Arzneimittel und Therapie

Folsäure kann Tumorwachstum fördern

Versuche bei Ratten mit Mammakarzinom beunruhigen

Die Einnahme von Folsäure ist weit verbreitet, teils zur Prävention fetaler Missbildungen, teils zur Verhinderung onkologischer und kardiovaskulärer Erkrankungen. Doch ist die Folsäure-Gabe in jedem Fall unbedenklich? Eine kanadische Arbeitsgruppe weist im Tierversuch auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bereits erkrankter Tiere hin.

Die Rolle von Folinsäure und Folaten in der Krebsprävention ist unklar und wird kontrovers diskutiert. Einige Studien sehen einen präventiven Effekt der Folat-Supplementation, andere nicht; wieder andere sprechen der Folat-Einnahme eine tumorfördernde Wirkung zu. Derzeit neigt man zur Annahme, dass die Wirkung von Folsäure (gemeint sind Folsäure und Folate) zum einen dosisabhängig ist und zum anderen vom Zustand der Zelltransformation – Vorliegen gesunder oder prämaligner Zellen – abhängt. So könnte die Folat-Gabe im gesunden Gewebe eine Tumorentwicklung verhindern, beim Vorliegen präneomaligner Läsionen hingegen fördern. Da viele Mammakarzinom-Patientinnen und Langzeitüberlebende einer Brustkrebserkrankung in Nordamerika größere Mengen an Folsäure zu sich nehmen – sei es als Nahrungsergänzungsmittel oder durch Anreicherung von Lebensmitteln – ist diese Frage von nicht unerheblicher Bedeutung. Eine kanadische Arbeitsgruppe näherte sich diesem Problem in ersten Tierversuchen.

Folat-Supplementation im Tierversuch

120 weibliche Ratten erhielten drei Wochen lang Futter mit physiologischen Folat-Mengen von 2 mg/kg. (Auf den Menschen übertragen bedeutet dies rund 0,4 mg Folat bei einer täglichen Energieaufnahme von 2000 Kcal; dies entspricht in etwa der täglich empfohlenen Folat-Menge). Dann wurde eine hochpotente kanzerogene Substanz (DMBA = 7,12-Dimethylbenza[a]anthracen) appliziert und dadurch ein Tumor im Brustgewebe der Ratten hervorgerufen. Anschließend wurden die Tiere in vier Gruppen aufgeteilt und erhielten weitere zwölf Wochen lang eine Nahrung mit unterschiedlichem Folat-Gehalt (2 mg/kg; 5 mg/kg, 8 mg/kg und 10 mg/kg). Die Tumorgröße wurde wöchentlich festgehalten.

Beziehung zwischen der Folat-Supplementation und dem Tumorvolumen befallener Sentinelzellen der Brust Im Vergleich mit der Kontrollgruppe (2 mg/kg) und angereicherter Nahrung (8 mg/kg) führte eine tägliche Folat-Supplementation von 5 mg/kg bei Ratten zu einem statistisch signifikanten Progress des Tumorwachstums.

Nach diesen zwölf Wochen wurden die Tiere getötet und Wächterlymphknoten und das weitere Brustgewebe histologisch untersucht. Ferner wurden die Auswirkungen der Folsäure-Gabe auf die Expression bestimmter Proteine festgehalten, die bei der Proliferation und Apoptose eine Rolle spielen. Obwohl keine klare Dosis-Antwort-Beziehung vorlag, konnte gezeigt werden, dass die Folat-Gabe den Tumorprogress signifikant erhöhte und mit einem signifikant höheren Gewicht und Volumen des Wächterlymphknotens und des Brusttumors assoziiert war. Die stärkste Beziehung war bei einer Supplementation von 5 mg/kg nachweisbar. Die Gabe von Folsäure war ferner mit einem Anstieg von BAX (Apoptoseassoziiertes Protein), PARP (körpereigenes Enzym, das an der DNA-Reparatur beteiligt ist) und HER2 (humaner epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor) assoziiert. Aufgrund dieser Ergebnisse vermuten die Studienautoren, dass die Folat-Supplementation den Progress einer bestehenden Brustkrebserkrankung fördern kann. Daher sollte geklärt werden, ob dieser Effekt auch beim Menschen auftritt.

Mögliche Konsequenzen

Die Annahme, die im Tierversuch festgestellten Ergebnisse seien auf die Humanmedizin übertragbar, hat weitreichende Konsequenzen. So müssten unter anderem die Folsäure-Supplementation und die Anreicherung von Lebensmitteln mit Folaten neu überdacht und Personengruppen erfasst werden, bei denen eine Folsäure-Gabe möglicherweise negative Folgen hat. 

Quelle

Manshadi S et al. Folic acid supplementation promotes mammary tumor progression in a rat model. PLOS ONE 9(1):e84634 doi: 10.1371/journal.pone.0084635.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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