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Gehalt: Jeder zweite Ostdeutsche ist unzufrieden

Ungerechte Bezahlung kann krank machen

Fast jeder zweite ostdeutsche Arbeitnehmer fühlt sich unterbezahlt. In Westdeutschland halten knapp 30% der Beschäftigten die eigene Vergütung nicht für gerecht. Die Unzufriedenheit führt zu Stress und mindert den gefühlten Gesundheitszustand der Betroffenen.

Soziologen der Universität Bielefeld haben Daten von mehr als 12.000 Arbeitnehmern aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) ausgewertet. Dabei ging es um die Fragen, ob sie ihre Bezahlung für gerecht halten und wie sie ihren Gesundheitszustand bewerten.

Im bundesdeutschen Durchschnitt äußerte sich gut ein Drittel der Befragten mit ihrem Gehalt unzufrieden. In Ostdeutschland liegt der Anteil deutlich höher: 46% der Arbeitnehmer finden, dass sie im Vergleich zu niedrig entlohnt werden. Das ist nicht verwunderlich. Denn die Tarifbindung liegt in den neuen Bundesländern deutlich niedriger als im Westen – und dort, wo es Tarifverträge gibt, sind sie teilweise immer noch weit unter Westniveau.

Niedriger Stundenlohn, hohe Unzufriedenheit

Als Maßstab für die Zufriedenheit mit dem Lohn gelten Kollegen, Partner oder die üblichen Gehälter in der Branche. Ein unerwartetes Ergebnis: Frauen fühlen sich nicht häufiger benachteiligt als Männer. Eine mögliche Erklärung sehen die Forscher darin, dass sie sich mit anderen Frauen vergleichen und nicht mit den meist besser bezahlten männlichen Kollegen.

Dagegen überrascht nicht, dass das Gefühl, ungerecht entlohnt zu werden (Anteile in %), mit der Höhe des Stundenlohns (brutto) zusammenhängt:

Stundenlohn …

  • unter 8,50 €  54,3% unzufrieden
  • 8,50 bis 17 €  39,8% unzufrieden
  • 17 bis 25,50 €  24,9% unzufrieden
  • über 25,50 €  14,9% unzufrieden

Unzufriedenheit ist ein Gesundheitsrisiko

Die Autoren wiesen in ihrer Studie außerdem auf einen Zusammenhang zwischen dem Gefühl, ungerecht bezahlt zu werden, und der Bewertung des eigenen Gesundheitszustands hin: Während von den Zufriedenen rund 61% ihre Gesundheit als gut bezeichneten, waren es bei den Unzufriedenen nur 57%. Diese Tendenz erklären die Forscher mit dem Stress, den eine solche empfundene Ungerechtigkeit auslöst. Der wiederum könne zu körperlichen und seelischen Erkrankungen führen. Das bei einem geringen Einkommen ohnehin erhöhte Risiko für die Gesundheit wird also durch die erlebte Ungerechtigkeit noch verschärft. 

Quelle: Reinhard Schunck, Carsten Sauer, Peter Valet: Macht Ungerechtigkeit krank? Gesundheitliche Folgen von Einkommens(un)gerechtigkeit. WSI-Mitteilungen 8/2013, in: Böckler Impuls 01/2014.

 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

 

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Interview mit dem ADEXA-Vorstand: „Tendenz gilt auch für Apotheken“

Frau Kratt, sind die Aussagen, dass in Ostdeutschland die Unzufriedenheit über ungerechte Bezahlung höher ist als im Westen, auf den Apothekenbereich übertragbar?

Tanja Kratt

Kratt: Ja, das Phänomen trifft leider auch für die Apotheken zu. So gilt in Sachsen ja schon seit 1998 kein Tarifvertrag mehr – das heißt, der Abstand zu den Gehältern, die im Westen gezahlt werden, wächst. Natürlich finden es die Kolleginnen und Kollegen in Sachsen ungerecht, dass sie sowohl bei den Gehältern als auch bei den übrigen Arbeitsbedingungen wie Anspruch auf Sonderzahlung, tarifliche Altersvorsorge, Überstundenvergütung etc. weit hinter den Angestellten im Tarifbereich des ADA hinterherhinken. Das liegt daran, dass die Arbeitgeber sich weigern, verbindliche tarifliche Mindeststandards auszuhandeln. Mir ist völlig unverständlich, warum der Arbeitgeberverband in Sachsen nicht endlich einen strategischen Schwenk vornimmt, um die Attraktivität der Arbeitsplätze in den sächsischen Apotheken wieder zu erhöhen.

Welche Auswirkungen hat das auf den Berufsnachwuchs und das Fachkräfteangebot?

Kratt: Wir hören immer wieder Klagen von Auszubildenden darüber, dass selbst an deren Vergütungen gespart wird. Das breitet sich von Sachsen auch nach Thüringen, Sachsen-Anhalt und sogar Niedersachsen aus. Wer als Schulabgänger einen Vergleich mit anderen Kammerbezirken oder auch anderen Branchen macht, der wird sich im Zweifel für einen anderen Ausbildungsplatz entscheiden. Und ebenso wandern zumindest die mobilen Studierenden und Arbeitnehmer in besser bezahlte Regionen und Berufsfelder ab. Das Jammern über einen derart hausgemachten Fachkräftemangel finde ich deshalb scheinheilig.

Frau Neusetzer, welche Außenwirkung hat das mit Blick auf den geplanten Mindestlohn und die Forderung nach weiteren Vergütungsmodulen wie BtM, Rezepturen etc.?

Barbara Neusetzer

Neusetzer: Es würde mich nicht wundern, wenn in Sachsen Kolleginnen unter dem angestrebten Mindestlohnniveau bezahlt werden. Das Fehlen von Tarifverträgen hat ja gerade wesentlich mit dazu geführt, dass wir einen Mindestlohn bekommen werden – dem wir als Gewerkschaft im Übrigen positiv gegenüberstehen, denn er zeigt die Minimalbedingungen für Beschäftigte in Deutschland auf. Und das bedeutet ebenso, dass gut ausgebildetes Personal mehr verdienen muss. Das Fehlen gültiger Tarife ist auch ein Problem der Glaubwürdigkeit der Standesführung gegenüber der Politik. Die Regierung will die Verbreitung von Tarifverträgen fördern. Wer um zusätzliche Gelder verhandelt, darf sich keine solche Blöße geben. Ich denke hier auch an das neue Leitbild für Apotheker in öffentlichen Apotheken, das sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auf die Fahne geschrieben hat und an dessen Entwicklung und Umsetzung sich möglichst viele beteiligen sollten – Apothekeninhaber wie angestellte ApothekerInnen. Nach Schmidts Vorstellungen soll dabei auch herauskommen, dass sich Schulabgänger vermehrt für ein Pharmaziestudium entscheiden und sagen können „Ja, das ist genau das Richtige für mich“. Wenn das erreicht werden soll, dann muss sich in Sachsen auf jeden Fall etwas ändern! 

Die Fragen stellte Sigrid Joachimsthaler.

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