Arzneimittel und Therapie

Calcium und das kardiovaskuläre Risiko

Studie zeigt keine unerwünschten Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System

In den letzten Jahren hatte es in Studien Hinweise gegeben, dass durch Calcium-Supplemente das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ansteigt. Insgesamt waren die Ergebnisse jedoch widersprüchlich. In einer großen prospektiven Beobachtungsstudie – der Nurses’ Health Study – konnte nun über einen Zeitraum von 24 Jahren bei Frauen kein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko durch Calcium-Supplementierung beobachtet werden.

Dass in der Nurses’ Health Study Unterschiede zwischen den Gruppen wie eine gesündere Lebensweise bei den Frauen, die Calcium-haltige Präparate einnahmen, die Ergebnisse beeinflussen, kann jedoch aufgrund des Beobachtungsdesigns der Studie nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Eine langfristige Unterversorgung mit Calcium begünstigt die Entwicklung einer Osteoporose. Personen über 50 Jahre, die sich nicht ausreichend bewegen und mit ihrer Ernährung keine ausreichende Calcium-Versorgung gewährleisten können, wird daher geraten, täglich bis zu 1000 mg Calcium zuzuführen. Dabei sollte die Calcium-Menge durch Supplementierung und aus der Nahrung zusammen aber nicht mehr als 1500 mg Calcium pro Tag ausmachen. Denn es gibt Hinweise aus Studien, dass eine Dauereinnahme von Calcium unerwünschte Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben könnte. Eine akzeptierte biologische Erklärung für die potenziell negativen Auswirkungen eines vorübergehend erhöhten Calcium-Blutspiegels existiert bisher aber nicht. Spekuliert wurde, dass Arrhythmien begünstigt oder eine vaskuläre Kalzifizierung gefördert werden könnten.

Aktuell wurden zu diesem Thema Ergebnisse veröffentlicht, die im Rahmen der US-amerikanischen Nurses’ Health Study gewonnen wurden. Bei der untersuchten Kohorte handelt es sich um 74.245 Frauen, die zu Beginn keine kardiovaskuläre Erkrankung hatten, und prospektiv 24 Jahre lang beobachtet wurden; insgesamt ergaben sich so 1.680.894 beobachtete Personenjahre. Alle vier Jahre wurde die Calcium-Einnahme abgefragt. Die Frauen wurden für jede Vier-Jahres-Beobachtungsphase in fünf Kategorien eingeteilt: Keine Calcium-Supplementation, 1 bis 100 mg/Tag, 101 bis 500 mg/Tag, 501 bis 1000 mg/Tag und mehr als 1000 mg/Tag. Während der Beobachtungszeit ereigneten sich 4565 relevante kardiovaskuläre Ereignisse, davon 2709 Fälle von koronarer Herzkrankheit oder Herzinfarkt und 1856 Schlaganfälle.

Kein erhöhtes Risiko durch Calcium-Supplemente

1984, zu Beginn der Beobachtungszeit, nahmen 30,5% der Studienteilnehmerinnen Calcium-Supplemente ein. Diese Zahl erhöhte sich im Studienverlauf: In den letzten vier Studienjahren nahmen 80% der Frauen Calcium ein. Das durchschnittliche Alter betrug zu Studienbeginn 51 Jahre.

Frauen, die Calcium einnahmen, waren rund ein bis zwei Jahre älter und häufiger postmenopausal als die Frauen, die kein Calcium supplementierten. Je höher die supplementierte Calcium-Dosis war, desto gesundheitsbewusster lebten die Frauen: Sie rauchten weniger, bewegten sich mehr und ernährten sich gesünder. In der durchgeführten multivariaten Analyse wurden diese Störgrößen berücksichtigt, es ist jedoch fraglich, ob alle relevanten Confounder erfasst werden konnten.

Es wurde kein Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Ereignissen und einer Calcium-Supplementierung festgestellt, im Gegenteil: Beobachtet wurde sogar eine inverse Beziehung, die allerdings auch durch eine nicht vorhandene Strukturgleichheit der Gruppen bedingt sein könnte (siehe Tabelle).

Zusätzliche Analysen, beispielsweise indem nur Nichtraucherinnen oder Frauen ohne Hypertonie ausgewertet wurden, bestätigten das Ergebnis.

Auch wenn diese Studie erst einmal Entwarnung hinsichtlich negativer Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System gibt, erscheint es dennoch vernünftig, eine Calcium-Supplementierung nur dann zu empfehlen, wenn eine ausreichende Aufnahme über die Nahrung nicht gewährleistet ist. Denn durch Calcium-Supplemente steigt das Risiko für Nierensteine, während dies bei erhöhter Calcium-Aufnahme über die Nahrung nicht der Fall ist. Auch können als unerwünschte Wirkungen einer Calcium-Supplementierung leichte Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Mithilfe des Calcium-Rechners des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (www.gesundheitsinformation.de/rechner-Calcium.2032.de.html) lässt sich grob berechnen, wie viel Calcium noch zur empfohlenen Tagesdosis fehlt. Und zu guter Letzt: Untersucht wurden in dieser Studie nur Frauen, ob alle gefundenen Ergebnisse auf Männer zu übertragen sind, sollte zumindest diskutiert werden. 

Quelle

Bauer DC. Calcium supplements and fracture prevention. N Engl J Med 2013;369:1537-1543.

Paik JM et al. Calcium supplement intake and risk of cardiovascular disease in women. Osteoporos Int, published online 7. Mai 2014. DOI: 10.1007/s00198-014-2732-3.

 

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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