Arzneimittel und Therapie

Therapeutische Glukosurie mit Empagliflozin

Neuer Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Hemmer

ck | Mit Empagliflozin (Jardiance®) kommt der dritte SGLT-2-Inhibitor auf den Markt. Er hemmt reversibel den Natrium-Glucose-Cotransporter 2 (SGLT 2), der im proximalen Tubulus der Niere den größten Teil der gefilterten Glucose aus dem Urin rückresorbiert, und verringert so Insulin-unabhängig die Glucose-Last im Organismus.

Normalerweise bewegen sich die Blutzuckerwerte innerhalb eines engen Bereichs. Die Glucose-Homöostase wird durch Insulin, Glucagon und Katecholamine aufrechterhalten. Die Rückresorption der Glucose gilt als eine der Hauptaufgaben der Nieren bei der Glucose-Homöostase, pro Tag filtern sie ca. 180 g Glucose aus dem glomerulären Filtrat zurück in den Blutkreislauf. Zwei aktive Natrium-Glucose-Cotransporter (SGLT) sind für nahezu die gesamte Glucose-Rückresorption der Nieren verantwortlich. Auf der luminalen Oberflächenauskleidung des proximalen Nierentubulus befindet sich der SGLT 2, der für 90% der Rückresorption von Glucose verantwortlich ist. Der SGLT 1 übernimmt nur ca. 10% der Rückresorption in der Niere. Steigt der Blutzuckerspiegel, so erhöht sich die Menge der von den Nieren gefilterten Glucose linear, bis die maximale Rückresorption erreicht wird. Darüber hinaus wird alle überschüssige Glucose mit dem Urin ausgeschieden (Glukosurie). Empagliflozin ist ein reversibler, hochpotenter und selektiver kompetitiver Inhibitor des Natrium-Glucose-Cotransporters 2. Der Wirkstoff ist für SGLT 2 5000-mal selektiver als für SGLT 1, der maßgeblich für die Glucose-Resorption im Darm verantwortlich ist. Empagliflozin reduziert die renale Glucose-Rückresorption, führt zu einer verstärkten Glucose-Ausscheidung im Urin und verbessert so die Blutzuckerkontrolle bei Diabetikern. Die von den Nieren über diesen glucuretischen Mechanismus entfernte Glucose-Menge ist abhängig von der Blutglucose-Konzentration und der glomerulären Filtrationsrate (GFR), aber unabhängig von der Funktion der Betazellen und vom Insulin-Stoffwechsel bzw. der Insulin-Konzentration. Empagliflozin ist gut kombinierbar und senkt wirksam den HbA1c-Wert: In der Monotherapie (nach 24 Wochen) senkte Empagliflozin den HbA1c-Wert um 0,66% (10 mg) bzw. 0,78% (25 mg), in Kombination mit Metformin (nach 24 Wochen) um 0,70% bzw. 0,77%, in Kombination mit Metformin und Sulfonylharnstoff (nach 24 Wochen) um 0,82% bzw. 0,77% und in Kombination mit Insulin (nach 78 Wochen) um 0,48% bzw. 0,64% unter der höheren Dosierung. Durch das vermehrte Ausscheiden von Glucose gehen auch Kalorien „verloren“, was sich positiv auf das Gewicht der Diabetiker auswirkt. So sank unter der Monotherapie mit Empagliflozin bei ca. 29% der Patienten das Gewicht um über 5%, ein großer Vorteil für die sowieso meist übergewichtigen Diabetiker, wie Prof. Dr. Stephan Matthaei, Quakenbrück, auf einer von Boehringer Ingelheim und Lilly Deutschland unterstützten Veranstaltung betonte.

Grafik: DAZ/Gesine Oberst
Empagliflozin hemmt wie Canagliflozin und Dapagliflozin selektiv den Natrium-Glucose-Cotransporter 2 (sodium-glucose co-transporter 2, SGLT 2) am proximalen Tubulus des Nephrons und erhöht die Glucose-Ausscheidung über den Urin.

Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 10 mg Empagliflozin einmal täglich für die Monotherapie und die Add-on-Kombinationstherapie mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin. Es kann unabhängig von den Mahlzeiten zu jeder Tageszeit genommen werden. Vertragen die Patienten Empagliflozin 10 mg einmal täglich und benötigen sie eine engere Blutzuckerkontrolle, kann die Dosis auf 25 mg einmal täglich erhöht werden. Ein substanzeigenes Unterzuckerungs-Risiko wird nicht gesehen. Bei Anwendung von Empagliflozin in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff oder mit Insulin kann unter Umständen eine niedrigere Dosierung des Sulfonylharnstoffs oder des Insulins in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer Hypoglykämie zu senken.

Steckbrief

Handelsname: Jardiance

Hersteller: Boehringer Ingelheim GmbH und Lilly Deutschland GmbH

Einführungsdatum: 1. August 2014

Zusammensetzung: jede Tablette enthält 10 mg bzw. 25 mg Empagliflozin

Stoffklasse: andere Antidiabetika, exklusiv Insuline, ATC-Code: A10BX12

Indikation: Empagliflozin ist bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes mellitus zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle angezeigt als: Monotherapie, wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen, sowie bei Patienten, bei denen die Anwendung von Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit als ungeeignet erachtet wird; als Add-on-Kombinationstherapie mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreichen.

Empagliflozin

Dosierung: Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 10 mg Empagliflozin einmal täglich für die Monotherapie und Add-on-Kombinationstherapie mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin, die Tageshöchstdosis beträgt 25 mg.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile

Nebenwirkungen: sehr häufig: Hypoglykämie (bei Anwendung zusammen mit einem Sulfonylharnstoff oder Insulin); häufig: vaginale Moniliasis, Vulvovaginitis, Balanitis und andere genitale Infektion, Harnwegsinfektion, Pruritus (generalisiert), verstärkte Harnausscheidung; gelegentlich: Volumenmangel, Dysurie

Wechselwirkungen: Empagliflozin kann den diuretischen Effekt von Thiazid- und Schleifendiuretika verstärken und das Risiko einer Dehydrierung und Hypotonie erhöhen; Insulin und Insulin-Sekretagoga, wie z.B. Sulfonylharnstoffe, können das Risiko einer Hypoglykämie erhöhen. Bei Anwendung in Kombination mit Empagliflozin muss daher unter Umständen die Dosierung des Insulins oder Insulin-Sekretagogums reduziert werden, um das Risiko einer Hypoglykämie zu senken.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Empagliflozin sollte bei Patienten mit Typ-1-Diabetes oder zur Behandlung einer diabetischen Ketoazidose nicht angewendet werden. Bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion (eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 oder einer CrCl < 60 ml/min) sollte keine Therapie begonnen werden. Bei Patienten, die Empagliflozin vertragen und deren eGFR dauerhaft unter 60 ml/min/1,73 m2 oder deren CrCl dauerhaft unter 60 ml/min liegt, sollte die Dosis auf 10 mg Empagliflozin einmal täglich angepasst oder diese Dosis beibehalten werden. Liegt die eGFR dauerhaft unter 45 ml/min/1,73 m² oder die CrCl unter 45 ml/min, sollte Empagliflozin abgesetzt werden.

Die Niere muss funktionieren

Ab einer Creatinin-Clearance (CrCl) von unter 45 ml/min wurden in den Studien keine klinisch relevanten Effekte mehr beobachtet. Bei Patienten mit einer geschätzten (estimated) glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von < 60 ml/min/1,73 m2 sollte keine Therapie begonnen werden. Liegt die glomeruläre Filtrationsrate unter 45 ml/min/1,73 m², muss Empagliflozin abgesetzt werden. Ebenfalls im Wirkmechanismus begründet ist die Gefahr eines Volumenmangels: Neben einem verstärkten Wasserlassen mit Polyurie, Harndrang oder Nykturie kann die osmotische Diurese zu Volumenmangel einschließlich Blutdrucksenkung führen. Deshalb ist Vorsicht geboten bei Patienten, bei denen eine durch Empagliflozin induzierte Blutdrucksenkung ein Risiko darstellen könnte, wie z.B. Patienten mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung, mit Antihypertensiva behandelte Patienten und Hypotonie in der Vorgeschichte.

Infektionen als Nebenwirkung

Durch die erhöhte Ausscheidung der Glucose wird der Harn zu einer zuckerhaltigen Lösung, in der sich Bakterien ausgesprochen wohl fühlen. Unter Empagliflozin wurden Infektionen des Harn- und Genitaltrakts häufiger beobachtet als unter Placebo. Die Infektionen waren dabei leicht bis mittelschwer und in der Regel mit Standardtherapien behandelbar. Meistens traten die Infektionen nur einmalig auf. Daher sollte eine Therapie mit Empagliflozin nicht abgesetzt werden. Vor allem Frauen, die anatomiebedingt am häufigsten betroffen sind, sollten auf eine gute Genitalhygiene hingewiesen werden, denn so kann das Verharren der zuckerhaltigen Lösung auf den Schleimhäuten verringert werden.

Zusatznutzen ja oder nein?

Die bisher am Markt befindlichen SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin (Forxiga®) und Canagliflozin (Invokana®) haben es bisher nicht geschafft, die Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu bestehen: Das IQWiG sah keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Boehringer Ingelheim und Lilly Deutschland, die Empagliflozin in einer Alliance gemeinsam vertreiben, zeigten sich jedoch optimistisch, dass Empagliflozin seinen Nutzen in einer individuellen Behandlung von Patienten mit schwer erreichbaren Therapiezielen belegen kann. 

Quelle

Fachinformation Jardiance®, Stand Mai 2014

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