Gesundheitspolitik

Lobby-Paradies Deutschland

Keine Regeln für deutsche Lobbyisten – Gesundheitssektor besonders umkämpft

BERLIN (lk) | In kaum einem ­anderen EU-Land können Lobbyisten so unkontrolliert ihrer ­Arbeit nachgehen wie in Deutschland. Laut einem aktuellen Vergleich der Antikorruptionsorganisation Transparency International liegt Deutschland am unteren Ende der Lobby-Skala. Es gibt kein Lobby-Register, die Beratergremien sind undurchsichtig. Nur Krisen-Länder wie Portugal, Spanien, Italien, Ungarn und Zypern schneiden noch schlechter ab. Besonders hart umkämpft von Lobbyisten ist der Gesundheitssektor.

Nur sieben von 19 untersuchten Ländern verfügen über gezielte Maßnahmen, die einen fairen Zugang von allen Interessen zum ­politischen Entscheidungsprozess sicherstellen sollen. Am besten schneidet Slowenien mit 55 Punkten ab. Das Land verfügt über ­Regulierungen, die sich speziell auf Lobbying konzentrieren und robuste Regeln, die Amtsträger zur Bekanntgabe von Kontakten zu Lobbyisten verpflichten. Der Durchschnitt der untersuchten 19 Länder liegt bei 31 Punkten, Deutschland erzielt lediglich 23 Punkte. „Wir brauchen im ­Lobbyismus ein transparentes und faires Verfahren“, kommentiert dies Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland. Um den Einfluss von Interessen auf die Gesetzesvorbereitung nachvollziehbar und politisch diskutierbar zu gestalten, sei die Einführung eines legislativen Fußabdruckes in Deutschland und in Europa unabdingbar.

ABDA weit vorne

Bevorzugter Tummelplatz für Lobbyisten ist in vielen Ländern das staatlich reglementierte Gesundheitswesen mit seinen Milliarden-Ausgaben. Wissenschaftler der Universität Kiel stellten kürzlich fest, dass die ABDA in der deutschen Gesundheitspolitik zu den aktivsten Lobby-Verbänden gehört – zumindest im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Mit 14 Stellungnahmen lag die ABDA in der letzten Legislaturperiode hinter dem DGB und dem Sozialverband Deutschland auf Platz 13. ­Immerhin standen ja auch wichtige apothekenrelevante Themen auf der politischen Agenda.

Post für Gröhe

Aber der Lobbyismus lässt sich nicht nur an der Zahl der Stellungnahmen messen. Persönliche Kontakte, das richtige Parteibuch, kleine Präsente und persönliche Handynummern gehören zum Handwerkszeug der Interessenvertreter. Ex-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) schickten gesetzliche Krankenkassen Spielzeug für seine neugeborene Tochter ins Amtszimmer. Noch vor ­seiner offiziellen Amtsübernahme klopften die Lobbyisten bei Hermann Gröhe (CDU) an. Ein Krankenkassen-Lobbyist versuchte, den Kontakt über die Handynummer seiner Ehefrau. Vergeblich. Andere schickten ihre Post an Gröhes Privatadresse. Wie es seine Art ist, geht Gröhe auch mit solchen Dingen gelassen um: Die Briefe legt er ungeöffnet in das Posteingangsfach des Bundesgesundheitsministeriums. Dann landen sie später wieder auf seinem Schreibtisch. |

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