Medikationsanalyse

Ich frag‘ mal schnell meine Datenbank!

Vergleich von acht Programmen zur Interaktionsprüfung in der Apotheke

Von Dorothee Dartsch | Für die Medikationsanalyse und das Medikationsmanagement müssen viele Arzneimitteldaten berücksichtigt werden. Die kann und muss man nicht alle im Kopf haben, denn glücklicherweise gibt es Datenbanken, die uns unsere Arbeit zwar nicht abnehmen, sie aber wirkungsvoll unterstützen.

Sie bieten unterschiedliche Funktionen und Informationen zu unterschiedlichen Preisen. Wer die Lizenz für eine kostenpflichtige Datenbank erwerben möchte, sollte darum prüfen, welche Datenbank für seinen Bedarf am besten passt. Dieser Beitrag stellt Ihnen einige Produkte vor (s. Kasten). Für den tieferen Einblick empfiehlt sich auf jeden Fall ein Probezugang, um spezifische Praxisfälle durchzuspielen und die Kompatibilität mit der apothekeneigenen Software zu überprüfen. Genau das wurde hier mit vier Modellverordnungen getan:

1. Alendronsäure + L-Thyroxin + Calcium (Tab. 2),

2. Clopidogrel + Pantoprazol (Tab. 3),

3. Ramipril + Spironolacton + Torasemid (Tab. 4),

4. Citalopram + Esomeprazol (Tab. 5).

Alle vier Kombinationen haben ein (unterschiedlich gut belegtes) Interaktionspotenzial, die ersten beiden und Nr. 4 mit pharmakokinetischem, die dritte mit pharmakodynamischem Mechanismus. Die Wirkstoffmonografien wurden anhand von Clopidogrel verglichen. Um den Umgang mit Doppelverordnungen darzustellen, wurde in der Verordnung Nr.1 zusätzlich zur Alendronsäure noch Risedronsäure und ein anderes L-Thyroxinpräparat „verordnet“. Für die Medikation Nr.4 wurde, sofern die Möglichkeit dazu besteht, ein bestehendes Long-QT-Syndrom (ICD-10: I45.8) angegeben, um zu überprüfen, ob auf die daraus resultierende absolute Kontraindikation für Citalopram hingewiesen wird.

Verglichene Datenbanken und ihre Anbieter*

  • ABDA-Datenbank (ABDATA Pharma-Daten-Service, Eschborn; kostenpflichtig)
  • SCHOLZ-Datenbank AMTS ArzneimittelRisikoCheck plus Medikationsplan (ePrax AG, München-Lüdenscheid; kostenpflichtig)
  • MediQ (Psychiatrische Dienste Aargau AG, CH-Brugg; kostenpflichtig)
  • i:fox® Risiko-Check (ifap Service-Institut für Ärzte und Apotheker GmbH, Martinsried; kostenpflichtig)
  • MMI Pharmindex Plus (Medizinische Medien Informations GmbH, Neu-Isenburg; kostenpflichtig)
  • Micromedex® 2.0 (Truven Health Analytics Inc.; kostenpflichtig)
  • Epocrates® online (Epocrates, Inc., San Francisco; kostenfrei)
  • Drugs.com (Wolters Kluwer Health, American Society of Health-System Pharmacists, Cerner Multum und Thomson Reuters Micromedex®, USA; kostenfrei)

* Natürlich ist das Angebot noch größer und kann daher hier nicht vollumfänglich dargestellt werden. Ich habe die bekanntesten und vielleicht am meisten genutzten Datenbanken herausgegriffen und entschuldige mich an dieser Stelle für das Nicht-Berücksichtigen aller anderen. Die Anbieter der vorgestellten Datenbanken haben weder dafür gezahlt, hier vertreten zu sein, noch Einfluss auf die Ergebnisse genommen. Sie hatten die Möglichkeit, das Manuskript einige Tage dahingehend zu prüfen, ob alle sie betreffenden Angaben korrekt sind.

Kurze Übersicht über die einbezogenen Datenbanken

Die ABDA-Datenbank ist gut bekannt. Ihre Rohdaten werden von mehr als 20 Software-Häusern in unterschiedlicher Form aufbereitet und mit den jeweiligen Warenwirtschaftssystemen verknüpft. Daher hängt die Art und Qualität der Datendarstellung entscheidend von dieser Umsetzung ab. Vergleichend geprüft wurden das Interaktionsmodul und die über den ATC-Code zugänglichen Fertigarzneimittelmonografien, so wie der Deutsche Apotheker Verlag sie via Online-Portal DrugBase zur Verfügung stellt, also ohne Warenwirtschaftssystem und Cave-Modul. Bitte informieren Sie sich hierüber und über die Darstellungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Softwarehäusern an anderer Stelle. Ihre Beschreibung hätte den Umfang dieses Beitrags bei Weitem gesprengt.

Die kostenfreie Drugs.com-Datenbank wird von vier unabhängigen Anbietern medizinischer Informationen in den USA betrieben: Wolters Kluwer Health, American Society of Health-System Pharmacists, Cerner Multum und Thomson Reuters Micromedex®. Ihr Angebot für „Professionals“ umfasst neben einem Interaktions-Checker und drei verschiedenen Monografie-Linien (A-Z Drug Facts & Comparisons sowie MedFacts Natural Products Information von Wolters Kluwer und DI Monographs der AHFS) FDA-Meldungen in Information über klinische Studienergebnisse, ein medizinisches Wörterbuch sowie Micromedex® Carenotes® und Harvard Health Topics mit kurzgefasster Information über die wichtigsten Erkrankungen, ihre möglichen Ursachen, Symptome und Behandlung/Versorgung.

Epocrates® enthält Wirkstoff- bzw. Arzneimittelmonografien, auch zu alternativen Therapien, einen Interaktions-Checker, einen Algorithmus zur Arzneimittelbestimmung (analog Identa), Kurzfassungen von Leitlinien, das ICD-9-Register, Informationen zu Erkrankungen, diagnostischen Laboruntersuchungen, der kalkulierten und spezifischen Antibiotikatherapie. Ergänzt werden diese Informationen durch Tabellen und Rechner zu verschiedenen Themen. Eine Basisversion ist nach Registrierung frei zugänglich, das Komplettpaket ist kostenpflichtig.

i:fox® Visio fokussiert auf die Arzneimitteltherapiesicherheit und identifiziert folglich Risiken in Bezug auf Interaktionen (Arzneimittel und Lebensmittel), Kontraindikationen, Schwangerschaft/Stillzeit, Kreuz- und Gruppenallergien, Hypersensibilitätsreaktionen, Doppelverordnungen und Priscus-Arzneimittel bei älteren Patienten. Ein Ausbau in den Bereichen Leber- und Niereninsuffizienz, Off-label-Use, kumulierte unerwünschte Arzneimitteleffekte, Pharmakogenetik, Epigenetik, Laborparameter, Photosensibilität sowie ein indikations- und applikationsbezogener Alters-Check sind in Arbeit. Der i:fox® Arzneimitteltherapiesicherheits-Check wird additiv in bestehende Arzneimittel- und Therapiedatenbanken integriert.

MediQ ist vor allem ein Interaktionsprogramm, das zusätzlich zu den Interaktionsangaben auch enzymatische Abbau- und Transportwege und grafische Darstellungen CYP-vermittelter Interaktionspotenziale aufführt. Mit kleinen Symbolen werden außerdem Arzneimittel gekennzeichnet, deren Dosis bei Nieren- bzw. Leberinsuffizienz angepasst werden muss, die die QT-Zeit verlängern oder die Krampfschwelle senken.

Micromedex® bietet Unterstützung beim Interaktions-Check, der Arzneimittelbestimmung und dem Umgang mit Parenteralia (Kompatibilität, Stabilität) und enthält umfangreiche Monografien zur Pharmakologie (über DrugDex) und Toxikologie (über Poisindex). Eine Option zum Wirkstoffvergleich, der z.B. verrät, ob sich zwei ACE-Hemmer in ihren unerwünschten Wirkungen unterscheiden, verschiedene Rechner, optionale Einbindung einer Hausliste und von Pflegestandards in Kliniken sowie Anbindung an pädiatrische Informationsquellen ergänzen das Angebot.

MMI Pharmindex Plus bietet Zugriff auf die Fachinformationen aller am deutschen Markt befindlichen Präparate, eine Interaktionsprüfung, Teilbarkeitsinformationen und die Identa-Liste zur Identifizierung von Tabletten. Das Zusatzmodul OntoDrug® AMTS, mit dem zusätzlich Prüfungen auf Doppelverordnungen sowie Kontraindikationen durch Komorbiditäten, Allergien, das Alter oder Schwangerschaft, sowie Vorschläge zur Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz möglich sind, war nicht Gegenstand dieses Vergleichs.

Die SCHOLZ-Datenbank erstellt aus den eingegebenen Arzneimittel- und Patientendaten ein Risikoprotokoll mit Interaktionsmeldungen, gleichartigen kumulierenden Nebenwirkungen sowie Nebenwirkungen, die zur Ausprägung von Kontraindikationen für einen Kombinationspartner führen können, Kontraindikations- und Allergiewarnungen sowie Einnahmehinweisen. Die Steuerung der Wechselwirkungsanzeige ist dynamisch, d.h. abhängig von Dosis und Anzahl involvierter Wirkstoffe verändert sich der angezeigte Schweregrad. Ein ATC-basiertes1 Optimierungssystem hilft beim Auffinden sichererer Alternativen. Aus der Medikation kann ein Medikationsplan, ggf. inklusive laienverständlicher Wechselwirkungsinformation, erstellt werden. Zur Unterstützung von Literaturrecherchen gibt es eine vorgefertigte Suchstrategie für PubMed2.

Die meisten kostenpflichtigen Datenbanken können in unterschiedlichen „Paketen“ abonniert werden, sodass nicht alle genannten Funktionen in allen „Paketgrößen“ enthalten sind. Durch kluges und vorausschauendes Prüfen der benötigten Elemente kann auf diese Weise meistens ein maßgeschneidertes Sortiment an Funktionen gefunden werden.

1 ATC: Anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem für Wirkstoffe

2 PubMed ist eine kostenfreie Literaturdatenbank, in der zzt. gut 24 Mio. Artikel aus Fachzeitschriften im Bereich Lebenswissenschaften und Online-Büchern referenziert sind. Website: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed

Wirkstoffmonografien

Die Bezugsgrundlage für den Vergleich der Wirkstoffmonografien war der European Public Assessment Report (EPAR) der EMA für Plavix® 75 mg (Clopidogrel). Er ist gegliedert in Bezeichnung des Arzneimittels, qualitative und quantitative Zusammensetzung, Darreichungsform, klinische Angaben (Anwendungsgebiete, Dosierung und Art der Anwendung, Gegenanzeigen, besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen, Nebenwirkungen, Überdosierung), pharmakologische Eigenschaften (pharmakodynamische Eigenschaften, pharmakokinetische Eigenschaften, präklinische Daten zur Sicherheit), pharmazeutische Angaben (Liste der sonstigen Bestandteile, Inkompatibilitäten, Dauer der Haltbarkeit, besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung, Art und Inhalt des Behältnisses, besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung), Inhaber der Zulassung, Zulassungsnummern, Datum der Erteilung der Zulassung/Verlängerung der Zulassung und Stand der Information.

Auf dem EPAR beruht die Fachinformation, weshalb Ihnen seine Gliederung sicherlich gleich bekannt vorkam. Es findet sich 1:1 wieder in den Monografien von MMI Pharmindex Plus (zusätzliche Angabe des Status als apotheken- oder verschreibungspflichtig und Kontaktdaten des Herstellers). Die Fertigarzneimittel-Monografien der ABDA-Datenbank bilden die Fachinformation strukturiert ab und werden ergänzt durch Standardhinweissätze zur Anwendung und Dosierung, zu Hilfsstoffen, die problematisch bei Allergien sein können, und zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit. Zudem enthalten die Monografien eine Kurzinformation zur Wirkung und weitere Hinweise an den Patienten, zu Monitoringmaßnahmen, zum Therapieabbruch und zur Kombination mit weiteren Arzneimitteln. Weiterführende stoffbezogene Informationen wie Pharmakokinetik und Toxikologie finden sich in den Wirkstoffdossiers. Klinische Angaben bzw. Wirkstoffmonografien sind kein Bestandteil des hier verwendeten i:fox®, können aber als separate Module desselben Anbieters eingebunden werden. Monografien aus mediQ enthalten eine stark gekürzte Version des EPAR, im Verhältnis dazu aber sehr viel pharmakokinetische Angaben. Die SCHOLZ-Datenbank verfügt über eine Verbindung zu den AHFS-Monografien, die oben bereits im Rahmen der Beschreibung von Drugs.com erwähnt wurden. Drugs.com, Epocrates® und Micromedex® haben als US-amerikanische Produkte andere Grundlagen als den EPAR und liefern teils umfassendere Informationen, v.a. zur klinischen Pharmakologie. Besonders umfangreich und detailliert sind die Monografien von Micromedex®. Sie dürften v.a. bei komplexen Fällen sehr hilfreich sein.

Für das Medikationsmanagement sind vor allem interessant:

  • die Indikationen (Anwendungsgebiete; evtl. Beschränkung auf bestimmte Altersgruppen),
  • die Dosierung inkl. abweichender Dosierungen für bestimmte Patientengruppen (meist Kinder, Senioren, Patienten mit Eliminationsstörungen) und Maßnahmen für den Fall vergessener Einnahme,
  • die Art der Anwendung (z.B. für Clopidogrel: unabhängig von den Mahlzeiten),
  • die absoluten und relativen Kontraindikationen (Gegenanzeigen bzw. Warnhinweise), die manchmal auch Hinweise auf unerwünschte Wirkungen enthalten,
  • die Interaktionen,
  • ggf. Hinweise, ob Schwangerschaft, Stillen und Fertilität gefährdet sind,
  • Hinweise zum Reaktionsvermögen und
  • die unerwünschten Wirkungen mit der Angabe der Häufigkeit, um zu entscheiden, über welche Nebenwirkungen die Patienten aktiv aufgeklärt werden sollten, ob berichtete Beschwerden zum bekannten Nebenwirkungsspektrum der eingenommenen Wirkstoffe passen und ob evtl. Verordnungskaskaden vorliegen.

Wichtig sind auch die pharmakodynamischen Eigenschaften, denn hier ist aufgeführt, welchen therapeutischen Nutzen das Arzneimittel bietet. Für Plavix ist in der Fachinformation z.B. angegeben, dass eine dreimonatige Clopidogrel-Gabe zusätzlich zur ASS-Gabe bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom das Risiko senkt, einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder daran zu versterben.

Für bestimmte Fragestellungen lohnt auch ein Blick in die pharmakokinetischen Daten, z.B. um einen Überblick über den Eliminationsweg zu erhalten und abzuschätzen, ob sich hieraus weiteres Interaktionspotenzial ergibt oder ob ein veränderter Metabolisiererstatus auftretende Symptome unerwünschter Wirkungen erklären könnte.

Interaktions-Check

Alle Interaktionsprogramme nehmen eine Klassifizierung der gefundenen Interaktion vor. Diese kann eindimensional, z.B. „schwerwiegend“, oder aber zweidimensional sein, z.B. „gefährlich/häufig“ oder „gefährlich/selten“. Um eine „Alert-Fatigue“ zu vermeiden, können bei manchen Programmen Filter eingeschaltet werden, sodass z.B. nur bestimmte Schweregrade angezeigt werden. Weitere Unterschiede gibt es hinsichtlich der Angabe der Datenlage (Evidenz, z.B. ‚umfangreiche Daten‘, ‚mehrere große Studien‘, ‚einzelne Fallberichte‘) und der Literaturquellen. Einen Vergleich dieser Aspekte finden Sie in Tabelle 1.

Wichtige Qualitätsmerkmale von Datenbanken sind auch die Häufigkeit der Aktualisierung und die Qualität der Monografie-Erstellung. Welche Expertise haben die Monografie-Autoren? Auf welche Daten stützen sie sich? Gibt es qualitätssichernde Maßnahmen wie Standards, nach denen Daten gesucht, bewertet und zusammengefasst werden, und ein Vier-Augen-Prinzip? Sind diese Angaben frei zugänglich oder werden sie nur auf Anfrage offengelegt?

Die Ergebnisse des Interaktions-Checks mit den verschiedenen Datenbanken sind hinsichtlich des Datenumfangs in den Tabellen 2 bis 5 dargestellt. Eine Beschreibung der Interaktion und ihrer Mechanismen wird in den meisten Fällen dargestellt. Daher ist dieser Teil in den Tabellen in der Überschrift kurz umrissen. In den weiteren Zeilen wurde der Fokus auf zusätzliche Detailinformationen und die Handlungsanweisungen gelegt, die sich durchaus unterscheiden können, je nachdem, welche Studien den empfohlenen Maßnahmen zugrunde liegen und wie sie bewertet wurden.

Wie die Tabellen 2 bis 5 zeigen, gab es bei den vier Modellverordnungen einige Unterschiede zwischen den Interaktionsprüfungs-Funktionen der Datenbanken:

Interaktionen, die gut belegt sind, mit einigermaßen großer Wahrscheinlichkeit auftreten und klinisch relevant sind, werden von allen Datenbanken aufgeführt. Die schlechter belegten oder nur potenziell relevanten Interaktionen finden sich dagegen nicht überall: Die mögliche Wirkungsverminderung von Alendronsäure durch überdosiertes L-Thyroxin wird bei mediQ, die Elektrolytverschiebungen durch die Kombination von Torasemid und Spironolacton und die additive Hyponatriämie durch Citalopram und Esomeprazol werden bei mediQ und SCHOLZ, Clopidogrel und Pantoprazol bei mediQ, SCHOLZ und Drugs.com aufgeführt. Das Aufnehmen aller bekannten Informationen über Interaktionen – auch dass kein Risiko besteht – bedeutet, dass der Anwender den expliziten Hinweis bekommt, in dieser Richtung nicht weiter suchen zu müssen. Andererseits ist auch diese Meldung eine Information, die bearbeitet werden muss und zur „alert fatigue“ beitragen kann. Das Weglassen solcher Interaktionen ist daher ebenfalls nachvollziehbar. Insbesondere die viel diskutierte Interaktion von Clopidogrel mit Protonenpumpenhemmern verdeutlicht, dass die verglichenen Datenbanken diesen beiden Seiten in unterschiedlichem Maß Rechnung tragen.

Auch der Umfang an Information ist sehr heterogen. MediQ und Epocrates® halten sich zugunsten einer schnellen Bearbeitung überwiegend kurz und knapp, wobei die grafisch aufgearbeiteten Zusatzinformationen von MediQ zu Eliminations- und Transportwegen auch weitergehende eigene Überlegungen unterstützen. Die anderen Datenbanken waren bei den vier geprüften Kombinationen oft ausführlicher. Vor allem die Monografien bei Micromedex®, SCHOLZ-Datenbank und Drugs.com bieten andererseits sehr umfangreiche Informationen. MMI Pharmindex Plus, die ABDA-Datenbank und i:fox® bieten einen guten Kompromiss zwischen beiden Ansätzen.

Die Einstufung kann sich durchaus auch unterscheiden, wie z.B. die Modellverordnung Nr.4 zeigt (Citalopram + Esomeprazol). Micromedex® stuft deren Interaktion als „major“ ein, MMI Pharmindex Plus als geringfügig. Dieses Phänomen ist lange bekannt und basiert auf der Tatsache, dass die Anbieter der verschiedenen Datenbanken eigenen Prozessen zur Bewertung der Studienergebnisse zur Relevanz und zum Schweregrad von Interaktionen und folglich einem eigenen Einstufungsprozess folgen. Aus diesem Grund kann es bei „verzwickten“ Fällen helfen, in verschiedenen Datenbanken zu recherchieren, z.B. wenn von Multimedikations-Patienten ein Symptom berichtet wird, das die unerwünschte Wirkung eines seiner Arzneimittel sein könnte, dieses Arzneimittel aber bereits so niedrig dosiert wird, dass man eigentlich nicht sofort von einer Überdosierung ausgehen kann.

Interaktions-Datenbanken prüfen meist binäre Arzneimittelkombinationen auf Wechselwirkungen, weil es für die vermutlich komplexeren Interaktionen zwischen drei oder gar mehr Wirkstoffen nur bei sehr häufig eingesetzten Kombinationen belastbare Studiendaten gibt und theoretische Überlegungen nur in ausgewählten Fällen ausreichend fundiert sind. Unter den verglichenen Datenbanken führt lediglich die SCHOLZ-Datenbank solche ausgewählten Dreierkombinationen in der Beschreibung und in der Liste direkt als solche auf, z.B. für die Verordnung Nr.3: „die Dreierkombination ACE-Hemmer plus Furosemid/Schleifendiuretikum plus Spironolacton kann zu erheblichem Blutdruckabfall und evtl. Nierenversagen führen“. Wenn die Gewichtung der Dreier- von derjenigen der Zweierkombinationen erheblich abweicht, werden die Dreierkombinationen zusätzlich hervorgehoben. In manchen Fällen werden zudem kurze Hinweise zum Nutzen der Kombinationen gegeben: „25–50 mg Spironolacton senkt das Mortalitätsrisiko bei Herzinsuffizienz bei zusätzlicher Gabe zur Standardtherapie (ACE-Hemmer oder AT1-Blocker) um ca. 30%“ und „die Langzeitkombination ist in der Regel wegen der zusätzlichen Blutdrucksenkung zweckmäßig“.

Die SCHOLZ-Datenbank liefert im Interaktionsprogramm einen „direkten Draht“ zu Medline mit, über die die ausgewählte Interaktion in eine Suchanfrage übersetzt wird. Das ist sehr bequem, zumal die sensitive Form der Suchanfrage eine Kopplung verschiedener Suchbegriffe und ihrer Synonyme erfordert. Mit deutschen Arzneimittelnamen wie Paracetamol oder Alendronsäure kann Medline allerdings nur bedingt umgehen. Während ersteres automatisch als „acetaminophen“ erkannt wird, muss Alendronsäure per Hand in die englische Bezeichnung (hier: alendronate) überführt werden. Diese Funktion soll nach Aussage des Anbieters überarbeitet und verbessert werden.

Doppelverordnungen

Micromedex® warnt, wenn derselbe Wirkstoff ein zweites Mal eingegeben wird, z.B. in Form von Euthyrox und L-Thyroxin. Allerdings gibt es keine Warnung, wenn z.B. Alendron- und Risedronsäure zusammen eingegeben werden, was ebenfalls als Doppelverordnung gelten müsste.

Der i:fox® Risiko-Check und die SCHOLZ-Datenbank registrieren die Eingabe von Euthyrox und L-Thyroxin sowie Alendronat und Risedronat als Doppelmedikationen und geben eine entsprechende Warnung aus.

Auch mit der ABDA-Datenbank sind Doppelverordnungen auf Stoff- bzw. Stoffgruppenebene detektierbar. Ob diese Funktion verfügbar ist, hängt aber von der jeweiligen Umsetzung durch das Software-Haus ab.

Kontraindikationen

Das die ABDA-Datenbank ergänzende Cave-Modul zur Detektion von Kontraindikationen nach Erkrankungen, Allergien, Alter oder Geschlecht und als Hilfestellung für das Auffinden sicherer Arzneimittel anhand der Patientendaten wurde nicht in die Prüfung einbezogen.

Micromedex® enthält die Option zur Eingabe von Allergien beim Interaktions-Check, sodass Wirk- und Hilfsstoffe auf ihre Kompatibilität geprüft werden.

Der i:fox® Risiko-Check bietet die Möglichkeit, Alter, Geschlecht, bei weiblichen Patientinnen auch Schwangerschaft und Stillzeit einzugeben. Nachfolgend werden Warnhinweise zur Einnahme in der Schwangerschaft und Stillzeit generiert. Die Eingabe von Diagnosen über ICD-10 ist ebenfalls möglich. So warnt das Programm bei einer Verordnung von Citalopram für einen Patienten mit Long-QT-Syndrom mit dem Hinweis „schwerwiegend“, dass hier eine absolute Kontraindikation besteht.

Die SCHOLZ-Datenbank ermöglicht die Eingabe von Alter, Allergien, Diagnosen und besonderen Zuständen wie z.B. Schwangerschaft, Stillzeit, oder genetische Polymorphismen. Diese Eingaben werden dann als Kontraindikation bei der Eingabe von Arzneimitteln geprüft. Auch hier gab es eine „rote Ampel“ für die Verordnung von Citalopram an einen Patienten mit Long-QT-Syndrom. Hilfreich sind auch die gesonderten Hinweise auf diejenigen unerwünschten Wirkungen, die bei ihrem Eintreten Kontraindikationen für andere verordnete Arzneimittel darstellen. Beispielsweise wird der Nutzer im Rahmen der Modellverordnung Nr. 4 darauf aufmerksam gemacht, dass Esomeprazol Hepatitis und Leberversagen verursachen kann, was eine Kontraindikation für Citalopram bedeuten würde.

Fazit

Für Dienstleistungen wie Medikationsanalyse und -management wird man ohne eine gute Datenbank nicht auskommen. Alle verglichenen Datenbanken und Prüfungsinstrumente sind in dieser Hinsicht enorm hilfreich. Sie unterscheiden sich in ihrem Umfang und ihren Prioritäten, ohne dass sich objektiv sagen ließe, was besser oder schlechter ist. Das hängt ganz entscheidend davon ab, wie Ihre Berufspraxis aussieht, was Sie brauchen und wie Sie am liebsten arbeiten. Entsprechend Ihren Prioritäten sollten Sie Ihren eigenen vergleichenden Praxistest machen. Dieser Beitrag konnte Ihnen nur zeigen, worauf Sie dabei achten können. 

Autorin

Dr. Dorothee Dartsch studierte Pharmazie in Hamburg und wurde dort im Fach Pharmakologie und Toxikologie promoviert. Von 2002 bis 2012 war sie Hochschullehrerin für Klinische Pharmazie an der Universität Hamburg. In dieser Zeit leitete sie auch den klinisch-pharmazeutischen Teil eines EU-Projekts zur Entwicklung postgradualer berufsbegleitender Online-Kurse für Apotheker. Seit 2012 leitet sie die Fortbildungsinstitution Campus Pharmazie GmbH. Seit März 2013 ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Campus Pharmazie GmbH.

Anschrift: CaP Campus Pharmazie GmbH, Planckstr. 13, 22765 Hamburg,
info@campus-pharmazie.de

 

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