Familienplanung

Ups, was jetzt?

Beratung bei Verhütungspannen

Von Julia Borsch | Derzeit darf in Deutschland die „Pille danach“ nicht ohne Rezept abgegeben werden. Doch bereits jetzt ist der Beratungsbedarf in der Apotheke groß, insbesondere dann, wenn die Verordnung durch einen fachfremden Arzt erfolgt. Stellt man die Punkte, die eine optimale Beratung bei einer Abgabe auf ärztliche Verschreibung hin ausmachen, denen gegenüber, die bei einer rezeptfreien Abgabe angesprochen werden sollten, stellt man fest, dass der Staus quo sich von dem der rezeptfreien Abgabe nicht in vielen Punkten unterscheidet.

Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie eine Beratung zur (Levonorgestrel-haltigen) „Pille danach“ aussehen könnte. Die Abgabe ohne Rezept ist angelehnt an die Beratungsempfehlungen der Österreichischen Apothekerkammer.

Abb. 1: Beratung zur „Pille danach“ mit und ohne Rezept (Präparate mit 1,5 mg Levonorgestrel) .
* Welche Fragen, z.B. nach der letzen Monatsblutung, hier noch zusätzlich gestellt werden, ist im Einzelfall zu entscheiden, auch in Abhängigkeit von welchem Facharzt das Rezept ausgestellt wurde.
** Der Schweizer Leitfaden empfiehlt zusätzlich, die Art der Verhütungspanne abzufragen.

Neben Verhütungspannen wie ein geplatztes Kondom oder komplett vergesssener Verhütung, kann es auch zu einer ungeplanten Schwangerschaft führen, wenn die Einnahme der „normalen“ Pille oder der Ring- oder Pflasterwechsel vergessen wurde. Ob bei Frauen, die hormonell verhüten, die „Pille danach“ indiziert ist und wie vorzugehen ist, um weiterhin eine sichere Kontrazeption zu gewährleisten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Art des Kontrazeptivums und wie lange die Einnahme bzw. die Applikation vergessen wurde. Ob im weiteren Zyklusverlauf zusätzlich verhütet werden muss, hängt meist davon ab, in welcher Zykluswoche die Anwendung vergessen wurde und ob sie zuvor regelmäßig erfolgt war. Im Zweifel sollte auf jeden Fall auf eine Barrieremethode zurückgegriffen werden. Wie lange hängt von der Art des „normalen“ Kontrazeptivums ab, meist sind es aber sieben Tage.

Orale Kombinationspräparate

Bei oralen Kombinationspräparaten darf die Einnahme, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten, nicht länger als sieben Tage unterbrochen werden. Eine kürzere (oder keine) Pillenpause hingegen ist möglich. Zudem ist eine regelmäßige Einnahme über mindestens sieben Tage erforderlich, um wirkungsvoll die Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse zu unterdrücken. Generell gilt, je mehr Tabletten vergessen werden und je näher die vergessenen Tabletten am einnahmefreien Intervall liegen, desto höher ist das Risiko einer Schwangerschaft.

Liegt der vergessene Einnahme-Zeitpunkt weniger als zwölf Stunden zurück:

  • Pillen-Einnahme sofort nachholen, weitere Maßnahmen unnötig.

Sind es zwölf bis 24 Stunden:

  • Pille danach, Einnahme der „normalen“ Pille nachholen, auch wenn dann zwei Tabletten einzunehmen sind (gilt auch im Folgenden bei nachgeholter Einnahme). Das weitere Vorgehen (z.B. Barrieremethode anwenden, das nächste wirkstofffreie Intervall auslassen, keine weiteren Maßnahmen) unterscheidet sich je nach Präparat in Abhängigkeit vom Zeitpunkt, an dem die Einnahme vergessen wurde (Zykluswoche). Im Zweifelsfall sollte zusätzlich immer sieben Tage mit einer Barrieremethode verhütet werden.
  • Bei einigen Pillen mit 24+4-Schema (z. B. Yaz®, kann die Einnahme 24 Stunden nachgeholt werden, ohne dass weitere Maßnahmen nötig sind.

Wird die Einnahme mehr als 24 Stunden vergessen, das heißt es wurde mehr als eine Pille ausgelassen:

  • Pille danach, Einnahme der „normalen“ Pille nachholen und zusätzlich sieben Tage mit einer Barrieremethode verhüten oder nach den Empfehlungen der Fachinformation vorgehen.

Reine Gestagenpillen

(Herkömmliche) Minipillen. Der vergessene Einnahme-Zeitpunkt liegt mehr als drei Stunden zurück:

  • Pille danach, Einnahme der „normalen“ Pille nachholen und 14(!) Tage zusätzlich mit einer Barrieremethode verhüten.

Pillen mit 75 µg Desogestrel. Der vergessene Einnahme-Zeitpunkt liegt mehr als zwölf Stunden zurück:

  • Pille danach, Einnahme der „normalen“ Pille nachholen und sieben Tage zusätzlich mit einer Barrieremethode verhüten.

Verhütungpflaster

  • Das Pflaster klebt länger als 24 Stunden schlecht,
  • oder der Pflasterwechsel erfolgt, mehr als 48 Stunden zu spät
  • oder das pflasterfreie Intervall dauert länger als sieben Tage:

Pille danach, sofort Pflaster kleben (neuer Tag 1) und zusätzlich sieben Tage mit einer Barrieremethode verhüten.

Verhütungsring

  • Der Ring war mehr als drei Stunden außerhalb der Vagina,
  • oder die ringfreie Pause überschreitet sieben Tage,
  • oder der Ring wird mehr als vier Wochen nicht gewechselt:

Pille danach, Ring sofort korrekt (nach Fachinformation in Abhängigkeit vom Zeitpunkt im Zyklus) anwenden und ggf. zusätzlich sieben Tage mit einer Barrieremethode verhüten (abhängig von der Zykluswoche).

Bei Erbrechen und Durchfall

Treten in den ersten drei bis vier Stunden nach der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums Erbrechen und Durchfall auf, sollte die Einnahme möglichst schnell nachgeholt werden. Das weitere Vorgehen entspricht dem, wenn die Einnahme vergessen wurde. 

Quellen:

„Pille danach“ – Die wichtigsten Fragen vor der Abgabe; Handout der österreichischen Apothekerkammer

„Pille danach“-Protokoll von pharma-Suisse und der Arzneimittelkommission der Schweizer Apotheker

Fachinformationen der Hersteller; Stand 25. September 2014

 

Autorin

Julia Borsch, Apothekerin, Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Redakteurin bei der Deutschen Apotheker Zeitung.

jborsch@deutscher-apotheker-verlag.de

Mehr zum Thema lesen Sie im POP-Fall „Eine Patientin mit Verhütungswunsch“ sowie im AMTS-spezial „Pille vergessen – was nun?“ in

DAZ 2013, Nr. 17 ab S. 38 und auf DAZ.online.

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