Arzneimittel und Therapie

Diskussion um Suizidgefahr

Studie zeigt kein erhöhtes Risiko unter ADHS-Therapie

Befürchtungen, eine medikamentöse Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) könnte das Suizidrisiko erhöhen, wurden in einer schwedischen Studie nicht bestätigt. Im Gegenteil: Möglicherweise bietet die Einnahme stimulierender Wirkstoffe sogar einen gewissen Schutz vor suizidalen Handlungen.

Seit einiger Zeit steht die Frage im Raum, ob eine medikamentöse ADHS-Therapie mit einem erhöhten Suizidrisiko assoziiert ist. Die Ergebnisse einiger placebokontrollierter Studien mit dem nicht-stimulierenden Wirkstoff Atomoxetin veranlassten die amerikanische FDA (Food and Drug Administration) zu einem Hinweis (black-box-warning) auf erhöhte Suizidvorstellungen bei Kindern und Heranwachsenden. Ferner zeigte eine Metaanalyse eine Assoziation zwischen der Einnahme von Atomoxetin und vermehrten Selbstmordgedanken. Des Weiteren lassen Beobachtungsstudien ein erhöhtes Selbstmordrisiko bei frühen Adoleszenten unter einer medikamentösen ADHS-Therapie vermuten. Aufgrund der Seltenheit suizidaler Ereignisse besteht jedoch große Unsicherheit bei der Interpretation dieser Daten. Klarheit sollte daher eine Registerstudie auf der Datenbasis von knapp 38.000 Patienten schaffen.

Was war bekannt?

  • Im Vergleich mit der Normalbevölkerung weisen ADHS-Patienten möglicherweise ein erhöhtes Risiko für suizidale Handlungen auf.
  • Eine Metaanalyse vermutete ein erhöhtes Selbsttötungsrisiko unter der Einnahme von Atomoxetin.

Was ist neu?

  • Das Risiko, unter einer medikamentösen ADHS-Therapie eine suizidbezogene Handlung zu begehen, ist nicht erhöht.
  • Die Therapie mit Stimulanzien scheint sogar einen gewissen protektiven Effekt aufzuweisen.

Schwedische Registerstudie gibt Entwarnung

Die erforderlichen Informationen wurden mehreren nationalen Registern in Schweden entnommen und basieren auf Daten von 37.936 zwischen 1960 und 1996 geborenen Patienten, die aufgrund eines ADHS mit den Stimulanzien Methylphenidat, Amphetamin, Dexamphetamin oder dem nicht stimulierenden Atomoxetin behandelt worden waren. Von diesen Patienten wurden zwischen 2006 und 2009 versuchte und vollendete Selbsttötungen analysiert. Der primäre Studienendpunkt war die Inzidenz suizidaler Ereignisse während einer ADHS-Therapie verglichen mit behandlungsfreien Phasen.

Im Untersuchungszeitraum waren insgesamt 7019 erfolgte und vollendete Suizide registriert worden. Setzt man diese mit den suizidalen Ereignissen innerhalb der Gesamtpopulation in Beziehung, so traten bei Patienten unter einer medikamentösen ADHS-Therapie häufiger suizidale Ereignisse auf als bei nicht medikamentös behandelten ADHS-Patienten (Hazard Ratio, HR 1,31). Ein Vergleich der Suizidereignisse bei ein und denselben Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten zeigte aber ein anderes Bild: In den Phasen einer medikamentösen Therapie wurde ein geringeres oder gleichbleibendes Suizidrisiko registriert als in den Episoden ohne medikamentöse Behandlung. Für Patienten unter Stimulanzien ergab sich eine Abnahme suizidbezogener Handlungen (HR 0,81), für Probanden unter nicht-Stimulanzien (Atomoxetin) ein unverändertes Risiko.

Die Studienautoren sehen keine Hinweise auf vermehrte suizidale Handlungen unter einer medikamentösen ADHS-Therapie. 

Quelle

Qi Chen et al. Drug treatment for attention-deficit/hyperactivity disorder and suicidal behaviour: register based study. BMJ published online am 18. Juni 2014; BMJ2014;348:g3769 doi: 10.1136/bmj.g3769

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

Das könnte Sie auch interessieren

Ein multimodales Konzept gegen die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung

Die Therapie der ADHS

Missbrauch war unter Stimulanzien-Therapie seltener

ADHS-Medikation könnte vor Alkohol und Drogen schützen

Wann eine Therapiepause Sinn macht

Drug holidays

Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen

Pharmakotherapie der ADHS – das sagt die neue Leitlinie

Ein Gespräch zum Stellenwert der medikamentösen ADHS-Therapie

Immer gleich Ritalin und Co.?

Gabe von Methylphenidat ist mit höherem Risiko für Rhythmusstörungen verbunden

ADHS-Therapie – ein Risiko fürs Herz?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.