Gesundheitspolitik

AOK BaWü scheitert mit Metoprolol-Vertragsstrafe

Nicht belieferbare Metoprolol-Rabattverträge: Kasse muss vor Gericht eine Niederlage verbuchen - Vertragsstrafe war nicht rechtmäßig

BERLIN (jz) | Die AOK Baden-Württemberg musste vor Gericht eine Niederlage im Streit um ihre Metoprolol-Vertragsstrafen erleiden: Im Sommer 2011 hatte die Kasse mit betapharm einen Rabattvertrag geschlossen, obwohl der Hersteller Metoprolol Succinat Beta 47,5 und 95 noch gar nicht liefern konnte. Weil viele Apotheker wirkstoffgleiche Präparate abgaben, aber die PZN der betapharm-Präparate aufs Rezept druckten, sprach die AOK gegen einige von ihnen Vertragsstrafen zwischen knapp 8.000 und gut 24.000 Euro aus. Zu Unrecht, entschied am 20. Januar das Sozialgericht Mannheim (Az. S 9 KR 3065/13).

Rund 1.200 Apotheken rechneten entsprechende Verordnungen im Juni und Juli 2011 aus Sicht der Kasse „falsch“ ab. Im vor dem Sozialgericht Mannheim verhandelten Fall ging es um eine Apothekerin, die in insgesamt 44 Fällen an AOK-Versicherte wirkstoffgleiche Präparate abgegeben hatte, die Kassenrezepte aber mit der PZN der betapharm-Präparate bedruckte und diese bei der AOK zur Abrechnung vorlegte. Seinerzeit arbeitete sie noch mit einer alten Computersoftware, die die vorgelegten Rezepte mit der PZN bedruckte, bevor die Verfügbarkeit des Medikaments überprüft wurde, erklärte sie vor Gericht. Sie bzw. ihre Mitarbeiter versäumten es, die PZN manuell abzuändern.

Die AOK sprach – gegen die Einwände des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg (LAV) – eine Vertragsstrafe in Höhe von 6.560 Euro aus. Weil die Apothekerin diese aber zurückwies, traf man sich vor Gericht. Dort musste die Kasse einen herben Rückschlag verbuchen: In ihrem Urteil machen die Richter des Sozialgerichts Mannheim sehr deutlich, dass das Vorgehen der AOK unrechtmäßig war. Schon an der Zulässigkeit der Klage zweifeln sie. Die Verhängung einer Vertragsstrafe hätte nur in Form eines anfechtbaren Verwaltungsakts erfolgen dürfen. Insoweit fehlte es den Richtern bereits am für die Zulässigkeit einer Leistungsklage erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Keine Grundlage für Strafe

Unabhängig davon wäre die Klage auch unbegründet gewesen, so die Richter. Denn zum einen mangele es an der wirksamen vertraglichen Vereinbarung einer Vertragsstrafe – die im Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung enthaltenen Regelungen dazu seien zu unbestimmt. Zum anderen fehle das notwendige „Benehmen“ mit dem LAV – dafür wäre nämlich der Versuch einer einvernehmlichen Lösung erforderlich gewesen, nicht aber die bloße „apodiktische“ Mitteilung an den LAV über das beabsichtigte Vorgehen. Schließlich erweise sich die eingeklagte Vertragsstrafe als unverhältnismäßig – insbesondere weil vorliegend allenfalls von einem fahrlässigen Verschulden ausgegangen werden könne, wie auch die Staatsanwaltschaft bei Einstellung ihrer Ermittlungen erklärte. Insoweit wäre eine Verwarnung ausreichend gewesen.

Die von der AOK angeführten Argumente greifen aus Sicht des Gerichts allesamt nicht. Zwar könne die ordnungsgemäße Durchführung der Abrechnung im Gesundheitswesen einen wichtigen Allgemeinwohlbelang darstellen, gestehen die Richter der Kasse zu. Dies allein rechtfertige aber die verhängte Vertragsstrafe zumindest in dieser Höhe nicht.

Die Argumentation der Kasse, durch die fehlerhafte Dokumentation werde die Gesundheit der Versicherten gefährdet, erscheine ebenfalls nicht nachvollziehbar – angesichts der anonymisierten Abrechnungsweise seien die gesetzlichen Kassen ohnehin nicht in der Lage, rückwirkend zu rekonstruieren, welcher Versicherte welches Arzneimittel erhalten habe.

Auch der Hinweis auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Apothekerin „dürfte rein theoretischer Natur sein“: Ein solcher sei für das Gericht jedenfalls nicht zu erkennen, heißt es im Urteil.

Die AOK hatte zudem angeführt, dass betapharm durch die Falsch-abrechnung in die Gefahr geraten sei, zu Unrecht im Rahmen des Rabattvertrags in Anspruch genommen zu werden. Dieses Argument dürfte auch „nicht stichhaltig“ sein, heißt es im Urteil, da die Falschabrechnung ja gerade in diesem Zusammenhang aufgedeckt worden sei und es „für den Hersteller unschwer möglich gewesen sein dürfte, zu belegen, dass er das streitige Medikament damals noch gar nicht zur Verfügung stellen konnte“.

Zudem sei das Argument, durch die Falschabrechnung seien wichtige Datengrundlagen für das Abrechnungssystem der GKV verfälscht worden, im Hinblick auf die äußerst geringe wirtschaftliche Bedeutung der monierten Falschabrechnung „ohne Belang“.

Letztes Wort noch nicht gesprochen

Endgültig ist die Entscheidung aber noch nicht. Gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim wurde Berufung eingelegt. Daher bleibt nun abzuwarten, wie das Landessozialgericht die Situation einschätzen wird. |

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