Arzneimittel und Therapie

Übeltäter Noroviren

Gegen die hochansteckenden Viren hilft bisher nur Hygiene

Akute Gastroenteritiden gehören zu den häufigsten Erkrankungen beim Menschen. Noroviren und Rotaviren sind für die meisten nicht-bakteriellen Durchfallerkrankungen verantwortlich, wobei fast 20% aller akuter Gastroenteritiden durch Noroviren ausgelöst werden, wie die Ergebnisse einer Metaanalyse zeigen. Im Gegensatz zu den Rotaviren steht aber noch immer keine Noroviren-Impfung zur Verfügung.

Die Metaanalyse der Gruppe um Dr. Benjamin Lopman vom Zentrum für Seuchenbekämpfung und -vorbeugung in Atlanta (USA) hat 175 Studien über akute Gastroenteritiden analysiert, die zwischen 1990 und 2014 publiziert wurden. In diesen Studien wurden mehr als 187.000 Fälle akuter Gastroenteritiden weltweit untersucht, von denen 18% durch Noroviren ausgelöst wurden. Möglicherweise sind Noroviren noch häufiger an einer akuten Gastroenteritis beteiligt, da in den eingeschlossenen Studien die Fälle nicht erfasst wurden, in denen nur Erbrechen ohne Diarrhö auftrat. Diese Zahlen liegen deutlich über den Ergebnissen eines Reviews des gleichen US-Instituts von 2008, bei dem Noroviren als Grund für 12% aller milden bis mäßigen Diarrhöen geschätzt wurden. Bemerkenswert ist zudem, dass die Viren den Auswertungen der Metaanalyse zufolge auch oft an leichten Verläufen akuter Brechdurchfälle beteiligt sind, nicht nur an den schweren Formen, bei denen eine Hospitalisierung nötig ist. Denn Noroviren verursachten 24% der akuten Gastroenteritiden in Gemeinschaft, 20% der ambulanten und 17% der stationären Fälle.

Noroviren

Die erst 1972 entdeckten Noroviren sind weltweit verbreitet. Sie sind hochkontagiös, schon weniger als 100 Viren können zu einer Infektion führen. Ihre Übertragung erfolgt meist fäkal-oral, auch über kontaminierte Gegenstände, oder durch Einatmen eines beim Erbrechen entstandenen Aerosols. Außerdem können die Viren über kontaminierte Speisen oder verunreinigtes Wasser übertragen werden. Noroviren verursachen akute Gastroenteritiden mit dem gefürchteten heftigen Brechdurchfall, im Volksmund meist als „Magen-Darm-Grippe“ bezeichnet. Vereinzelt können Erbrechen oder Diarrhö auch allein auftreten. Weitere mögliche Symptome sind Nausea, Abdominalschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Meistens bestehen die Symptome für 24 bis 48 Stunden, Erkrankte sind in der Regel noch ein bis zwei Wochen nach Krankheitsausbruch ansteckend. Besonders häufig betroffen sind Kinder unter fünf Jahren und ältere Menschen in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, bei denen eine Infektion mit Noroviren zu schweren Verläufen führen kann. Sehr schwere und tödliche Fälle sind aber selten, auch Spätfolgen sind kaum zu befürchten.

Schutz vor Noroviren

Laut den Autoren treten jährlich 70.000 Norovirus-Infektionen in den USA auf, 800 davon enden tödlich. In Entwicklungsländern sterben nach Schätzungen pro Jahr 200.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen einer Norovirus-Infektion. In Deutschland wurden von 2009 bis einschließlich 2013 insgesamt 570.916 laborbestätigte Norovirus-Erkrankungen gemeldet. Dies entspricht einer medianen Fallzahl von 113.335 Fällen pro Jahr. Immer wieder kommt es auch in Deutschland zu endemischen Norovirus-Infektionen. So erkrankten 2012 über 10.000 Kinder und Jugendliche an akutem Brechdurchfall, anfangs ausgelöst durch den Verzehr tiefgekühlter Erdbeeren aus China, die mit Noroviren infiziert waren. Solche Epidemien sind neben der hohen Kontagiosität auch wegen der Stabilität der Viren in der Umwelt möglich, da sie Temperaturen von -20 bis +60°C überleben. Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Ausgleich des zum Teil erheblichen Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes. Einen Impfstoff gegen Noroviren gibt es bisher nicht. Die Entwicklung eines Impfstoffes und die Prüfung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegenüber dem humanen Norovirus wird auch dadurch erschwert, dass es noch nicht gelungen ist, menschliche Noroviren in Zellkulturen zu züchten. Laut einem Kommentator der Metaanalyse gibt es aber Fortschritte in der Forschung auf diesem Gebiet, so dass eine Impfung gegen Noroviren in Zukunft möglich sein könnte. Solange bleibt nur die Möglichkeit, sich durch strenge Hygienemaßnahmen vor einer Ansteckung mit den Viren zu schützen. Was aber auch nicht einfach ist, denn Noroviren gehören zur Familie der Caliciviren, unbehüllte Viren, die im Vergleich zu behüllten Viren wesentlich stabiler gegenüber Desinfektionsmitteln sind. 

Quelle

Ahmed SM, Hall AJ, Robinson AE et al. The global prevalence of norovirus among cases of gastroenteritis. Lancet Infect Dis 2014. doi: 10.1016/S1473-3099(14)70767–4

Desselberger U, Goodfellow I. Noroviruses: a global cause of acute gastroenteritis. Lancet Infect Dis 2014. doi: 10.1016/S0140-6736(08)61345–8

Noroviren-Infektionen. RKI-Ratgeber für Ärzte, Information des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand Juli 2008; www.rki.de

 

Apothekerin Dipl.-Pharm. Elisabeth Pfister

Das könnte Sie auch interessieren

Nach Auftreten in Tiefkühl-Himbeeren

Norovirus-Infektionen – kurz, aber heftig

Robert-Koch-Institut

Norovirus verstärkt aktiv

Neue Virusvariante sorgt für hohe Fallzahlen

Das Norovirus geht noch immer um

Das sollten Apotheker über Noroviren wissen

Noroviren: Welches Händedesinfektionsmittel? (Teil 1/2)

Mono- und pentavalente Vakzine verändern das Erregerspektrum, bleiben aber wirksam

Kreuzweiser Impfschutz gegen Rotaviren

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.