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„So gefährlich ist Paracetamol“

Neue Studie zu den Risiken sorgt für große Aufregung

STUTTGART (jb) | Kein Wirkstoff hat in der letzten Woche so viel mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie Paracetamol. Losgetreten mit einem Bericht von Spiegel online mit der „Forderung nach Rezeptpflicht: So gefährlich ist Paracetamol“, folgte die Bild-Zeitung mit „Der Wahrheit über Paracetamol“ und auch viele andere griffen die Story auf. Mit der Firma Bene hat sich daraufhin einer der Hersteller zu Wort gemeldet und mitgeteilt, dass Experten zumindest zum Thema Paracetamol und ADHS Entwarnung geben.
Foto: DAZ/Sket
Ein Fall für die Verschreibungspflicht? Eine aktuelle Studie stellt die Sicherheit von Paracetamol tatsächlich infrage und sorgt damit für Diskussionen.

Hintergrund der Aufregung ist eine noch unveröffentlichte Studie im „European Journal of Pain“, in der Pharmakologe Kay Brune, der sich seit Jahren für die Verschreibungspflicht von Paracetamol einsetzt, mit Kollegen neue Forschungsergebnisse zusammengetragen hat. Sie gingen dabei vor allem der Frage nach, welche Nebenwirkungen Paracetamol in den empfohlenen Mengen von höchstens vier Gramm am Tag hat. Besonders vor dem Hintergrund, dass das Analgetikum als einziges während der gesamten Schwangerschaft eingenommen werden darf und im Gegensatz zu anderen Substanzen für Kinder unter sechs Kilogramm und unter drei Monaten zugelassen ist. In der Analyse werden, laut Spiegel online, verschiedene Untersuchungen herangeführt, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft mit Risiken für das ungeborene Kind verbunden ist. So könnten ADHS oder Asthma mögliche Folgen einer Paracetamol-Exposition im Mutterleib sein. Bei Neugeborenen bestünde zudem die Gefahr eines Hodenhochstands und daraus resultierender Unfruchtbarkeit, heißt es in dem Bericht.

Bene: „Paracetamol und ADHS – Experten geben Entwarnung“

Benuron®-Hersteller Bene hält, zumindest was das ADHS-Risiko betrifft, in einer Pressemitteilung dagegen und verweist auf erhebliche Schwächen in den zitierten Studien. Diese seien auch von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA in einem Sicherheitsbewertungsverfahren analysiert worden, mit dem Ergebnis, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Paracetamol-Einnahme und ADHS nicht festgestellt werden konnte: Daher, so wird die EMA zitiert, bleibe die Empfehlung zur Verwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft bestehen.

Auch der Leiter des deutschen Zentrums für Embryonaltoxikologie der Charité in Berlin (Embryotox), die offizielle Stelle zur Arzneimittelbewertung in dieser Hinsicht, vertritt eine ähnliche Auffassung. Bereits zu Beginn dieses Jahres schreibt er in einem Beitrag für die DAZ (DAZ 2014, Nr. 3), dass er in den Ergebnissen zu Paracetamol in der Schwangerschaft und ADHS zwar ein interessantes Signal sehe, das von anderen Untersuchern geprüft werden sollte, die Ergebnisse aber in seinen Augen nicht ausreichen, um die Empfehlung von Paracetamol als Analgetikum der Wahl in der Schwangerschaft aufzuheben oder einzuschränken (siehe hierzu auch S. 23 „Übeltäter Paracetamol“– ein Kommentar von Doris Uhl).

Sicherheit von Paracetamol: ein Dauerthema

Neu ist die Diskussion um die Sicherheit von Paracetamol nicht. Jede Veröffentlichung, die mögliche Risiken aufgedeckt haben will, sorgt für ein vergleichbares Echo. Dass Paracetamol in mancherlei Hinsicht durchaus Risikopotenzial hat, ist mittlerweile allgemein anerkannt und es wurden Konsequenzen gezogen. So begrenzte man im Jahre 2010 die Höchstmenge pro Packung im OTC-Bereich auf 10 g Paracetamol, um Überdosierungen zu vermeiden. Der Zusammenhang einer Einnahme erhöhter Dosen mit schweren Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit teilweise tödlichem Ausgang, gilt als zweifelsfrei belegt. Auch die empfohlenen Tageshöchstdosen wurden vor diesem Hintergrund vor einigen Jahren reduziert, da es in der Vergangenheit bereits bei Einnahme therapeutischer Dosen zu fulminanten Leberschäden gekommen war. So wurde die maximale Tagesdosis früher für Erwachsene mit sechs Gramm pro Tag angegeben, heute sind es vier Gramm.

Die Forderung nach der Verschreibungspflicht hat es bereits 2012 auf die Agenda des Sachverständigenausschusses des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geschafft, wurde aber abgelehnt. Inwiefern sich die jüngsten Veröffentlichungen und die daraus resultierenden Forderungen in diese Richtung in Zukunft tatsächlich auswirken, bleibt abzuwarten.

Das BfArM sei, so Spiegel online, mit seiner Empfehlung vorsichtiger geworden. Während die Behörde sich in einem Bulletin 2012 vor allem darauf beschränkt habe, vor Überdosierungen zu warnen und Paracetamol ansonsten als weitgehend sicher eingestuft habe, weise sie seit Februar diesen Jahres darauf hin, dass Paracetamol selten zu schweren Hautreaktionen führe.

Die aktuelle Empfehlung des BfArM lautet, Paracetamol grundsätzlich nur in der niedrigsten wirksamen Dosierung und über den kürzesten erforderlichen Zeitraum anzuwenden sowie in der Schwangerschaft nur bei dringender Notwendigkeit. Eine Empfehlung, die eigentlich für alle Arzneimittel und zwar völlig unabhängig von möglichen Risiken gilt.

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