Die Seite 3

Neuer Auftrag gewünscht?

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Bei Apothekerveranstaltungen in diesem Herbst waren von ABDA-Repräsentanten einige eher versteckte Anmerkungen zum Sicherstellungsauftrag für die Arzneimittelversorgung zu hören. Die Berufspolitiker stellten (noch) keine „offizielle“ Forderung auf, aber die Andeutungen erscheinen mehr als zufällig. Das Ziel ist allerdings im Perspektivpapier schon formuliert, denn dort heißt es: „Die Apothekerschaft übernimmt die Verantwortung für die flächendeckende Arzneimittelversorgung und entwickelt Instrumente, die diese Versorgung langfristig, qualitativ hochwertig und effizient sichern.“ Das wäre nicht mehr der bisherige gesetzliche Versorgungsauftrag, den jede einzelne Apotheke schon lange hat, sondern ein „institutionalisierter Sicherstellungsauftrag“ – wie ihn ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern genannt hat – für Kammern, Verbände oder eine neue Institution. Ein zentraler Ansprechpartner für die Arzneimittelversorgung könnte selbst Versorgungsstrukturen schaffen. Das gibt es bei den Apothekern bisher nicht und war auch nicht nötig, weil (noch) genügend Apotheker vorhanden sind und die finanziellen Anreize (noch) für die Versorgung entlegener Regionen ausreichen. Wie der Vorsitzende des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Dr. Peter Froese, in der vorigen Woche bei der Mitgliederversammlung des Verbandes anmerkte, könnte es aber auch ein Grund sein, weshalb Apothekerorganisationen bei Politikern häufig weniger Gehör finden als Ärzte oder Krankenhäuser und zu Netzwerken selten eingeladen werden. Nicht eine generelle Geringschätzung für Apotheker, wie sie unter Apothekern immer wieder beklagt wird, sondern ihre Institutionen, die keine verbindliche Zusage über Versorgungsstrukturen und das Vorgehen ihrer Mitglieder machen können, erscheinen nach dieser Sichtweise als Erklärung für manche politische Missachtung.

Wenn dies so ist, könnte es in den kommenden Zeiten des demografischen Wandels und der drohenden Versorgungsengpässe zum ernsten Problem werden. Denn dann werden Versorgungsstrukturen wichtiger denn je. Eine verantwortliche Organisation in Händen der apothekerlichen Selbstverwaltung könnte hingegen eine angemessene Versorgung selbst definieren und damit Gedankenspiele über Apothekenbusse, Drohnen und ähnliche Vehikel stoppen. Sie könnte sogar Perspektiven für neue Honorierungsmodelle eröffnen. Das häufig angespannte Verhältnis der Ärzte zur Kassenärztlichen Vereinigung zeigt allerdings auch die Kehrseite dieser auf den ersten Blick brillant erscheinenden Idee. Denn eine Organisation, die erhebliche Gelder verteilt oder gar faktisch über Niederlassungsmöglichkeiten entscheidet und damit letztlich Macht ausübt, strapaziert den kollegialen Gedanken der Selbstverwaltung auf das Äußerste. Fraglich wäre auch, ob eine solche Organisation besser für mehr Geld kämpfen könnte oder von den Politikern instrumentalisiert würde, um den Mangel zu verwalten. Dennoch wäre sie für die langfristige Apothekenzukunft vielleicht das kleinste von etlichen möglichen Übeln.

Thomas Müller-Bohn

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