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Staatsexamen oder Bachelor-Master?

Zur Ausbildung von Pharmazeuten an der Uni Freiburg

Von Peter Ditzel | Wer Pharmazie studiert und das Studium erfolgreich zu Ende bringt, schließt es mit dem Staatsexamen ab. Die Studierenden erhalten die Approbation als Apothekerin bzw. Apotheker. Seit einigen Jahren allerdings besteht an manchen Universitäten die Möglichkeit, den Bachelor-Master-Studiengang in Pharmazie einzuschlagen. Wir unterhielten uns darüber mit den Professoren Manfred Jung und Rolf Schubert vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Freiburg. Lesen Sie, warum sie sich dazu entschlossen haben, neben dem traditionellen Ausbildungsgang zum Staatsexamen auch den Bachelor-Master-Studiengang anzubieten.

Die Freiburger Pharmazie hatte sich im Jahr 2009 dazu entschlossen, ihren Pharmaziestudierenden nicht nur den Staatsexamensgang anzubieten, sondern ihnen als Alternative den Bachelor-Master-Studiengang zu ermöglichen. Auslöser für diese Entscheidung war ein finanziell unterstütztes Studienplatz-Ausbauprogramm des Landes Baden-Württemberg. Mit diesem Geld konnten notwendiges Personal und Räumlichkeiten finanziert werden. „Ziel war es außerdem – und dies scheint gut gelungen zu sein –, die Pharmazie stärker in Forschung und Lehre mit anderen Disziplinen zu vernetzen“, erklärt Professor Jung. „Mit einem Bachelor-Master-Studiengang hatten wir mehr Möglichkeiten für eine Vernetzung gesehen als beim Staatsexamen. Bei der Uni kamen diese Initiativen und Aktivitäten der Freiburger Pharmazeuten im Übrigen gut an“, so Jung. Und so konnte der Bachelor-Studiengang zum Wintersemester 2009/2010 starten, der Studiengang „Master of Science Pharmazeutische Wissenschaften“ zum Sommersemester 2013.

Prof. Dr. Rolf Schubert, Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Freiburg

Aber es gab noch einen weiteren Grund, warum Freiburg diesen Weg gegangen ist: „Wir wollten neue Inhalte anbieten, die nicht in der Approbationsordnung verankert sind, z.B. Pharmazeutische Bioinformatik, um zu sehen, ob solche Fächer auch bei einer Reform der Approbationsordnung von Vorteil sein können“, erklärt Professor Schubert. „Wobei man sagen muss“, so fügt Jung hinzu, „dass auch innerhalb der bestehenden Approbationsordnung viele Möglichkeiten bestehen, neue Inhalte fürs Pharmaziestudium anzubieten, beispielsweise über Wahlpflichtfächer, aber auch im Regelstudiengang. In der Approbationsordnung ist nicht alles in Stein gemeißelt, man hat gewisse Freiheiten der Gestaltung.“

Die Nachfrage war sehr groß, es meldeten sich 130 Studienanfänger, die den neuen Studiengang einschlagen wollten. „Wir haben es dann trotzdem durchgezogen und das Erstsemester-Praktikum fünfmal hintereinander gemacht“, so Jung, „wir haben dafür noch einen finanziellen Ausgleich vom Land bekommen.“ Fürs darauffolgende Semester wurde eine Begrenzung auf 40 Personen für den Bachelor-Studiengang eingeführt. Zielgröße für den Mastergang in Freiburg sind 25 Studierende.

Ein Abbau von Plätzen im Hauptstudium Pharmazie fand durch die Hinzunahme des neuen Studiengangs in Freiburg nicht statt, „im Gegenteil“, so Jung, „durch Wechselkandidaten gelangen noch fünf bis sechs Studierende mehr nach der Bachelorprüfung in den Staatsexamensstudiengang“.

Nach dem Sommersemester 2012 konnten die ersten Pharmaziestudierenden das sechste Semester mit dem Bachelor-Titel abschließen.

Wann muss sich der Studierende entscheiden?

Da ein Bachelor-Master-Studiengang nicht zur Approbation führt, entscheiden sich für diesen Studiengang vor allem diejenigen, für die die öffentliche Apotheke nicht infrage kommt. Daher sollte sich der Studienanfänger idealerweise am Beginn seines Studiums, spätestens allerdings nach dem Bachelor-Abschluss entscheiden, ob er den Bachelor-Master- oder den Staatsexamensstudiengang einschlagen möchte. Nur nach dem Bachelor besteht noch die Möglichkeit, ins Hauptstudium des Staatsexamensstudienganges zu wechseln. Allerdings müssen sich Wechselwillige dafür bewerben, es gibt keine Übernahmegarantie – bisher reichten die Kapazitäten jedoch aus. Zudem haben die Studierenden dann bereits sechs Semester hinter sich gebracht, wenngleich mit zusätzlichen Lehrinhalten, die sie im Grundstudium so nicht erfahren hätten.

Mit Bachelor-Abschluss ins Berufsleben

„Hinter der Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen in Deutschland standen u.a. politische Überlegungen“, so Schubert. Das Bachelor-Master-Studium kommt aus den USA und wurde in Europa als Vorbild genommen. In einigen Studiengängen, vor allem in den Geisteswissenschaften, geht man davon aus, dass nicht unbedingt ein Master nötig ist. Man wollte den Studierenden eine Chance geben, mit einem etwas kürzeren Ausbildungsgang zum Bachelor eine Qualifikation zu erwerben. Auch die Industrie hat ein Interesse an Abgängern mit kürzeren Studiengängen.

„Also, prinzipiell besteht für einen Studierenden die Möglichkeit, mit einem Bachelor-Abschluss die Universität zu verlassen und einen Job zu suchen“, so Schubert. Der Bachelor-Abschluss sollte per se berufsqualifizierend sein. Im Bereich der Pharmazie wird dies allerdings mit Vorbehalten gesehen. Bachelor-Absolventen in der Pharmazie würden auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren mit Ingenieuren, Pharmatechnikern, Laboranten und ähnlichen Berufen. Sie dürften also eher in technischen oder administrativen Feldern unterkommen. Jung machte deutlich: „Wir sehen den Master-Abschluss in den Naturwissenschaften als Regelabschluss. Außerdem: Wer weiß, dass er nicht in die Apotheke möchte und den Bachelor-Master-Studiengang einschlägt, dürfte stärker in Richtung Wissenschaft tendieren. Aber auch nach dem Staatsexamen ist mit der Promotion die wissenschaftliche Spezialisierung sehr gut möglich.“

Ein direkter Vergleich des Bachelor-Master-Studiengangs mit dem Staatsexamen sei wenig zielführend. Letztlich sind es trotz einiger Überschneidungen, beispielsweise einige identische Lehrveranstaltungen, verschiedene Richtungen mit unterschiedlichen Zielen.

Wenn Wissenschaft oder Industrie das Ziel sind

Prof. Dr. Manfred Jung, Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Freiburg

„Freiburg wurde anfangs von verschiedenen Seiten angegriffen“, erinnert sich Jung, „warum prescht man hier vor und führt den Bachelor-Master-Ausbildungsgang ein, hieß es da. Es bestand sogar die Sorge, ein Bachelor könnte mal eine Apotheke führen.“ Aber solche Ideen weisen die Freiburger weit von sich, so etwas sei niemals angedacht gewesen. Daher nochmals eine Klarstellung von Seiten der Freiburger Professoren: Der Bachelor-Master-Ausbildungsgang eignet sich für einen Teil der Studierenden, die wissen, dass später nicht die Apotheke ihr Arbeitsplatz ist, sondern die Wissenschaft, also z.B. die universitäre Laufbahn oder die Industrie. In Freiburg entscheiden sich beispielsweise 90 Abiturienten für das Ziel Staatsexamen, 40 für den Bachelor-Master. Sie sehen darin eine Chance, einen anderen Weg in der Pharmazie einzuschlagen. „Wir wollten auch nie die Abschlusszahlen im Staatsexamen erniedrigen“, ergänzt Schubert. Und Jung fügt hinzu: „Wir sind auch nicht darauf aus, dass Bachelor-Absolventen in Richtung „Apotheker light“ gehen, das wäre schon vor dem Hintergrund von EU-Regularien mit einer Ausbildungszeit von vier Jahren nicht möglich.“„Was wir derzeit allerdings sehen: Andere Studienorte bieten den Studierenden mit dem Staatsexamen einen Aufbau-Masterstudiengang an, mit dem der Master gemacht werden kann“, so Jung. „Das wiederum sehen wir nicht als ideal an“, betont Jung „Für uns war das Zweite Staatsexamen das Äquivalent zum Master. Ein Aufbaustudiengang, der nach dem Staatsexamen zum Master führt, setzt das Staatsexamen unter Umständen in seiner Bedeutung zurück.“

Pharmazeuten mit Mastertitel

Und wie nennen sich die Masterabgänger? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Eine gesicherte Rechtslage dazu gibt es nicht. Da sie keine Approbation erhalten haben, sind sie keine „Apotheker“. Offiziell haben sie den Titel „Master of Science Pharmazeutische Wissenschaften“ erworben. Jung sieht dies pragmatisch: „Für uns sind das Pharmazeuten. Wir bilden an der Uni zum Pharmazeuten aus. Ein Apotheker wird auch ein Staatsexamensstudent erst nach Abschluss des Dritten Prüfungsabschnitts und nach Erhalt der Approbation.“

Wo kommen die Masterabgänger unter? Jung: „Das können wir noch nicht sagen, die ersten Master-Absolventen verlassen uns erst im nächsten Jahr. Wir gehen davon aus, dass die meisten in der Industrie arbeiten werden. Generell ist die Nachfrage der Industrie nach Absolventen aus der Pharmazie so hoch, dass wir hier sehr optimistisch sind.“

Ein „dritter“ Weg: das Diplom

Darüber hinaus gibt es in Freiburg noch die Möglichkeit, mit einem Diplom abzuschließen – nach dem Staatsexamen. Der Vorteil für diese Studierenden: Sie haben eine wissenschaftliche Arbeit angefertigt, und sie haben sich den Titel Dipl.-Pharmazeut erworben. Für einige kann dies der Testlauf für das wissenschaftliche Arbeiten und schließlich für eine Promotion sein.

Auch für diejenigen, die einen Arbeitsplatz in der Industrie anstreben, kann ein Diplom von Vorteil sein. So besteht z. B. die Möglichkeit, eine Diplomarbeit in der Industrie anzufertigen unter Betreuung der Universität. Eine weitere Option: Das Diplom wird während des Dritten Prüfungsabschnitts gemacht oder danach, was etwa noch ein halbes Jahr in Anspruch nimmt.

Kommunikation in der Ausbildung?

Eine gute Ausbildung ist das eine, das Wissen am Patienten anwenden das andere. Besser mit Patienten kommunizieren – in den USA werden die Studierenden auf diesem Gebiet trainiert. Ist das ein Thema für die deutsche Hochschulpharmazie? Freiburg bietet solche Trainingsmöglichkeiten beispielsweise in Seminaren an – fakultativ, nicht im Regelstudiengang. Schubert: „Würde das Fach Kommunikation in einer neuen Approbationsordnung aufgenommen werden – was wir unterstützen würden –, könnten wir dies sofort anbieten.“ „Allerdings“, so schränkt Jung ein: „Die Stärke der Universität ist die wissenschaftliche Ausrichtung und Spezialisierung der Fächer. Ob ein kleines Training zu einer besseren Kommunikation führt, sei dahingestellt. Wir bieten dies jedenfalls in Zusammenarbeit mit dem Institut für Psychologie an, wo Experten das Wissen dazu vermitteln. Das Angebot wird von den Freiburger Studierenden sehr gut angenommen.“

„Bei einer Neuausrichtung der Approbationsordnung, beispielsweise mit psychologischen oder betriebswirtschaftlichen Inhalten, dürfte das Problem allerdings der zeitliche Rahmen sein“, gibt Jung zu bedenken. „Bei der naturwissenschaftlichen Grundausbildung darf ein bestimmter Umfang nicht unterschritten werden – sie ist aus unserer Sicht essenziell –, damit jeder Absolvent befähigt ist, auch außerhalb der Apotheke in naturwissenschaftlichen Gebieten zu arbeiten.“ Und die beiden Professoren machen auch deutlich: Würde eine Neuausrichtung kommen, müsste man zuerst an der Studiendauer ansetzen: eine Verlängerung der Ausbildung um ein Jahr – wobei dies allerdings kaum realistisch sein dürfte. Dennoch, erst dann hätte man die Chance, die Ausbildung zu entzerren und zu ergänzen. Der Bachelor-Master-Studiengang ist im Übrigen bereits ein Jahr länger als der Staatsexamens-Ausbildungsgang.

Und als ergänzende Anmerkung: „Es ist sicher in Ordnung, in Richtung Patientenorientierung zu gehen, aber wir sollten als Pharmazeuten die Arzneimittelkompetenz nicht abgeben“, warnen Jung und Schubert.

Und eine letzte Frage: Ist das Pharmaziestudium mit dem Abschluss Staatsexamen zu verschult? „Manche mögen dies so sehen“, so Jung, „aber angesichts der enormen Anzahl von Stunden, angesichts der mit Fächern und Stunden vollgepackten acht Semester könnte man auch sagen, dass das Pharmaziestudium sehr gut strukturiert ist.“ Und was die Eingangsfrage betrifft: Aus Sicht der Freiburger Pharmazie lautet die Antwort Staatsexamen und Bachelor-Master. 

Autor

Peter Ditzel ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

pditzel@deutscher-apotheker-verlag.de

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