Arzneimittel und Therapie

Azithromycin - gefährlich bei Pneumonie?

Makrolide können ein Risiko für ältere Patienten mit Lungenentzündung sein

Eine bakteriell bedingte Lungenentzündung kann für ältere Patienten bzw. Menschen mit Vorerkrankungen des Herzens lebensbedrohlich sein. Inwiefern die leitliniengerechte Therapie der Pneumonie mit Azithromycin die Mortalitätsrate bzw. die Gefahr eines Herzinfarktes bei älteren Patienten erhöht, wurde in einer retrospektiven Studie untersucht.

Die Pneumonie ist eine Entzündung des Lungengewebes, die besonders bei geschwächtem Immunsystem (akute Bronchitis, Therapie mit Immunsuppressiva), bei Älteren sowie bei Kleinkindern auftritt. Die Symptome können sich je nach Auslöser stark unterscheiden, wobei vor allem Bakterien (Streptococcus pneumoniae), seltener Viren oder Pilze ursächlich sind. Diese alveoläre Pneumonie geht meist mit Schüttelfrost, Fieber, Husten, eitrigem Auswurf und starkem Krankheitsgefühl einher. Zu Behandlungsbeginn erfolgt eine Antibiotikatherapie ohne genaue Kenntnis des Erregers, wobei normalerweise anhand patientenspezifischer Daten von einem bestimmten Keimspektrum ausgegangen wird. Aktuelle Leitlinien empfehlen für die Behandlung einer einfachen Pneumonie die Monotherapie mit Amoxicillin, wobei gegebenenfalls aufgrund von Arzneimittelunverträglichkeiten auf ein Makrolid zurückgegriffen wird. Dagegen sieht das Medikationsmanagement hospitalisierter Patienten mit mittel- bis schwergradiger Pneumonie die gleichzeitige Gabe unterschiedlicher Antibiotika vor. Retrospektive Studien zeigten bereits die Überlegenheit der Kombinationstherapie aus einem Betalactam/Betalactamaseinhibitor (z.B. Ampicillin-Sulbactam) und einem Makrolid (z.B. Azithromycin) im Vergleich zur Monotherapie mit Betalactamen (mit oder ohne Betalactamase-Inhibitor) [1, 2].

Bei jüngeren Patienten heilt eine Lungenentzündung in der Regel ohne Folgen aus. Bei einem geschwächten Immunsystem sowie bestehenden Komorbiditäten sind jedoch Komplikationen möglich, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können. Aus der Infektion mit Pneumokokken ergibt sich eine gesteigerte Entzündungsreaktion, welche die Bildung arteriosklerotischer Plaques fördert und auch das Herz schädigen kann. Bei Patienten mit bestehender koronarer Herzkrankheit kann eine instabile Angina pectoris provoziert werden, die schlimmstenfalls einen Herzinfarkt verursacht. Bezüglich des kardiovaskulären Risikos ist bekannt, dass die Anwendung einiger Makrolid-Antibiotika vereinzelt mit schweren ventrikulären Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) einhergeht. Daher ist deren Kombination mit Arzneistoffen, die ebenfalls eine QT-Verlängerung bewirken, kontraindiziert. Das in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin oft bevorzugte Azithromycin galt im Gegensatz zu Erythromycin oder Clarithromycin bislang als wenig kardiotoxisch. Dennoch tauchten in den letzten Jahren vermehrt Berichte zum proarrhythmogenen Potenzial dieses Makrolids auf, woraufhin die FDA ankündigte, die Risikobeurteilung von Azithromycin erneut zu prüfen [3]. Dementsprechend wurde auch über eine mögliche Assoziation kardiovaskulärer Ereignisse bzw. daraus resultierender Mortalität und der Gabe von Azithromycin zur Pneumoniebehandlung älterer Patienten spekuliert.

Nun wurde im Journal of the American Medical Association (JAMA) eine retrospektive Kohortenstudie veröffentlicht, die das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse in insgesamt ca. 65.000 älteren Pneumonie-Patienten (> 65 Jahre) aus 118 amerikanischen Krankenhäusern verglich, die während des Beobachtungszeitraums von 2002 bis 2012 entweder mit Azithromycin behandelt wurden oder eine alternative Antibiotika-Therapie erhielten [4]. Als Primärziel galten die Mortalitätsrate der jeweiligen Vergleichspopulationen innerhalb eines 30- bzw. 90-tägigen Krankenhausaufenthaltes sowie die Anzahl an kardiovaskulären Ereignissen (Arrhythmien und Herzinfarkte). Es zeigte sich eine signifikante Verringerung der Mortalitätsrate über 90 Tage bei Anwendung von Azithromycin (17% vs. 22%), wohingegen die Anzahl an Herzinfarkten zunahm (5% vs. 4%), andere Ereignisse wie Arrhythmien oder Herzinsuffizienz blieben jedoch unverändert. Aufgrund dieser teilweise gegensätzlichen Resultate nahmen die Autoren der Studie eine statistische Analyse des Nutzenprofils der Azithromycin-Therapie vor. Die benötigte Anzahl an behandelten Patienten für einen Therapieerfolg (Number needed to treat, NNT) ergab 21 notwendige Behandlungen, um einen Todesfall während der 90-tägigen Therapie mit Azithromycin zu verhindern. Dagegen beschreibt die Number Needed to Harm (NNH) die ungünstigen Effekte der Therapie und gibt die Zahl an Personen wieder, bei deren Behandlung mit zusätzlichen Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Bei einem Einsatz von Azithromycin ergeben sich 144 behandelte Patienten, ehe ein Herzinfarkt auftritt. Der Vergleich der NNT- und NNH-Werte zeigte demnach ein Nutzenverhältnis der Azithromycin-Therapie von sieben verhinderten Todesfällen gegenüber einem Fall eines provozierten Myokardinfarkts. Nach Meinung der Autoren ist die Anwendung von Azithromycin bei hospitalisierten Pneumonie-Patienten über 65 Jahre trotz der erhöhten Rate an Herzinfarkten weiterhin zu empfehlen, da der Nutzen der Therapie überwiegt und die Gesamtmortalität durch die Behandlung abnimmt. Inwiefern dies auch für jüngere Patienten gilt, kann jedoch noch nicht beantwortet werden.

Quelle

[1] Gleason PP et al. Associations between initial antimicrobial therapy and medical outcomes for hospitalized elderly with pneumonia. Arch Intern Med 1999;159:2562–2572.

[2] Houck PM et al. Empiric antibiotic therapy and mortality among medicare pneumonia inpatients in 10 western states: 1993, 1995, and 1997. Chest 2001;119:1420–1426

[3] Zithromax (azithromycin): FDA Statement on risk of cardiovascular death. FDA Safety Alert, 17. Mai 2012

[4] Mortensen EM et al. Association of azithromycin with mortality and cardiovascular events among older patients hospitalized with pneumonia. JAMA 2014;311(21):2199–2208

Apotheker André Said

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