Infektiologie

Mangelware Antibiotika

Wie es zu der Entwicklungslücke kommen konnte

Von Norbert Kirchner, Judith S. Bauer, Henrike Miess und Harald Groß | Angesichts der zunehmenden Resistenzproblematik werden dringend neue Antibiotika benötigt. Doch innovative Antiinfektiva sind bereits seit Jahrzehnten Mangelware. Dieser Artikel will den Ursachen nachgehen und die Frage klären warum es zu diesem Missstand gekommen ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Antibiotika stellen sicherlich eine der größten Errungenschaften in der Medizingeschichte dar. Sie haben zahlreichen Infektionskrankheiten den Schrecken genommen und insbesondere die Wundinfektionsrate nach chirurgischen Operationen dramatisch gesenkt. Trotz der „Wunderwaffe“ Antibiotika gehören Infektionskrankheiten immer noch weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Zusammengenommen sterben an bakteriell bedingten Infektionen (Infektionen der unteren Atemwege und Durchfallerkrankungen)fünf Millionen Menschen pro Jahr. Aufgrund mangelnder hygienischer Bedingungen und geringer Verfügbarkeit von antibiotisch wirksamen Medikamenten treten die meisten Fälle in Entwicklungsländern auf. Doch auch in hochindustrialisierten Ländern sterben immer noch Menschen an bakteriellen Infektionskrankheiten. Nach konservativen Schätzungen gibt es europaweit mindestens 25.000 Todesfälle pro Jahr, die auf das Konto von Infektionen mit Bakterien gehen. Ähnliche Zahlen treffen für die USA zu. Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) vermeldet in ihrem aktuellen Jahresbericht das Vorkommen von zwei Millionen bakteriellen Infektionen, von denen mindestens 23.000 zum Tode geführt haben (www.cdc.gov/drugresistance/threat-report-2013). Tatsächlich dürften es jedoch mehr sein. Denn ein Problem ist, dass die bakterielle Infektion sehr oft die Folge einer schweren Grunderkrankung ist, die für sich bereits zum Tode führen kann. Dies macht dann eine scharfe Abgrenzung schwierig. Die zunehmenden Zahlen zeichnen ein ernstes Bild der Lage. Immer öfter versagen offenbar die derzeit verfügbaren Antibiotika. Schuld daran, dass die Wunderwaffe Antibiotikum langsam stumpf wird sind die zunehmenden Resistenzen. Besonders eng wird der Handlungsspielraum bei den gefürchteten ESKAPE-Erregern (siehe Artikel „Resistent“ von L. Kaysser, S. 40, s. Link am Ende dieses Beitrags). Als Ursachen für die Resistenzentwicklung gelten in erster Linie mangelnde Hygiene in Krankenhäusern und die zu häufige und fehlerhafte Verschreibung von Antibiotika (z.B. bei viralen Erkrankungen) im ambulanten Bereich. Des Weiteren tragen die Urbanisierung und der internationale Reiseverkehr zu einem schnellen Austausch von resistenten Krankheitserregern bei. Angeheizt wird die Resistenzproblematik schließlich noch durch den exzessiven Einsatz von Antibiotika im Veterinärbereich. Nach den neuesten Erhebungen des zuständigen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) aus den Jahren 2011 und 2012 bewegen wir uns hier größenordnungsmäßig in einem Bereich von rund 1600 bis 1700 t Antibiotika (s. Tab. 1). Zahlenmäßig überflügelt damit der Veterinärbereich sogar den Humanbereich (1500 t in 2011). Zwar sind die als „kritisch“ eingestuften Antibiotika wie Fluorchinolone, Cephalosporine und Makrolide glücklicherweise in der Minderzahl (Tab. 1), aber dennoch werden weitere Wirkstoffklassen eingesetzt, die auch im Humanbereich Anwendung finden und deren Mengen negativ beeindrucken. Hypothetisch können Antibiotika, die ursprünglich in der Tierhaltung eingesetzt wurden, auf zwei Wegen zu Antibiotika-resistenten Bakterien führen: zum Einen können Antibiotika direkt in subinhibitorischen Dosen durch die Nahrung den Menschen erreichen und so zur Resistenzbildung beitragen; zum Anderen erfolgt über Gülle- und Mistausbringung ein großer Stoffeintrag von Antibiotika selbst oder von bereits resistent gewordenen Bakterien in die Umwelt, bzw. über das Grundwassser in das Trinkwasser des Menschen.

Doch wie bekommen wir das Resistenzproblem in den Griff? Gute Erfolge kann man bereits mittels Infektionsprävention erzielen. Das bedeutet konkret, dass einfache Hygienemaßnahmen konsequent angewendet werden. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass sich ein Drittel der Infektionen durch eine bessere Hygiene vermeiden ließen. Entscheidend ist hierbei, wie gut sich Ärzte und Pflegepersonal an entsprechende Hygienevorschriften halten. Dieses Wissen muss daher im Rahmen von Weiterbildungsprogrammen vermittelt oder zumindest aufgefrischt werden. Des Weiteren sollten Risikopatienten, die in ein Krankenhaus eingeliefert werden, umgehend auf multiresistente Keime hin getestet und gegebenenfalls isoliert werden, um gefährliche nosokomiale Infektionen einzudämmen. Zudem muss auf eine strenge Indikationsstellung und eine gute Konkordanz gesetzt werden.

Es ist jedoch ein natürlicher Prozess, dass Bakterien im Laufe der Zeit gegen jedes Antibiotikum Resistenzen entwickeln. Man benötigt daher letztlich – trotz aller präventiven Maßnahmen und auch bei noch so kontrolliertem Antibiotikaeinsatz – immer wieder neue Wirkstoffklassen. Die neuen antibakteriellen Wirksubstanzen sollten eine neuartige Struktur aufweisen und möglichst neue Zielstrukturen adressieren. Dringend werden vor allem auch neue Antibiotika gegen die gramnegativen Problemkeime, wie z.B. Acinetobacter baumannii oder Pseudomonas aeruginosa benötigt, denn das zur Verfügung stehende Antibiotika-Arsenal stammt allesamt aus dem goldenen Zeitalter. Seit 1968 sind sowieso nur wenige neue Strukturklassen für den Humanbereich zugelassen worden (Abb. 1), und keine davon war gegen gramnegative Bakterien wirksam.

Abb. 1: Geschichte der Antibiotika Der Zeitstrahl zeigt in Rot die Wirkstoffklassen, die zwischen den 1930er und 1960er Jahren eingeführt wurden und das „goldene Zeitalter“ der Antibiotika markieren. Danach herrscht eine große Innovationslücke, die erst durch die Einführung der Oxazolidinone beendet wird. [Quelle: M.A. Fischbach and C.T. Walsh. Antibiotics for Emerging Pathogens, Science 2009, 325, 1089-1093.]

Immer mehr multiresistente Bakterien können inzwischen nur noch mit Reserveantibiotika, wie Colistin, Vancomycin oder Tigecyclin bekämpft werden. Doch auch hier steigt der Verbrauch stetig an. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich der Verbrauch an Reserveantibiotika nahezu verdoppelt (Abb. 2.).Daher ist abzusehen, dass wir bald mit leeren Händen dastehen werden und lebensbedrohliche Infektionen bald nicht mehr therapiert werden können, wenn hier nicht rasch gehandelt wird.

Abb. 2: Immer mehr Reserveantibiotika werden verordnet. Der Trend scheint ungebrochen [Quelle: Schröder H., wissenschaftliches Institut der AOK].

Multiresistente Keime, aber wirksame Antibiotika sind Mangelware

Doch wir befinden uns derzeit in einer paradoxen Situation – während die Resistenzlage immer bedrohlicher wird, kamen in den vergangenen Jahren kaum noch neue Antibiotika auf den Markt (Abb. 3).Bei einer genaueren Betrachtung fällt neben der sinkenden Gesamtanzahl auch noch auf, dass die meisten Antibiotika, die in den letzten 50 Jahren zur Marktreife entwickelt wurden, lediglich Weiterentwicklungen von bekannten Stoffklassen darstellen (vgl. Abb. 1). In der gleichen Zeit wurde gerade einmal eine Handvoll neuer innovativer Stoffklassen erschlossen: 1999 das Oxazolidinon Linezolid (Zyvoxid®), das die Interaktion zwischen dem bakteriellen Ribosom und der t-RNA verhindert, 2007 das Lipopeptid Daptomycin (Cubicin®), welches einen, entgegen vieler Behauptungen, noch unbekannten Wirkungsmechanismus aufweist, 2010 das Mutilin Retapamulin (Altargo®), allerdings nur zur topischen Anwendung, welches die Wechselwirkung zwischen 50S-RNA und Peptidyltransferase behindert. Es stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte. Zusammenfassend sind hierfür drei Gründe anzuführen:

Abb. 3:Anzahl zugelassener Antibiotika der letzten 80 Jahre. [ Quelle: J. E. Bandow, N. Metzler-Nolte, ChemBioChem 2009, 10, 2847-2850].

1. Menschliche Fehleinschätzung. Nahezu alle Antibiotikaklassen, die heute verwendet werden, wurden zwischen den 1930er und 1960er Jahren gefunden (Abb. 1). Die Antibiotika traten als Medikamentenklasse ihren Siegeszug an und nahmen vielen gefürchteten Infektionskrankheiten ihren Schrecken. Man spricht daher nicht zu Unrecht vom Goldenen Zeitalter (the golden ages) der Antibiotika. Das führte schnell zu dem euphorischen Gefühl, in Sachen Infektionskrankheiten alles im Griff zu haben. Aussprüche von hochrangigen Mitarbeitern der US-Gesundheitsbehörden wie „Es ist an der Zeit, dass das Buch der Infektionskrankheiten geschlossen wird – der Kampf gegen Infektionskrankheiten wurde gewonnen“ dokumentieren das damals vorherrschende Zeitgefühl. Man ahnte noch nicht, wie erfindungsreich und anpassungsfähig Bakterien gegenüber Antibiotika sein konnten. Für die Erforschung und Entwicklung von neuen Antibiotika bestand – aus damaliger Sicht – keine Notwendigkeit. Diese Fehleinschätzung erklärt aber nur zum Teil die große Innovationslücke, die zwischen den 60er Jahren und der Jahrtausendwende vorherrscht. Doch selbst als man sich in den 1980er und 1990er Jahren der immer größer werdenden Resistenzproblematik bewusst wurde, wurden zudem

2. wissenschaftliche Fehler begangen. Bis auf wenige Ausnahmen (Fluorchinolone, Sulfonamide, Trimethoprim, Nitroimidazole und Oxazolidinone) sind alle derzeit verwendeten Antiinfektiva Substanzen, die entweder direkt natürliche Stoffwechselprodukte von Bakterien und Pilzen darstellen, oder zumindest von diesen Naturstoffen abgeleitet worden sind. Die naturstoffchemische Forschung erwies sich als ergiebige Quelle an Antibiotika. Trotz des enormen Potenzials wurde diese Art der Forschung aus Sicht der Industrie als zu langwierig und teuer bewertet und nach und nach von allen pharmazeutischen Großunternehmen, wie z.B. bei Bayer, Wyeth (jetzt Teil von Pfizer), Sanofi-Aventis, Abbott, Bristol-Myers Squibb und Schering Plough (jetzt Teil von Merck) aufgegeben oder stark eingeschränkt. Wenn Pharmaunternehmen noch Antibiotika-Forschung betrieben, dann wurden entweder nur Derivate von bekannten Strukturklassen entwickelt oder eine Target-basierte Suche nach Antibiotika durchgeführt. Bei der Target-basierten Suche steht die Identifikation eines essenziellen und spezifischen Angriffspunkts von humanpathogenen Bakterien im Zentrum, dessen Manipulation sich bakterizid oder zumindest bakteriostatisch auswirkt. Mittels Hochdurchsatzscreening mit (kombinatorisch) chemisch synthetisierten Substanzbibliotheken wird dann ein entsprechender Bindungspartner gesucht, der mit der Zielstruktur in gewünschter Weise (Induktion, Hemmung, Dysregulation) interagiert. Diese Strategie hat sich jedoch als Sackgasse erwiesen und führte bisher leider zu keinem neuen marktreifen Antibiotikum. Die gefundenen Leitsubstanzen wiesen entweder ein zu schmales Wirkungsspektrum auf, oder scheiterten aufgrund schlechter chemisch-physikalischer oder ungünstiger pharmakokinetischer Eigenschaften. Vereinzelt konnten Leitsubstanzen identifiziert werden (z.B. Murgocil), die mit bekannten Antibiotika kombiniert werden können, um deren Wirkung zu unterstützen.

3. Wirtschaftliches und rechtliches Umfeld. Neben der Fokussierung auf eine kostengünstige, aber unergiebige Forschungsstrategie trugen ebenfalls die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen maßgeblich zum Untergang der Antibiotika-Forschung bei. Generell dauert die Entwicklung eines Medikaments im Durchschnitt elf Jahre und verursacht Kosten von ca. 1 Milliarde Euro. Diese hohen Investitionskosten müssen anschließend in der laufenden Patentlaufzeit wieder eingespielt werden und zusätzlich für Gewinn sorgen. Typischerweise verbleiben dem Hersteller von den 20 gewährten Jahren Patentschutz nur noch 14 Jahre Markenexklusivität, da die Leitstrukturen schon früh im Entwicklungsprozess patentiert werden müssen. Für die Pharmaindustrie ist es derzeit nicht attraktiv, neue Antibiotika zu entwickeln, denn diese werden – im Gegensatz zu Arzneimitteln für chronische Erkrankungen – nur einmalig und kurzzeitig angewendet, denn sie sind kurativ und behandeln nicht nur Krankheitssymptome. Hinzu kommt noch, dass strukturell neue Antibiotika immer nur in der zweiten oder dritten Reihe, quasi als Reserveantibiotikum, gegeben werden und nie direkt eine breite Anwendung erfahren, sodass sich insgesamt nur eine relativ kleine Gewinnmarge für neue Antibiotika ergibt. Des Weiteren stellt die Zulassung eines Antibiotikums eine hohe Hürde dar. Stetig steigen die Anforderungen bezüglich der Qualität von klinischen Studien und bezüglich des Sicherheitsprofils einer Substanz. Gemessen an heutigen Maßstäben würden manche klassischen Antibiotika wie Tetracycline und Aminoglykoside, kaum eine Chance haben zugelassen zu werden. Zu guter Letzt müssten Pharmafirmen – da Target-basierte Strategien fehlschlugen – wieder Naturstoffchemie betreiben. Diese ist nicht nur teuer, sondern man benötigt dazu interessante und zahlreiche Proben von Mikro- oder Makroorganismen aus Regionen mit hoher Artendichte und Biodiversität. Genau hierin liegt jedoch der Knackpunkt, denn Deutschland hat zusammen mit über 90 anderen Staaten 2011 das sogenannte Nagoya-Protokoll unterschrieben (aber noch nicht ratifiziert), welches jedem Land zusichert, dass jede gesammelte Ressource (z.B. ein Mikro- oder Makroorganismus oder auch nur DNA-Material) Eigentum desselben ist. Entsteht ein kommerzielles Produkt aus einer Ressource, die außerhalb Deutschlands gesammelt wurde, muss das Ursprungsland an dem daraus resultierenden Gewinn angemessen beteiligt werden. Da die Biodiversitäts-Hotspots meist rund um den Äquatorialgürtel angesiedelt sind und oft Drittweltstaaten betrafen, sollte das Nagoya-Protokoll für ein Stück mehr Weltgerechtigkeit sorgen und Drittweltstaaten vor Ausbeutung durch Industrienationen, insbesondere vor Biopiraterie schützen. Was sicherlich gut gemeint war, behindert aber im Umkehrschluss enorm die naturstoffchemisch-basierte Suche nach neuen Antibiotika, denn die oben erwähnte geringe Gewinnmarge für neue Antibiotika lässt für Ausgleichszahlungen an das Ursprungsland wenig Spielraum.

Als Folge lässt sich zusammenfassend festhalten, dass sich mit dem Beginn der 1970er Jahre nahezu alle großen Pharmafirmen aus der naturstoffchemischen Forschung und aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen haben und anstelle von Schritt- oder Sprunginnovationen hauptsächlich Scheininnovationen (Analog-Produkte, Me-too-Präparate) auf diesem Sektor generiert haben.

Pharmafirmen ziehen zurück – wer soll dann nach neuen Antibiotika suchen?

Trotz des gegebenen dringenden Bedarfs an neuen Antiinfektiva steigen die Pharmariesen derzeit dennoch leider überhaupt nicht oder nur verhalten wieder in die Antibiotika-Forschung mit ein. Man könnte anprangern, dass diese Firmen eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung tragen, aber man sollte nicht vergessen, dass das Ziel eines jeden Unternehmens primär die Erwirtschaftung von Gewinnen ist. Da sich die Entwicklung von neuen innovativen Antibiotika, unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, nur begrenzt lohnt, setzt die Pharmaindustrie auf das Konzept der „externen Innovation“. Das bedeutet, dass die Pharmakonzerne sich nicht selbst auf die Suche nach einer Leitstruktur machen, sondern sich diese von externen Partnern liefern lassen. Als externe Partner fungieren in erster Linie akademische Institute (Universitäten, Max-Planck-Institute, Helmholtz-Institute und die Fraunhofer-Gesellschaft), sowie Biotech-Gesellschaften und kleinere bzw. mittelständische Pharmaunternehmen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen Sanofi und dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, die soeben zu Jahresbeginn 2014 ein gemeinsames Zentrum für Naturstoffforschung gegründet haben, um die Entdeckung und Entwicklung neuer Therapien von Infektionskrankheiten voranzutreiben. Ziel einer derartigen Kollaboration ist es, dass im Allgemeinen die kleineren Partner eine Leitstruktur finden und diese bis in die Präklinik tragen. Ist dieses Stadium erreicht, übernimmt von da an der Pharmagroßkonzern-Partner die Entwicklung, optimiert die Leitstruktur mit Methoden der medizinischen Chemie und trägt die Substanzen durch die klinische Phase Studien I bis III. Historisch gesehen hat die Zusammenarbeit zwischen der Akademia und der pharmazeutischen Industrie in Deutschland leider nicht die Dynamik, die man sich an dieser Stelle wünschen würde, denn bisher resultierte aus diesem Ansatz weder ein neues Antibiotikum, noch ist eines in Entwicklung, aber es bleibt zu hoffen, dass sich diese Situation angesichts der dringenden Lage in Zukunft ändern wird..

Damit ist jedoch determiniert, dass die notwendige Forschung fast ausschließlich nur noch von Universitäten, Großforschungseinrichtungen und kleineren Pharma- bzw. Biotech-Unternehmen geleistet werden kann.

Wer finanziert die notwendige Forschungsleistung?

Nachdem geklärt ist, wer die Forschung durchführen soll, stellt sich als nächstes die Frage nach der Finanzierung der Forschungsvorhaben. Bei einer eingehenden Analyse wird schnell klar, dass neben privaten Investoren hauptsächlich der Staat die Finanzierung übernimmt. Bei Start-Up-Unternehmen und kleineren Pharmaunternehmen müssen Gelder entweder von Investoren bereitgestellt werden oder über Kooperationsprojekte, zusammen mit akademischen Einrichtungen, bei staatlichen (z.B. BMBF, EU) oder privaten (Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung, Wellcome Trust) Geldgebern eingeworben werden. Im akademischen Bereich können neben den Anwendungs-orientierten BMBF/EU-Kooperationsprojekten mit der Industrie auch Gelder für Grundlagen-orientierte Antibiotikaforschung von staatlichen Stellen, z.B. bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben werden.

Antibiotika-Forschung in Deutschland

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern wurde und wird in Deutschland die Antibiotika-Thematik sehr intensiv bearbeitet. Dies geschieht zum Einen in zahlreichen DFG-geförderten Einzelprojekten und zum Anderen in diversen staatlich geförderten Forscherverbünden (z.B. DFG Forschergruppen/Sonderforschungsbereiche). Bei Letzterem schließen sich vielerorts mehrere Wissenschaftler zu einer Gruppe zusammen, um synergistisch größere Fragestellungen im Bereich der Antibiotika-Grundlagenforschung zu lösen: z.B. an der Universität Tübingen im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs SFB 766 – mit dem Ziel, die bakterielle Zellhülle grundlegend zu verstehen; wohingegen Forscher an der Universität Würzburg sich der Entdeckung neuer Leitstrukturen für Antiinfektiva von vernachlässigten Tropenkrankheiten widmen (SFB 630). Wissenschaftler der DFG-Forschergruppe FOR-854 befassen sich an den Universitäten Bonn, Tübingen und Düsseldorf ebenfalls intensiv mit der Findung neuer Leitstrukturen für Antibiotika sowie mit der Aufklärung von Biosynthesen und Wirkmechanismen von Antibiotika.

Mit der Gründung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) wurde noch ein weiteres wichtiges Förderinstrument geschaffen. Das DZIF ist eines von sechs neuen Gesundheitszentren, die vom Bundesministerium für Forschung (BMBF) ins Leben gerufen wurden. Sie haben den Auftrag, sich der translationalen Forschung zu widmen. Erklärtes Ziel ist es daher, keine Grundlagen-Forschung zu betreiben, sondern vielmehr in absehbarer Zeit Antiinfektiva wie z.B. Impfstoffe sowie antivirale und insbesondere neuartige antibiotische Wirkstoffe zu finden, zu optimieren und – ohne Profitgedanken – bis zur frühen klinischen Prüfung zu entwickeln. 

Autoren

s. Ende des Beitrags „Woher nehmen wenn nicht stehlen“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.