Feuilleton

„Er war besser als sein Ruf“

Johann Andreas Eisenbarth im Fokus von Pharmazie- und Medizingeschichte

Die Landesgruppen Bayern und Franken der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) nahmen im Rahmen ihres Herbst-Winter-Programms 2013/14 an einem Symposion in Oberviechtach/Oberpfalz teil, das der Doktor-Eisenbarth-Arbeitskreis International ausgerichtet hat. Bei dieser Veranstaltung zu Ehren des vor 350 Jahren in Oberviechtach geborenen Chirurgen ging es um eine objektive Bewertung des „Jubilars“ mithilfe der modernen Pharmazie- und Medizingeschichte.
Foto: Richter
Dr. Ludwig Schießl

„Ein wissenschaftlicher Blick auf Eisenbarth eröffnet ganz neue Perspektiven“, betonte der 1. Vorsitzende des Arbeitskreises Dr. Ludwig Schießl in seiner Einführung. Der Wundarzt zählt zwar zu den bekanntesten Figuren der Medizingeschichte im deutschsprachigen Raum, aber sein Bild ist in erster Linie durch das um 1800 in Studentenkreisen entstandene Spottlied „Ich bin der Doktor Eisenbarth, kurier‘ die Leut nach meiner Art“ geprägt. Darin wird der Okulist, Bruch- und Steinschneider Eisenbarth als Kurpfuscher und Scharlatan dargestellt. Auch seine pharmazeutischen Fähigkeiten werden gering geachtet, denn in einer Strophe wird von der Opiumüberdosierung eines Küstersohnes berichtet. Dabei haben die Forschungen der letzten Jahre ergeben, dass Eisenbarth das genaue Gegenteil seines Zerrbildes war, nämlich ein erfolgreicher Pharmazeut und ein äußert kompetenter Mediziner, der maßgeblich zur Etablierung der Chirurgie als wissenschaftliches Fach beigetragen hat.

Wundärzte boten eine medizinische Rundum-Versorgung …

„Johann Andreas Eisenbarth ist ein Kind des Barock“, so Prof. Dr. Werner Gerabek, der sich mit dem historischen Umfeld auseinandersetzte, in dem der Wundarzt wirkte. Nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg waren viele Städte und Landstriche entvölkert und herrschte große Not. Die Landesfürsten, deren Einnahmen von der Zahl ihrer Untertanen abhingen, kümmerten sich deshalb auch um das öffentliche Gesundheitswesen. Während in den Städten vor allem Stadtphysici, nämlich akademisch ausgebildete Ärzte, diese Aufgabe übernahmen, stellten die Chirurgen die medizinische Versorgung der Landbevölkerung sicher. Dieser Berufsgruppe gehörte Johann Andreas Eisenbarth an, der kein akademisches Studium absolviert, aber solide chirurgische Kenntnisse während einer handwerklichen Ausbildung erworben hatte.

Besonders geschickt war Eisenbarth in der Behandlung von Leistenbrüchen und der Entfernung von Blasensteinen. Auch auf die „Rehabilitation“ seiner Patienten legte Eisenbarth großen Wert, was ihn von umherziehenden Wundärzten minderer Qualifikation erheblich unterschied. Durch eine sorgfältige Nachsorge und die damit einhergehende Reduktion postoperativer Komplikationen erwarb sich Eisenbarth bei zahlreichen Landesfürsten einen hervorragenden Ruf. Daher stellten ihm einige Landesherren Privilegien aus, die Eisenbarth wiederum zu Werbezwecken nutzte. Von zwölf Herrschern wurde ihm die Ernennung zum privilegierten Landarzt zuteil. Seine Erfolge führten dazu, dass es Eisenbarth auch gestattet wurde, innere Krankheiten zu behandeln, die er mithilfe der Harnschau diagnostizierte. Für Eisenbarth war die Chirurgie tatsächlich eine „ultima ratio“, die erst zum Tragen kam, wenn die Therapie versagte. In seinem Handwerk war Eisenbarth ein Meister seines Faches, was in der Entwicklung von chirurgischen Instrumenten zum Ausdruck kam, wie beispielsweise einer Nadel zum Starstechen sowie eines Polypenhakens.

… einschließlich Arzneimittel

„Auch die pharmaziegeschichtliche Sichtweise Eisenbarths unterscheidet sich diametral von dem Image als ‚Kurpfuscher‘ aus dem bekannten Lied“, so Dr. Dr. Thomas Richter. Für die pharmazeutischen Fähigkeiten des Wundarztes spricht zunächst einmal die große Anzahl der ihm erteilten Privilegien, welche Eisenbarth ausdrücklich das Vorrätighalten und den Verkauf von Arzneimitteln gestatteten. Die um 1240 festgelegte Trennung der Berufe „Arzt“ und „Apotheker“ betraf die Berufsgruppe der Wundärzte nicht, was praktische Gründe hatte. Die Apothekendichte war im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit gering, besonders im ländlichen Raum. Deshalb durften Wundärzte Arzneimittel selber herstellen und verkaufen. Die Grenze zum fahrenden Arzneimittelhändler, der Präparate minderer Qualität auf Jahrmärkten vertrieb, war damals fließend. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Eisenbarth, der ja auf eine verantwortungsvolle Nachsorge seiner Patienten erheblichen Wert legte, Arzneimittel verantwortungsbewusst einsetzte.

Die frühen Privilegien für Eisenbarth erwähnen ausdrücklich nur die Erlaubnis zum Verkauf bestimmter Präparate wie Mithridat (Theriak), Augenstein und Kräutersalbe. Erst in späteren Urkunden wurde ihm ein unbeschränktes Inverkehrbringen von Arzneimitteln zugestanden. Zur Qualitätskontrolle sah ein Privileg des sächsischen Kurfürsten Johann Georg IV. (reg. 1691–1694) vor, dass die von Eisenbarth vertriebenen Präparate von den zuständigen Stadtärzten geprüft wurden. Als barocker Universalist erkannte der Chirurg aber auch die Zeichen der Zeit und richtete im Jahre 1703 in Magdeburg in seinem Anwesen „Zum goldenen Apfel“ eine Stätte ein, in der er Arzneimittel in industriellem Maßstab produzieren ließ. Im Portfolio befanden sich etwa 20 Präparate, die von den zuständigen Medizinalbehörden geprüft und zugelassen wurden.

Neben einer qualitativ hochwertigen Herstellung erkannte Eisenbarth die Bedeutung einer geschickten Vermarktung, indem er entsprechende Flugblätter publizierte. Eine Leerstelle hinterlässt allerdings die Tatsache, dass Eisenbarth kein Werk verfasst hat, aus dem wir genaue Informationen über die von ihm eingesetzten Pharmaka erhalten, wie es beispielsweise beim Lehrbuch zur „Wündarznei“ des Wundarztes und Deutschordensritters Heinrich von Pfalzpaint (um 1460) der Fall ist.

Eisenbarth war ganz anders als sein Ruf aus dem bekannten Spottlied. Im Umkehrschluss gilt aber auch, dass gerade dieses volkstümliche Lied die Erinnerung an den barocken Chirurgen aus der Oberpfalz wach gehalten hat und dadurch auch Anlass zur wissenschaftlichen Erforschung seines Lebens und Wirkens gegeben hat.

Dr. Dr. Thomas Richter Vizepräsident der DGGP

 

Die Resultate des wissenschaftlichen Symposions sind in diesem Werk nachzulesen, das den aktuellen Stand der Eisenbarth-Forschung widerspiegelt:

Ludwig Schießl (Hrsg.): Doktor Eisenbarth (1663–1727). Ein Meister seines Faches

366 Seiten, Geb. 34,95 Euro

Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2013

ISBN 978-3868880649

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