Prisma

Thrombin-Paradoxon

Hohes Thrombinpotenzial schützt vor Infarkten

cae | Der Gerinnungsfaktor Thrombin scheint im Sinne einer Gegenregulation auch gerinnungshemmend zu wirken. Jedenfalls hatten Personen mit geringem endogenem Thrombinpotenzial langfristig das höchste Risiko für akute kardiovaskuläre Ereignisse.

An der Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health (LURIC) Study hatten über 3300 Patienten teilgenommen, die nach einer Angiografie durchschnittlich zehn Jahre lang nachbeobachtet worden waren. Die damals ermittelten Daten sind Gegenstand einer soeben publizierten epidemiologischen Assoziationsstudie, deren Hauptautoren Jochen Schneider, Saarbrücken, Marcus Kleber, Mannheim, und Berend Isermann, Magdeburg, sind. Sie sind der Frage nachgegangen, welche Zusammenhänge zwischen der Thrombinbildungskapazität (endogenes Thrombinpotenzial, ETP) eines Patienten und dem Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfall bestehen. Patienten, die Antikoagulanzien erhielten, hatten sie aus ihrer Studie ausgeschlossen; so blieben 2196 Patienten übrig.

Das ETP war in der LURIC-Studie anhand des Prothrombinfragments 1+2 (F1+2), das die Freisetzung von Thrombin aus Prothrombin katalysiert, gemessen worden. Schneider und Mitarbeiter teilten die Patienten anhand ihres ETP in vier Gruppen ein und zählten die kardiovaskulären Ereignisse in den einzelnen Gruppen. Zu ihrer Überraschung war in der Gruppe mit dem höchsten ETP das kardiovaskuläre Risiko am geringsten gewesen – also das Gegenteil dessen, was man hätte erwarten sollen. Die Epidemiologen schließen daraus, dass das Thrombin trotz seiner offensichtlichen und unbestreitbaren Förderung der Blutgerinnung auch einen gegenteiligen Effekt entfaltet, der freilich noch erforscht werden muss. Die Beziehungen zwischen dem ETP und der Konzentration bestimmter vasoaktiver Substanzen, die in der LURIC-Studie ebenfalls erfasst wurden, könnten hierzu Ansatzpunkte liefern: Tendenziell korreliert ein hohes ETP mit hohen Konzentrationen der interzellulären bzw. vaskulären Adhäsionsmoleküle ICAM-1 und VCAM-1 und der Lipoprotein-assoziierten Phospholipase A2 (LpPLA2) sowie mit niedrigen Konzentrationen von hochsensitivem C-reaktivem Protein (hsCRP) und Serum-Amyloid A (SAA).

Die Autoren betonen, dass sich aus ihrer Studie unmittelbar keine Empfehlung zur Änderung der Indikation von Thrombinhemmern ableiten lässt. Sie halten jedoch eine erhöhte Pharmakovigilanz für angebracht. 

Quelle: Schneider JG, et al. Inverse association of the endogenous thrombin potential (ETP) with cardiovascular death: The Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health (LURIC) study. Int J Cardiol 2014;176:139–144

 

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