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Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz geplant

Neue Gesetze rund um die Pflege

Am 17. Oktober hat der Bundestag das erste von zwei Pflegestärkungsgesetzen aus dem Haus von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) beschlossen. Kurz vorher hatte das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf von Familienministerin Manuela Schwesig und Arbeitsministerin Andrea Nahles (beide SPD) zugestimmt. Nach wie vor fehlt aber eine Neudefinition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, die auch kognitive Einschränkungen bei Demenzkranken erfasst.

Beide Gesetze sollen am 1. Januar 2015 in Kraft treten, wobei die Neuregelung von Pflegezeit und Familienpflegezeit erst noch den parlamentarischen Abstimmungsweg beschreiten muss.

1. Pflegestärkungsgesetz

Bessere Leistungen für die häusliche Pflege:

  • Die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege steigen und können in Zukunft besser miteinander kombiniert werden. Kurzzeitpflege: acht statt bisher vier Wochen pro Jahr; Leistung erhöht sich von 3100 Euro auf 3224 Euro. Verhinderungspflege: sechs statt bisher vier Wochen; bis zu 2418 Euro statt 1550 Euro.
  • Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen steigen von maximal 2557 Euro auf bis zu 4000 Euro pro Maßnahme und für Pflegehilfsmittel von 31 Euro auf 40 Euro je Monat.

Mehr Infos unter:

http://bit.ly/Z9uO5C

Lohnersatz für höchstens zehn Tage

Der Gesetzentwurf von Schwesig und Nahles sieht vor, dass Arbeitnehmer für die bis zu zehntägige Auszeit bei akutem Pflegebedarf künftig eine Lohnersatzleistung ähnlich dem Kinderkrankengeld erhalten können. (Bisher gibt es für diese kurzzeitige Arbeitsverhinderung lediglich einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung.) Das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld soll etwa 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts betragen und aus der Pflegekasse genommen werden. Da passt es gut, dass ab 2015 jährlich rund 3,6 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen. Grund ist die Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge um 0,3 Prozentpunkte zum 1. Januar 2015 durch das bereits verabschiedete erste Pflegestärkungsgesetz.

Der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld soll für Arbeitnehmer aller Unternehmensgrößen gelten. Dagegen sind alle weiteren Ansprüche für Pflegezeit und Familienpflegezeit im Gesetzentwurf für Betriebe vorgesehen, die in der Regel mehr als 15 Personen beschäftigen.

Erweiterung des Begriffs „nahe Angehörige“

Gemäß dem Gesetzentwurf soll der Kreis der zu pflegenden nahen Angehörigen erweitert werden: Künftig werden auch Stiefeltern, Schwägerinnen und Schwäger sowie Partner in lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften einbezogen. Bisher gelten die Regelungen für Großeltern und Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten oder Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft sowie für Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie für Schwieger- und Enkelkinder.

Geplante Regelungen für Betriebe ab 16 Beschäftigten

Pflegezeit und Familienpflegezeit. Während der bis zu sechsmonatigen Pflegezeit können Berufstätige ihre Arbeitszeit reduzieren oder sich vollständig freistellen lassen. Sie haben in dieser Zeit Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das nach Ende der Pflegezeit zurückgezahlt werden muss. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ab. Von der Ankündigung bis zum Ablauf der Pflegezeit besteht Kündigungsschutz!

Bis zu 24 Monate. Bei der Familienpflegezeit besteht künftig ein Rechtsanspruch, die eigene Arbeitsleistung bis zu 24 Monate lang auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden zu reduzieren. Wie bei der Pflegezeit soll es auch hier einen entsprechenden Anspruch auf ein zinsloses Darlehen und Kündigungsschutz geben. Arbeitnehmer können die Freistellungsmöglichkeiten für eine Dauer von bis zu maximal 24 Monaten auch kombinieren.

Außerhäusliche Betreuung von Kindern und Sterbenden. Neben der Pflege in häuslicher Umgebung als Regelfall schließt der Gesetzentwurf auch ein, dass

  • pflegebedürftige minderjährige Kinder außerhäuslich betreut werden oder
  • schwerstkranke Angehörige in der letzten Lebensphase bis zu drei Monate lang außerhäuslich begleitet werden.

„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben den berechtigten Anspruch, Privatleben und Arbeit in Einklang zu bringen. Wir können es uns vor dem Hintergrund zunehmender Fachkräfteengpässe nicht leisten, dass diese Menschen vom Arbeitsmarkt abgehängt werden.“

Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Die Opposition fordert mehr

Die Links-Partei sieht in dem Gesetzentwurf zwar einen Schritt in die richtige Richtung, hält aber eine bezahlte Pflegeauszeit von sechs Wochen statt zehn Tagen für nötig.

Fakt ist, dass von den rund 2,6 Millionen pflegebedürftigen Personen etwa 1,89 Millionen in häuslicher Umgebung betreut werden – davon zwei Drittel durch Angehörige. Künftig wird der Bedarf, Beruf und Pflege zu vereinbaren, noch zunehmen. Denn einerseits steigt in unserer alternden Gesellschaft die Zahl der Pflegebedürftigen. Und andererseits sind Frauen, die den überwiegenden Teil der häuslichen Pflege leisten, immer häufiger berufstätig – und vielfach auch auf das Einkommen angewiesen. 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Gut, aber nicht gut genug

Barbara Neusetzer

Wenn der Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in der vorgelegten Form die parlamentarischen Hürden nimmt, können sich zumindest die Angestellten in größeren Apotheken über ein Stück mehr finanzielle Unterstützung und Rechtssicherheit freuen, falls sie Angehörige pflegen müssen. Und das trifft ja auf viele der überwiegend weiblichen Mitarbeiter in unserer Branche zu.

Zu kurz springt die Bundesregierung aber, wenn sie die Rechtsansprüche nur für Arbeitnehmer in Betrieben ab 16 Mitarbeitern festschreiben will. Denn es geht ja nicht um eine finanzielle Mehrbelastung der Arbeitgeber, die von den Klein(st)betrieben nicht gestemmt werden könnte. So wie der Anspruch auf Elternzeit nicht von der Betriebsgröße abhängt, so sollte es auch mit der Pflegezeit und Familienpflegezeit gehandhabt werden. Schließlich sind die Kolleginnen und Kollegen in den kleineren Apotheken keine Arbeitnehmer zweiter Klasse. Sie haben das gleiche Interesse an einer besseren Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Pflichten. Nur auf die persönliche Zustimmung von Arbeitgebern zu setzen, ist erfahrungsgemäß nicht genug.

Barbara Neusetzer
ADEXA, Erste Vorsitzende

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