DAZ aktuell

Von der Markteinführung zum Erstattungsbetrag

Die Frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel

Von Kirsten Sucker-Sket | Vor nicht allzu langer Zeit war Deutschland für forschende Pharmaunternehmen ein Traumland: Während die Arzneimittelpreise in den meisten anderen Staaten längst reguliert waren, konnten die Hersteller patentgeschützter Arzneimittel hierzulande den Preis für ihre Produkte selbst festlegen. Seit dem 1. Januar 2011 ist hiermit Schluss: Nur noch ein Jahr ab Markteinführung dürfen pharmazeutische Unternehmer den Preis ihrer Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff selbst frei bestimmen. In diesem einen Jahr muss sich ihr Präparat der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterziehen. Am Ende des Verfahrens soll ein Preis stehen, der den (Zusatz-)Nutzen des Arzneimittels widerspiegelt. Dieser Beitrag gibt in aller Kürze einen Überblick, was zwischen Markteinführung und dem Feststehen des sogenannten Erstattungsbetrags geschieht.

Gleich zur Markteinführung muss der Arzneimittel-Hersteller ein Dossier beim G-BA einreichen. Darin hat er insbesondere den medizinischen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) darzulegen. Diese ZVT bestimmt der G-BA. Eine Ausnahme gilt für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen (Orphan Drugs): Hier gilt der Zusatznutzen durch die Zulassung als belegt – ein Vergleich ist nicht erforderlich. Das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier wandert sodann weiter zum Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Dieses führt im Auftrag des G-BA die frühe Nutzenbewertung durch. Dafür hat es bis zu drei Monate ab Marktzulassung Zeit. Das vom IQWiG erstellte Gutachten – es ist noch kein Beschluss und hat lediglich empfehlenden Charakter – geht dann zurück an den G-BA, der ein Anhörungsverfahren startet. Hier hat der Hersteller Gelegenheit Daten nachzureichen. Weitere drei Monate später ergeht der Beschluss des G-BA zur frühen Nutzenbewertung. Darin befindet er über das Ausmaß des Zusatznutzens gegenüber der ZVT und trifft Aussagen über die zur Behandlung infrage kommenden Patientengruppen, die Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und die Therapiekosten. Der Zusatznutzen gegenüber der ZVT kann erheblich, beträchtlich, gering, nicht quantifizierbar, nicht vorhanden oder sogar geringer sein. Handelt es sich um ein Arzneimittel, das trotz Patentschutz pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar mit Festbetragsarzneimitteln ist und hat es überdies keinen Zusatznutzen, so wird es innerhalb von sechs Monaten nach Markteinführung in eine bestehende Festbetragsgruppe eingeordnet. Ist die Zuordnung zu einer Festbetragsgruppe nicht möglich, starten die Verhandlungen zwischen pU und GKV-Spitzenverband über den Erstattungsbetrag. Dafür sind weitere sechs Monate vorgesehen. Anhand verschiedener Kriterien – insbesondere des festgestellten Zusatznutzens – bemühen sich die Verhandlungspartner, zu einem fairen Preis für das Arzneimittel zu kommen. Ein Präparat mit erheblichem Zusatznutzen darf also auch mehr kosten als die (häufig generische und günstige) ZVT. Ohne Zusatznutzen liegt der künftige Preis dagegen auf dem Niveau der ZVT. Sind die Verhandlungen erfolgreich, gilt der neue Preis ab dem 13. Monat nach Markteinführung – und zwar sowohl für die gesetzlichen als auch für die privaten Krankenkassen. Scheitern sie, wird die Schiedsstelle angerufen. Diese setzt binnen weiterer drei Monate den Erstattungsbetrag fest. Der neue Preis gilt sodann rückwirkend ab dem 13. Monat nach Markteinführung. Erst der Beschluss der Schiedsstelle kann vom pharmazeutischen Unternehmer mit juristischen Mitteln angegriffen werden. Es kann aber auch sein, dass ein Hersteller gar nicht erst in die Erstattungsbetragsverhandlungen einsteigt oder die Eingruppierung in eine Festbetragsgruppe nicht akzeptiert – dann kann er sein Arzneimittel auch vom Markt nehmen (sog. Opt-out). Er hat die Möglichkeit, ein Jahr nach dem ersten Beschluss zur frühen Nutzenbewertung, das Verfahren erneut zu durchlaufen, wenn er neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu seinem Präparat nachweisen kann. 

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