Arzneimittel und Therapie

Ibrutinib bei Leukämie und Lymphomen

Hemmung der Bruton-Tyrosinkinase als neues Wirkprinzip

Ibrutinib ist ein Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase, die im B-Zell-Rezeptorweg eine wichtige Rolle spielt. Dieser ist unter anderem bei der chronisch lymphatischen Leukämie und dem Mantelzell-Lymphom pathologisch aktiviert. Eine Hemmung der Bruton-Tyrosinkinase durch Ibrutinib führte in Zulassungsstudien zu hohen Remissionsraten und einem verbesserten Überleben.

Im Oktober dieses Jahres wurde mit Ibrutinib (Imbruvica®) der erste orale Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK) zugelassen. Ibrutinib bindet irreversibel an die Bruton-Tyrosinkinase und blockiert so den pathologisch aktivierten B-Zell-Rezeptor-Signalweg (s. Kasten). In der Folge treten maligne Zellen des lymphatischen Systems aus der Milz, dem Knochenmark oder den Lymphknoten in das periphere Blut („Austreiben der Zellen“) und können dort durch Apoptose vernichtet werden. Ibrutinib ist in Europa zugelassen

  • zur Behandlung erwachsener Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie, die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben,
  • für die Erst-Linien-Therapie erwachsener Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie mit einer prognostisch ungünstigen 17p-Deletion oder TP53-Mutation, die für eine Chemo-Immuntherapie nicht geeignet sind,
  • zur Therapie erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom.

Der B-Zell-Rezeptor-Signalweg und neue Wirkstoffe

Bei Tumoren des lymphatischen Systems, die von den B-Zellen ausgehen - den sogenannten B-Zell-Lymphomen wie etwa der chronisch lymphatischen Leukämie oder dem Mantelzell-Lymphom - liegt ein pathologisch gestörter Rezeptor-Signalweg vor. Es kommt zu einer Aktivierung verschiedener Kinasen innerhalb der Signalkaskade. In der Folge werden Zellüberleben, Homing, Adhäsion und Migration maligner B-Zellen übermäßig gefördert und die Apoptose unterdrückt. Ein Therapieansatz ist daher die Hemmung spezieller Kinasen in diesem Signalweg, wie etwa der Bruton-Tyrosinkinase (BTK).

Bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Therapie von B-Zell-Lymphomen ist derzeit eine große Bewegung zu verzeichnen. So stehen seit diesem Jahr die Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab und Ofatumumab sowie die gezielten Tyrosinkinase-Inhibitoren Ibrutinib (BTK-Inhibitor) und Idelalisib (PI3K-Inhibitor) zur Verfügung.

Studien zur Therapie der chronisch lymphatischen Leukämie

Für die Zulassung von Ibrutinib zur Therapie der chronisch lymphatischen Leukämie waren die multizentrische Phase-III-Studie (PCYC-1112; RESONATE), in der die Wirksamkeit von Ibrutinib mit der von Ofatumumab verglichen wurde, sowie eine einarmige multizentrische Phase-Ib/II-Studie (PCYC-1102/1103) maßgeblich. In der RESONATE-Studie wurde Ibrutinib mit dem Anti-CD20-Antikörper Ofatumumab bei Patienten mit einer vorbehandelten chronisch lymphatischen Leukämie verglichen. Dabei zeigte Ibrutinib unabhängig von klinischen und genetischen Risikofaktoren eine signifikante Überlegenheit hinsichtlich des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens. Insgesamt erhielten 391 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer chronisch lymphatischer Leukämie oral Ibrutinib (n = 195) oder intravenös Ofatumumab (n = 196). Die Gesamtansprechraten auf die Ibrutinib-Therapie lagen bei 43% vs. 4% unter Ofatumumab (Daten des Independent Assessments; im Investigator Assessment werden höhere Raten angegeben). Im Independent Assessment zeigte sich sowohl hinsichtlich des Ansprechens als auch hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) eine signifikante Überlegenheit des BTK-Inhibitors: Das mediane PFS wurde im Ibrutinib-Arm nach einem Follow-up von 9,4 Monaten noch nicht erreicht, wohingegen es im Vergleichsarm unter Ofatumumab bei 8,1 Monaten lag (p < 0,0001). Die OS-Rate lag in der Ibrutinib-Gruppe nach 12 Monaten bei 90%, in der Ofatumumab-Gruppe bei 81% (p = 0,005).

In der Langzeitnachbeobachtung der Phase-II-Studie PCYC-1102/1103 konnten die gute Wirksamkeit und das gute Sicherheitsprofil von Ibrutinib bestätigt werden. In dieser Studie, die sowohl therapienaive (n = 31) als auch rezidivierte und refraktäre (n = 101) Patienten einschloss, wurden die Patienten mit einer Dosierung von 420 mg/Tag oder 840 mg/Tag behandelt. Nach 30 Monaten lag das OS bei den rezidivierten und refraktären Patienten bei 79,9%, bei den Patienten mit einer prognostisch ungünstigen 17p-Deletion bei 66%.

Effektive Therapie auch beim Mantelzell-Lymphom

Die Zulassung für die Behandlung des Mantelzell-Lymphoms basiert auf einer einarmigen Phase-II-Studie (PCYC 1104) mit 111 Patienten. Trotz meist fortgeschrittener Erkrankung oder Vorliegen eines hohen Risikos betrug die Ansprechrate 69%. 21% der Patienten erreichten sogar eine komplette Remission. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 1,9 Monate. Das Ansprechen verbesserte sich mit steigender Therapiedauer. Die Rate des Gesamtüberlebens lag zum Analysezeitpunkt (geschätztes medianes Follow-up 15,3 Monate) bei 63%. Die mediane Dauer des Ansprechens, des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens waren zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erreicht. Nach einem geschätzten medianen Follow-up von 15,3 Monaten lag das geschätzte mediane progressionsfreie Überleben bei 13,9 Monaten.

Steckbrief

Handelsname: Imbruvica®

Hersteller: Janssen-Cilag GmbH

Einführunsdatum: 15. November 2014Zusammensetzung: Jede Hartkapsel enthält 140 mg Ibrutinib

Stoffklasse: antineoplastische Mittel, Proteinkinase-Inhibitoren; ATC-Code: L01XE27

Ibrutinib

Indikation: Zur Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben; eingeschlossen ist auch die Erst-Linien-Behandlung von Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie, bei denen eine 17p-Deletion oder TP53-Mutation vorliegt und die für eine Chemo-Immuntherapie nicht geeignet sind. Ibrutinib ist ferner zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom zugelassen.

Dosierung: Die Einnahme von Ibrutinib erfolgt oral einmal täglich mit einem Glas Wasser. Die Kapseln dürfen weder geöffnet noch zerkleinert werden. Sie dürfen nicht mit Grapefruitsaft oder Bitterorangensaft eingenommen werden. Die empfohlene Dosis zur Behandlung einer chronisch lymphatischen Leukämie beträgt 420 mg (drei Kapseln zu je 140 mg) einmal täglich. Die empfohlene Dosis zur Behandlung eines Mantelzell-Lymphoms beträgt 560 mg (vier Kapseln zu je 140 mg) einmal täglich.

Nebenwirkungen: Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen mit mäßiger Ausprägung zählen Diarrhö, muskuloskelettale Schmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Blutergüsse, Hautausschläge, Übelkeit, Fieber, Neutropenie und Obstipation. Die häufigsten Nebenwirkungen mit dem Schweregrad 3 oder 4 waren Pneumonien, Anämien, Neutropenien und Thrombozytopenien. Aufgrund der Ausschwemmung von Leukämie-Zellen aus lymphatischen Kompartimenten kommt es zur Lymphozytose.

Wechselwirkungen: Mäßige und starke CYP3A4-Inhibitoren erhöhen die Ibrutinib-Exposition. Die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Induktoren kann zu einer verminderten Exposition von Ibrutinib führen.

Unerwünschte Wirkungen und Interaktionen

Die am häufigsten beobachteten unerwünschten Ereignisse waren vom Schweregrad 1 oder 2. Die meisten (≥ 20%) in den Studien aufgetretenen unerwünschten Wirkungen waren Diarrhö, muskuloskelettale Schmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Blutergüsse, Hautausschläge, Übelkeit, Fieber, Neutropenie und Obstipation. Die häufigsten Nebenwirkungen mit dem Schweregrad 3 oder 4 waren Pneumonien, Anämien, Neutropenien und Thrombozytopenien. Die Therapie mit Ibrutinib führt initial zu einer Lymphozytose aufgrund der Ausschwemmung von Leukämiezellen aus lymphatischen Kompartimenten.

In einer Studie wurde nach der Einnahme von Ibrutinib eine leichte Verkürzung des QTCF-(QT-Intervall korrigiert nach der Herzfrequenz) Intervalls beobachtet. Des Weiteren wurde über Vorhofflimmern und Vorhofflattern berichtet, dies insbesondere bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren.

Mäßige und starke CYP3A4-Inhibitoren erhöhen die Ibrutinib-Exposition. Darunter fallen als starke Inhibitoren etwa Ketoconazol, Clarithromycin, Telithromycin, Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Saquinavir, Itraconazol, Nefazadon und Cobicistat. Die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Induktoren wie etwa Carbamazepin, Rifampicin, Phenytoin oder Johanniskraut kann die Plasmakonzentration von Ibrutinib senken. 

Quelle

Fachinformation Imbruvica®; Stand Oktober 2014

EPAR summary for the public: Imbruvica® (Ibrutinib); EMA/466020/2014; www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=/pages/ medicines/human/medicines/003791/ human_med_001801.jsp

Wang ML et al. Targeting BTK with ibrutinib in relapsed or refractory mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2013;369:507-516

Byrd JC et al. Ibrutinib versus ofatumumab in previously treated chronic lymphoid leukemia, N Engl J Med 2014;371(3):213-223

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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