DAZ aktuell

Ausnahmen müssen möglich sein

EuGH bemängelt Apotheken-Bedarfsplanung in Österreich

BERLIN (jz) | Im Prinzip verstößt die österreichische Bedarfsplanung für Apotheken nicht gegen Europäisches Unionsrecht. Dennoch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) etwas an der österreichischen Regelung zu bemängeln: Die Zulassungsbehörden sollten nach Meinung der Richter die Möglichkeit haben, Ausnahmen zuzulassen, wenn örtliche Besonderheiten dies erfordern – etwa in ländlichen und abgelegenen Regionen. (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13. Februar 2014, Rechtssache C-367/12)

Ausgangspunkt des Verfahrens war der Antrag einer österreichischen Apothekerin auf Genehmigung einer neuen Apotheke in einer österreichischen Gemeinde. Der Bezirkshauptmann lehnte dies mangels Bedarf ab: Der Apotheke in der Nachbargemeinde blieben sonst deutlich weniger als die mindestens zu versorgenden 5500 Personen (§ 10 Österreichisches Apothekengesetz). Dagegen wehrte sich die Apothekerin vor Gericht. Der Oberösterreichische Verwaltungssenat setzte das Verfahren aber aus und ersuchte den EuGH, vorab die Frage zu beantworten, ob diese nationale Vorgabe der Bedarfsregelung gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstößt.

Bedarfsplanung grundsätzlich zulässig ...

In ihrer Entscheidung führen die EuGH-Richter aus, dass national beschränkende Regelungen, die den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten sollen, grundsätzlich zulässig sind. Systeme, die mit einer vorherigen behördlichen Genehmigung arbeiten, müssen allerdings auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind. Diese Voraussetzungen sind dem EuGH zufolge bei der Bedarfsregelung in Österreich auch erfüllt. Allerdings weisen die Richter auch darauf hin, dass eine nationale Regelung nur dann als geeignet angesehen werden könne, „wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen“. Im vorliegenden konkreten Fall sei es Auslegungssache des nationalen Gerichts, zu bestimmen, ob und inwieweit die österreichische Regelung diesen Anforderungen entspreche.

... aber ...

Der Gerichtshof sah sich selbst gleichwohl in der Pflicht, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, weshalb die EuGH-Richter in ihrem Urteil darauf aufmerksam machen, dass bei einer einheitlichen Anwendung der festgelegten Voraussetzungen hinsichtlich Bevölkerungsdichte (mind. 5500 weiterhin zu versorgende Personen) und Mindestentfernung zwischen Apotheken (mind. 500 Meter) die Gefahr bestehe, dass in Gebieten, die bestimmte demografische Besonderheiten aufweisen, ein angemessener Zugang zum pharmazeutischen Dienst nicht gewährleistet sein könnte – etwa in ländlichen und abgelegenen Regionen. Also dort, wo Menschen außerhalb der zu berücksichtigenden Versorgungsgebiete bestehender Apotheken leben.

Kammer will nachjustieren

Die Österreichische Apothekerkammer sieht durch das EuGH-Urteil das Bedarfsprüfungssystem in ihrem Land grundsätzlich bestätigt und will auch daran festhalten. Es sei „ein Erfolgsmodell und hat sich seit Jahrzehnten bewährt“, erklärte Kammerpräsident Max Wellan. Im Hinblick auf die gute, flächendeckende Versorgung sei die Bedarfsregelung „erforderlich und sinnvoll“. Ohne sie käme es zur vermehrten Eröffnung von neuen Apotheken an attraktiven städtischen Standorten und Ballungszentren, während in ländlichen Gebieten oder weniger guten Lagen die Arzneimittelversorgung gefährdet werde. Nichtsdestotrotz will die Kammer bei der starren Grenze von 5500 zu versorgenden Personen jetzt detailliert „nachschärfen“: Damit künftig auch örtliche Besonderheiten stärker Berücksichtigung finden. 

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