarten sind. Bis dahin ist es ratsam, sich auf die aktuelle Gesetzeslage zu konzentrieren und für die Unternehmer die bestmöglichen Gestaltungen auszuloten. Wie in allen Bereichen des Lebens gilt es jedoch auch bei der Nachfolgegestaltung Maß zu halten: So warnt das Bundesverfassungsgericht abschließend, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit habe, zweckwidrige oder exzessive Ge-staltungen rückwirkend zum 17. Dezember 2014 noch zu untersagen. |

Martin Wolf

Dipl.-Kfm. Martin Wolf, LL.M. ist Steuer­berater und Partner bei der Fachkanzlei Dr. Schmidt und Partner mit Standorten in Koblenz, Dresden, Oberhausen und München. Sein Beratungsfokus liegt auf Unternehmensnachfolgen und Unternehmens­bewertungen. | Martin.Wolf@dr-sup.de

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