Arzneimittel und Therapie

Ja zur kognitiven Verhaltenstherapie

Weniger Kopfschmerztage für Kinder mit Migräne

Kinder und Jugendliche mit Migräne unter Basisbehandlung mit Amitriptylin profitieren von einer zusätzlichen kognitiven Verhaltenstherapie mehr als von Aufklärung und Beratung. Dies ergab eine in der amerikanischen Fachzeitschrift JAMA veröffentlichte Studie.

Experten beklagen, dass es für Kinder und Jugendliche mit chronischer Migräne bisher noch keine frühzeitig einsetzbaren, sicheren und effektiven Behandlungsmöglichkeiten gibt. In einer zwischen 2006 und 2012 durchgeführten amerikanischen Studie war geprüft worden, ob die kognitive Verhaltenstherapie (cognitive behavorial therapy, CBT) die Krankheitslast reduzieren kann, wenn sie zusätzlich zu einer Basisbehandlung mit Amitriptylin eingesetzt wird.

Verhaltenstherapie versus Aufklärung und Beratung

Eingeschlossen wurden 135 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 17 Jahren (79% weiblich), die unter mittelschwerer bis schwerer chronischer Migräne litten. Diese war definiert als mehr als 15 Tage mit Kopfschmerzen pro Monat sowie mehr als 20 Punkte beim Pediatric Migraine Disability Assessment Score (PedMIDAS). In diesem Score werden 0 bis 10 Punkte für keine bis wenige, 11 bis 30 für milde, 31 bis 50 für moderate und über 50 Punkte für schwere Einschränkungen vergeben. Zu den Einschränkungen zählte beispielsweise, wenn ein Betroffener aufgrund der Kopfschmerzen nicht die Schule besuchen oder nicht an sportlichen oder sozialen Aktivitäten teilnehmen konnte.

Die Studienteilnehmer wurden einer CBT-Gruppe (kognitive Verhaltenstherapie, n = 64) und einer Headache-education-Gruppe (n = 71) mit Aufklärungsgesprächen und Beratung zur Lebensführung zugeteilt. Dabei waren die Behandlungsintensitäten in den jeweils insgesamt zehn einstündigen Sitzungen (acht Wochen lang einmal wöchentlich, zusätzlich je eine Therapiestunde in Woche zwölf und 16) in beiden Gruppen vergleichbar. Amitriptylin wurde allen Teilnehmern in einer Zieldosis von 1 mg/kg pro Tag verabreicht (Aufdosierungsphase in Woche 1 bis 8, Erhaltungsdosis in den Wochen 9 bis 20).

Weniger Kopfschmerztage

129 Kinder und Jugendliche beendeten das 20-Wochen-, 124 das Zwölf-Monats-follow-up. Zu Studienbeginn waren in den Tagebüchern der Teilnehmer über einem Zeitraum von 28 Tagen durchschnittlich 21 Kopfschmerztage aufgezeichnet worden. Der PedMIDAS lag durchschnittlich bei 68 Punkten. Nach 20 Wochen hatte die kognitive Verhaltenstherapie zu einer Reduktion der Kopfschmerztage um 11,5, in der Kontroll-Gruppe um 6,8 Tage geführt (Differenz 4,7 Tage, 95% KI 1,7 bis 7,7, p = 0,002). Der Krankheitsscore reduzierte sich ebenfalls signifikant, der Unterschied im PedMIDAS lag bei 14,1 Punkten (Reduktion 52,7 vs. 38,6 Punkte, p = 0,01). Auch nach einem Jahr war dieser Unterschied noch signifikant: 86% der Teilnehmer an der kognitiven Verhaltenstherapie berichteten über eine mehr als 50%ige Reduktion der Kopfschmerztage, in der Kontrollgruppe nur 69% (p = 0,002). Beim PedMIDAS hatten 88% der mit CBT Behandelten Werte unter 20 Punkten, in der Kontrollgruppe nur 76% (p < 0,001). In beiden Gruppen wurden die Behandlungen gut vertragen, unerwünschte Ereignisse waren etwa gleich verteilt.

Kognitive Verhaltenstherapie als Erst-Linien-Therapie?

Nach Ansicht der Autoren sollte die kognitive Verhaltenstherapie bei Migräne im Kindes- und Jugendalter häufiger eingesetzt werden, unter Umständen sogar als Erst-Linien-Therapie mit medikamentöser Unterstützung. Ein Kommentator der Studie sieht dies jedoch kritisch: Vieles spräche dagegen, unter anderem die nicht flächendeckende Verfügbarkeit der kognitiven Verhaltenstherapie, Kostengründe oder die Präferenz einer alleinigen medikamentösen Therapie bei den Betroffenen bzw. Angehörigen. Offen bleibt die Frage, weshalb als Basistherapie in der Studie Amitriptylin gewählt wurde. Neben Müdigkeit, Benommenheit oder Schwindelgefühl, die den Alltag stark beeinträchtigen können, sind bei diesem Wirkstoff auch Herzrhythmusstörungen sowie Fälle von suizidalen Gedanken oder suizidalem Verhalten während oder kurze Zeit nach Beendigung der Behandlung berichtet worden.

In der S2-Leitlinie zur Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter, die auch Empfehlungen zur Migräne enthält, ist Amitriptylin lediglich 2. Wahl in der Prophylaxe (siehe Tabelle). Die kognitive Verhaltenstherapie (z.B. nach Luka-Krausgrill) wird darin zur Prophylaxe, jedoch nicht zur Therapie der kindlichen und jugendlichen Migräne empfohlen (siehe Tabelle). 

Quelle

Powers SW et al. Cognitive behavioral therapy plus amitriptyline for chronic migraine in children and adolescents: a randomized clinical trial. JAMA 2013; 310(24): 2622-2630, doi: 10.1001/jama.2013.282533.

Connelly M. Cognitive behavioral therapy for treatment of pediatric chronic migraine. JAMA 2013; 310(24): 2617-2618, doi: 10.1001/jama.2013.282534.

Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter. S2-Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Gesellschaft für Neuropädiatrie, Stand Juni 2009; Nervenheilkunde 2008; 27: 1127-1137.

Fachinformation Saroten® Tabs 50 mg, Stand November 2010.

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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