Deutscher Apothekertag 2014

Wer A sagt, …

Ein Kommentar von Thomas Müller-Bohn

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Der Titel des Antrags zur evidenzbasierten Beratung in der Selbstmedikation klingt gefährlicher, als sein Inhalt ist. „Evidenzbasiert“ ist zum Reizwort geworden. Neben der guten Idee einer vorurteilsfreien Prüfung von Arzneimitteln anhand patientenorientierter Kriterien steht es mittlerweile auch für pauschale Bewertungen, die den individuellen Nutzen in Zweifel ziehen, überzogene Studienanforderungen und lebensfremde Konsequenzen. Es ist eng verknüpft mit zweifelhaften Ansätzen für Einsparungen bei etablierten Arzneimitteln und mit arzneimittelrechtlichen Maßnahmen, die letztlich Ratlosigkeit hinterlassen.

Doch all dies ist mit dem Antrag nicht gemeint. Stattdessen ist es gut, wenn eine Apothekerorganisation Studien über Wirkstoffe zur Selbstmedikation systematisch sammelt, auswertet und den Apotheken die Ergebnisse zur Verfügung stellt. Das fordert der Antrag und das ist längst überfällig. Gut ist auch, wenn die Apotheker nun das heikle Feld evidenzbasierter Informationen für die Selbstmedikation besetzen, bevor andere dies mit weniger Sachverstand und weniger Bewusstsein für individuelle Patientenbedürfnisse tun. Doch das wichtigste Argument für den Antrag ist das Perspektivpapier. Denn wer A sagt, muss auch B sagen – und wer sich zur Patientenorientierung auf einer zeitgemäßen wissenschaftlichen Grundlage bekennt, hat an dieser Stelle keine andere Wahl.

Der Antrag zur evidenzbasierten Beratung ist zudem harmlos im Vergleich zu den weiteren Fragen, denen sich die Apotheker auf ihrem angestrebten Weg werden stellen müssen. Einige haben sich beim Apothekertag bereits angedeutet: Das (eine) Medikationsmanagement gibt es nicht. Darum ist zu fragen, welche Qualifikation für welche Stufe des Medikationsmanagements angemessen erscheint, wie eine geeignete Schulung oder Ausbildung aussieht und was zur Voraussetzung für künftige Honorare gemacht werden kann oder soll. Dabei müssen die ungeheuren Konsequenzen für die Berufspolitik bedacht werden. Da kein Apotheker alle anstehenden Aufgaben in allen Feldern der Arzneimittelanwendung gleichermaßen gut beherrschen kann, sind neue Formen der Spezialisierung gefragt. Dies würde sich auf die Honorierung auswirken und könnte ganz neue Verteilungskämpfe unter den Apothekern eröffnen. Die nächsten Apothekertage dürften daher kontroverser als in diesem Jahr verlaufen. Doch es gibt keinen aussichtsreichen Weg diese Fragen zu umgehen. Sie werden in nicht zu ferner Zeit beantwortet werden müssen.

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