Die Seite 3

Verantwortung statt Ausschluss

Julia Borsch,
Redakteurin der DAZ

Das Problem des Präparateaustauschs spielt sich auf zwei Ebenen ab: Da ist zum einen das Problem, dass für die Wirksamkeit nicht nur der Blutspiegel eine Rolle spielt, sondern auch Parameter wie die Zeit bis zum Wirkeintritt, die Wirkdauer, also die Kinetik der Formulierung. Dieses Problem ließe sich in den Griff bekommen. Für Wirkstoffe bzw. Arzneiformen, bei denen mithilfe von Freisetzungs- und Blutspiegelkurven die Nicht-Austauschbarkeit eindeutig nachgewiesen werden kann, kann durch entsprechende Regularien eine für alle vertretbare Lösung gefunden werden, mit dem Problem umzugehen. So könnte beispielsweise in diesen Fällen die Verpflichtung zur Substitution aufgehoben werden. Die zweite Ebene, der Patient, lässt sich nicht durch Richtlinien regulieren. Aufgrund seiner Psyche und Persönlichkeit sowie der individuellen Lebensumstände zu beurteilen, wem unabhängig von wissenschaftlichen Daten ein Austausch zuzumuten ist, ist nicht Sache des G-BA oder des Gesetzgebers. Das liegt einzig und allein in der Verantwortung der Leistungserbringer und zwar sowohl in der der Ärzte als auch in der der Apotheker. Beide haben derzeit (noch) mit dem Aut-idem-Kreuz und der Sonderziffer 6 die notwendigen Instrumente, diese Verantwortung zu übernehmen und sollten dies auch gemeinsam tun.

Pauschale Regelungen, wie sie die Substitutionsausschlussliste in ihrer derzeitigen Form vorgibt, sind für die, auf die sie zutreffen, eine feine Sache, sozusagen eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Bei den Patienten werden Präparate nicht mehr substituiert, Ärzte und Apotheker sind damit von jeglicher Verantwortung entbunden. Die Kehrseite: solche Regelungen nehmen auch jeglichen Spielraum, Verantwortung zu übernehmen, wenn es denn sein müsste. Nämlich in Situationen, wo die pauschalen Regelungen nicht greifen oder nicht umsetzbar sind.

Der einzig nachhaltige Weg aus dem Substitutionsdilemma für Apotheker wie für Ärzte liegt aber darin, Verantwortung zu übernehmen, indem sie kritisch und überlegt mit der Substitution und den Möglichkeiten, sie auszuschließen, umgehen. Denn sie sind die, die zum einen das erforderliche Fachwissen besitzen, die generelle Austauschbarkeit beurteilen zu können, aber eben auch die notwendige Nähe zum Patienten haben, um die zweite Ebene zu sehen. Denn sie spielt für den Therapieerfolg mindestens die gleiche, wenn nicht sogar eine noch größere Rolle als Blutspiegel und Bioäquivalenz. Mit der Substitutionsausschlussliste, die einen Austausch dann pauschal verbietet, sind wir gerade dabei, uns diesen Weg zu verbauen.

Julia Borsch

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