Die Seite 3

Ruf nach dem Staat

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Bislang haben Apotheker mit viel Kreativität dafür gesorgt, dass Patienten nicht unter Lieferengpässen zu leiden haben. Doch die Luft wird immer dünner. Schon jetzt fehlen immer wieder Impfstoffe, die vor gefürchteten Infektionen schützen sollen – nicht zuletzt eine Folge von Sparzwängen und dadurch ausgelösten Konzentrationsprozessen in der Impfstoffproduktion. Sie haben soeben mit dem Verkauf der Impfstoffsparte von Novartis an den australischen Impfstoffhersteller CSL einen neuen Höhepunkt erreicht. Zudem nimmt die Resistenzsituation gegen vorhandene Antibiotika immer bedrohlichere Züge an, die Forschung auf diesem Sektor liegt nahezu brach.

Das hat auf dem Deutschen Apothekertag in diesem Jahr in München den Ruf nach dem Staat laut werden lassen. Die Delegierten verlangten von der Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass empfohlene Impfstoffe in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, notfalls solle das Paul-Ehrlich-Institut die Produktion übernehmen. Und da Pharmafirmen wegen geringer Gewinnaussichten kaum mehr in die Entwicklung neuer Antibiotika investieren, soll nach den Vorstellungen der Delegierten auch hier der Staat einspringen.

Nun sind Pharmafirmen keine gemeinnützigen Institutionen. Forschung und Entwicklung sind kostspielig und risikoreich. Es reicht nicht, lediglich die entstandenen Kosten mit einem Produkt, das die Zulassungshürde genommen hat, wieder einzuspielen. Es müssen auch Gewinne erzielt werden, nicht zuletzt deshalb, um neue Projekte in Angriff nehmen zu können. Das kann richtig teuer werden, wie es uns bei neuen Medikamenten beispielsweise gegen Hepatitis C und multiple Sklerose immer wieder vor Augen geführt wird (s. a. S. 34 und S. 43). Auch hier ist der Ruf nach dem Staat zu hören. Diesmal soll er dafür sorgen, dass durch kostspielige Neueinführungen die gesetzlichen Krankenkassen nicht „geplündert“ werden.

Der Staat soll und muss es also richten. Ob jedoch eine staatliche Impfstoff-Produktion für unsere Gesellschaft günstiger werden wird, sei dahingestellt. Staatliche Antibiotika-Forschung und –Entwicklung werden in jedem Fall teuer. Und in Sachen Zusatznutzen und Preisgestaltung neuer Arzneimittel ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Denn es ist logisch, dass jeder Unternehmer das noch verbliebene Fenster für eine freie Preisgestaltung nutzt, und es ist ebenso logisch, dass er sich aus dem deutschen Markt zurückzieht, wenn er an anderer Stelle höhere Preise erzielen kann. Doch auch in Deutschland müssen Patienten neue Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, besonders dann, wenn die Therapie mit älteren Arzneimitteln an ihre Grenzen stößt. Auch dafür muss der Staat Sorge tragen und immer bedenken, dass zu viel (Preis)-Regulation durchaus kontraproduktiv sein kann.

Doris Uhl

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