Prisma

Leichenschau oft zu oberflächlich

Obduktionen decken Gewalttaten auf

cae | Alte multimorbide Menschen erliegen meistens ihren Krankheiten. Die Auswertung von 356 Obduktionen ergab jedoch, dass jeder zehnte angeblich „natürliche“ Todesfall aufgrund einer anderen Ursache eingetreten war.

Ein Team um Tanja Germerott, Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, wertete die Obduktionsberichte und gegebenenfalls Zusatzgutachten von 356 Personen aus, die im Alter über 60 Jahren in Pflegeheimen gestorben waren. Fast 40 Prozent dieser Obduktionen fanden statt, weil die jeweiligen Leichen eingeäschert werden sollten. Denn in Deutschland ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Amtsarzt eine Leiche vor deren Verbrennung im Krematorium hinsichtlich einer möglicherweise unnatürlichen Todesursache untersucht – unabhängig davon, was auf dem zuvor von einem anderen Arzt ausgestellten Totenschein steht.

Unnatürliche Todesursachen sind Unfälle und tödliche Einwirkungen wie Gift oder Gewalt, also je nach der handelnden Person Totschlag, Mord oder Selbstmord. Natürliche Todesursachen sind Krankheiten und Altersschwäche.

Die meisten Personen in dieser Studie waren vor ihrem Tod multimorbide gewesen, weshalb zumindest bei ihnen eine natürliche Todesursache nahelag. Etwa jeder zehnte Todesfall, der laut Totenschein natürlich war, erwies sich jedoch bei der Obduktion als unnatürlich.

Germerott kritisiert, dass viele Ärzte Totenscheine ausstellen, ohne eine adäquate Leichenschau durchgeführt zu haben. Es sei notwendig, den Toten zu entkleiden und wenigstens 20 Minuten lang zu untersuchen. Eine tödliche Gewaltanwendung bei geschwächten Patienten offenbart sich nicht so leicht, weil bereits ein geringes Maß an Gewalt genügt und die Personen kaum zu einer Gegenwehr fähig sind. Trotzdem müsse ein Arzt z.B. erkennen können, wenn ein Patient mit einer Decke erstickt worden ist. 

Quelle: Germerott T, et al. Qualität der Leichenschau bei multimorbiden Pflegebedürftigen. Rechtsmedizin 2014;24:387-392

 

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