Management

Führung und Freundschaft - ein Drahtseilakt

Emotionale Unterstützung am Arbeitsplatz kann einen zusammenführen – Sandwichposition im Team vermeiden

Eine Apotheke leiten und gleichzeitig mit seiner Angestellten befreundet sein – geht das gut? Die Freundschaft und der Betrieb können dadurch gewinnen oder verlieren, Selbstreflektion und Aufmerksamkeit sind dauerhaft gefragt.

Folgende Schwerpunkte sind bei einer Freundschaft am Arbeitsplatz auf jeden Fall zu beachten:

  • Der regelmäßige Austausch,
  • Kritik und Konflikte,
  • die Weitergabe von Informa­tionen,
  • die Motivation zur Freundschaft.

Der Arbeitspsychologe Hermann Refisch nennt eine eherne Regel: Immer wieder sollten Gespräche auf der Metaebene stattfinden. ­Dabei blickt man aus der Vogel­perspektive auf das Miteinander. Im Arbeitsfeld entstehen möglicherweise Reize und Irritationen, die die Freundschaft belasten, es gehört daher zur Beziehungs­hygiene, hier immer wieder Säuberungsaktionen durch kurze Rücksprachen durchzuführen. Wertvoll ist ein monatlicher fester Termin von einer Stunde, an dem sich beide treffen, Aktuelles besprechen und sich gegenseitig ehrlich den Spiegel vorhalten.

„Mit einem kritischen Freund an der Seite kommt man immer schneller vom Platz.“

Goethe

Nach diesen Treffen gelingt es eher, private Verabredungen auch privat zu gestalten.

Rollenklarheit zu schaffen ist nötig, wenn das Gefühl besteht, auf dem falschen Ohr gehört zu werden. „Ich spreche aus meiner Rolle als Chefin zu Dir“ oder „Ich spreche jetzt als Freundin zu Dir“. In der Mehrzahl der Fälle sind Freundschaften auf unterschied­lichen Hierarchieebenen bei der Arbeit eine Gratwanderung und man sollte es sich gut überlegen, ob man sich in diese brisante Doppelbeziehung begeben will.

Kritik und Konflikte kommen in den besten Beziehungen vor, die Frage ist, wie man damit umgeht und ob man es schafft, sich sachlich darüber auszutauschen. Allzu leicht geschieht es, dass momentane Schwierigkeiten, die auf einer Ebene entstehen, auf die andere übertragen werden. Stellen Sie sich vor, Sie rufen abends bei Ihrer Freundin an und schon nach drei Sätzen unterbricht diese Sie mit den Worten: „Du meldest Dich auch immer nur, wenn Du Schwierigkeiten hast, wie es mir geht, ­interessiert Dich gar nicht.“ Sie fühlen sich zurückgewiesen, sind erbost und in diesem Moment sagt Ihre Freundin: „Mein Mann kommt jetzt, wir wollen Abendbrot essen“ und beendet das Gespräch. Da Sie noch einen Termin haben, können Sie an diesem Abend nicht noch einmal dort anrufen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit am nächsten Tag? Gleich morgens um acht sind noch andere Kollegen da und die Kunden strömen heran. Wann gelingt es zeitnah, sich zusammen- und auseinanderzusetzen? Achten Sie als Chefin darauf, dass Sie Ihrer Freundin in „schrägen Phasen“ nicht be­sonders viele unangenehme Arbeiten aufbürden oder abfällige Bemerkungen Dritten gegenüber ­machen.

Foto: fotomek – Fotolia.com

Sie können im Dienst nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre, wenn Sie sich privat gerade nicht grün sind. Hier ist einer der Vorteile von Freundschaft am Arbeitsplatz: Ausweichen bei Missstimmungen ist nur vorübergehend möglich, durch die enge Zusammenarbeit ist man zur Klärung gezwungen und lernt es durch Übung, sich miteinander auszusprechen. So wird oder bleibt die Beziehung ­stabil. Schafft man es nicht, ist eine Trennung unausweichlich.

Albert Kitzler benennt in seinem Zitat ­einen weiteren Vorteil in seinem Kapitel über Freundschaften.

„Ein guter Freund ist zugleich Lehrer und Vorbild für eine gelungene Lebensführung.“

Albert Kitzler

Wir verbringen mit dieser Freundin mehr Zeit als mit allen anderen. Sie bekommt viel mehr mit, ist im Bilde über die Geschehnisse am Arbeitsplatz und kann aus ­dieser Perspektive wunderbar Rückmeldung geben. Feedback am Arbeitsplatz bekommen wir sonst von den wenigsten Angestellten, es sei denn, wir fordern direkt ­dazu auf.

Normalerweise gibt die Leitung Weisungen an die Mitarbeiter. Wenn Sie einer Freundin immer wieder sagen, was sie zu tun hat, sind eher Widerstände möglich, weil keine Scheu besteht, unverblümt zu sagen, was einem nicht passt. Das Thema Bevorzugung oder Benachteiligung steht ebenfalls im Raum. Wollen Sie Kameradin sein und wenig Arbeit auf­bürden, beklagen sich andere Angestellte zu Recht, wenn sie im Verhältnis mehr oder häufiger ­unangenehme Aufgaben über­nehmen müssen. Das Gleiche gilt für Gehalt, Urlaub und andere Dinge, man steht immer auf dem Prüfstand.

Will man dagegen verdeutlichen, dass man seine Freundin nicht bevorzugt und ist besonders streng, ergibt sich ebenfalls eine Schräglage. Balance halten kann man am besten, wenn man sich fragt: „Würdest Du das auch tun, wenn wir nicht miteinander befreundet wären?“ Bei „Ja“: grünes Licht, bei „Nein“ steht das Stoppsignal. Muss man seiner Freundin etwas abschlagen, fällt es besonders schwer, weiß man doch genau, in welcher Lage sie sich befindet und welche Schwierigkeiten es für sie nach sich zieht.

Offenheit versus ­Verschwiegenheit

Was trägt die Vertraute von der Leitung ins Team und was in die andere Richtung? Wie offen kann man ihr gegenüber sein? Tratscht sie, wenn sie sich über jemanden ärgert, in die jeweils andere Richtung? Vermittelt sie bei Schwierigkeiten oder gibt Hintergrundinformationen, die mehr Verständnis und Toleranz erzeugen? Muss man ihr immer sagen: „das bleibt unter uns“ oder „bitte weitersagen“? Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wovon die Leitung und das Team grundsätzlich ausgehen, wenn diese Frage nicht zum Thema gemacht wird. Vielleicht streut manches Teammitglied absichtlich Informationen ein in der Erwartung, dass sie es der Chefin nicht selber sagen muss. Oft gerät die Freundin unfreiwillig zum Sprachrohr und in eine Sandwichposition. Die Chefin sollte sie darauf aufmerksam machen und auch selbst darauf achten, dass sie nichts delegiert, wenn sie etwas mit einer anderen An­gestellten zu besprechen hat. Die Kommunikationsregel „Rede nicht über andere, sondern mit ihnen“ ist hier nicht nur gültig, sondern auch wichtig, um nicht durch irgendwelche Missverständnisse die Freundschaft zu belasten.

Natürlich ist es auch eine Typ­frage, ob viel oder wenig geredet, ein humorvoller Umgang gepflegt wird, Frotzeleien ausgetauscht werden und Ähnliches. Wo sind die Grenzen? Stellen Sie sich vor, Sie kommen morgens schlechtgelaunt zur Arbeit und Ihre Freundin begrüßt Sie mit den Worten: „Na, war Dein Mann wieder die ganze Nacht ohne Dich unterwegs?“ oder: „Musstest Du zu Hause wieder allen hinterherräumen?“ Das geht Ihnen zu weit, aber Ihre Freundin findet es normal, wollte eher Mitgefühl ausdrücken oder hat einfach spontan agiert, ohne vorher nachzudenken. Wenn es in dieser Freundschaft viel Nähe und kaum Geheimnisse geben soll, verabreden Sie am besten von vorn­herein welche Themen tabu sind. Dann ist es schon klar, wenn entsprechende Situationen oder Fragen auftauchen, und Sie müssen einander nicht in einer aktuellen Situation überraschend zurückweisen. Fassen Sie sich bei Gesprächen über Krankheiten oder Be­ziehungsprobleme kurz oder ­umgehen Derartiges ganz, wenn Sie sich noch nicht sehr gut oder lange kennen.

Ein elementares Kennzeichen von Freundschaft ist die Freiwilligkeit. Daniel Rössler beschreibt dies in seiner soziologischen Untersuchung. In einem Kleinbetrieb ist das Gefühl, gemeinsam in einem Boot zu sitzen, oft Basis der freundschaftlichen Beziehung. Die gegenseitige, auch emotionale Unterstützung am Arbeitsplatz kann zur Freundschaft führen. Eine Freundin bietet einen Fixpunkt im manchmal chaotischen Arbeitsalltag, sie bedeutet einen Halt und besitzt manchmal mehr Überblick.

„Freunde sollten deutlich machen, was sie voneinander erwarten, um Enttäuschungen zu vermeiden.“

Dr. Hermann Refisch

Wenn aber nur auf einer Seite der Wunsch zu einer Freundschaft besteht – wie gehen Sie damit um? Wenn Sie als Leitung privaten Kontakt mit einer Angestellten aufnehmen möchten und diese sich verweigert, ist es extrem wichtig, diese Abweisung nicht persönlich zu nehmen. Vielleicht hat die Betreffende schlechte Erfahrungen mit Freundschaften im Beruf gemacht und hält sich daher zurück, vielleicht befürchtet sie auch Komplikationen in der Teamkonstellation oder ist zeitlich jetzt schon so an ihrer Grenze, dass sie nicht noch eine Freundin möchte, mit der sie dann immer zu wenig Kontakt hat. Ähnlich sieht es vice versa aus: Ihre Angestellte lädt Sie zu ihrer Geburtstagsfeier ein, fragt, ob Sie mal zusammen ins Kino wollen oder öffnet sich im Gespräch über den beruflichen Normalpegel hinaus. Diese Situation ist etwas einfacher, Sie können schlichtweg auf eine freundliche Art sagen, warum Sie die Beziehung nicht auf die private Seite ausdehnen möchten und dabei deutlich machen, dass das nur in Ihnen und nicht in ihr, die Sie durchaus schätzen, begründet ist. Wenn auf beiden Seiten Vertrauen besteht, kann man ohne Weiteres ablehnen. Wenn nicht, wäre sowieso keine verlässliche Basis für eine echte Freundschaft vorhanden. |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist PTA und Diplom-Pädagogin für Erwachsene. Sie ist Seminartrainerin im Bereich Kommunikation mit Spezialisierung auf Heilberufler, www.kommed-coaching.de, info@kommed-coaching.de

Literatur

Albert Kitzler Wie lebe ich ein gutes Leben? Pattloch Verlag 2014

Daniel Rössler Freundschaft am Arbeitsplatz - Spezifika einer persönlichen Beziehung im beruflichen Umfeld. Grin Verlag 2006

Pörksen, Bernhard und Schulz von Thun, FriedemannKommunikation als Lebenskunst. Carl-Auer-Verlag 2014

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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