Aus den Ländern

Medikation alter Patienten

Interdisziplinäre Fortbildung mit Ärzten

KASSEL | In Kassel fand am 19. März eine Fortbildungsveranstaltung für Apotheker und Ärzte statt, die sich mit der Arzneitherapie alter Menschen befasste.

Viele geriatrische Patienten sind multimorbide und erhalten so viele Arzneimittel, dass Neben- und Wechselwirkungen ein nicht zu unterschätzendes Problem sind. Die Priscus-Liste (www.priscusliste.net) nennt Arzneistoffe. die für die Behandlung älterer Menschen ungeeignet sind und deshalb möglichst nicht eingesetzt werden sollten (potenziell inadäquate Medikation, PIM). Dr. Sven Schmiedl aus Wuppertal, der an der Erstellung der Priscus-Liste beteiligt war, stellte deren Möglichkeiten und Grenzen dar. Gegenüber anderen Listen, mit denen die Eignung bestimmter Therapien für ältere Menschen beurteilt werden kann, bietet sie den Vorteil, dass sie Alternativen zu den als PIM eingestuften Arzneistoffen aufzeigt und beim Fehlen einer Alternative Tipps zum sichereren Umgang mit der PIM gibt.

Anticholinergika und NSAR

Dr. Heinz-Jürgen Harhoff, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Zentrum für Altersmedizin Kassel, thematisierte in seinem Vortrag die Problematik anticholinerg wirkender Arzneimittel, wobei es sich um die Hauptwirkung oder – sehr viel häufiger – um eine Nebenwirkung handeln kann. Anticholinerge Effekte sind mit Einschränkungen der Kognition, Mundtrockenheit und Harnverhalt, Verstopfung oder Sehstörungen verbunden, die zur Aufnahme in ein Pflegeheim oder sogar zu Stürzen führen können.

Claudia Wegener, Apothekerin aus Baunatal, befasste sich in ihrem Vortrag mit den häufig auch in der Selbstmedikation eingesetzten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Bei der Auswahl des geeigneten Arzneistoffs müssen insbesondere Wechselwirkungen mit einer bestehenden Dauermedikation sowie Vorerkrankungen im Magen-Darm-Trakt und im Herz-Kreislauf-System berücksichtigt werden. Die Dosis und das Dosierungsintervall sind an die verminderte Stoffwechselleistung des älteren Organismus anzupassen. Es gilt die Faustregel: so kurz wie möglich mit der niedrigsten wirksamen Dosis behandeln. Die Vielzahl an Darreichungsformen und die Möglichkeit alternativer Therapien (physikalisch, topisch) bietet dennoch die Chance, auch älteren Menschen eine adäquate Schmerzbehandlung zu ermöglichen.

Psychopharmaka

Dr. Christoph Schmid, Chefarzt der Gerontopsychiatrie am Zentrum für Altersmedizin Kassel, berichtete über die Behandlung mit Antidepressiva, Antipsychotika und Tranquillanzien. Die große Vielfalt an Wirkstoffen und Wirkprinzipien reduzierte er schnell anhand von Vor- und Nachteilen, Leitlinien und großer eigener Erfahrung auf einige wenige Substanzen, mit denen auch alte Menschen gut behandelt werden können. So sollten Trizyklika und MAO-Hemmer nicht verwendet werden, stattdessen Mirtazapin oder Venlafaxin. Vor der Kombination von Wirkstoffen sollte immer ein Wechsel stehen. Unter den Antipsychotika ist Quetiapin ein potenter Arzneistoff, der auch bei Parkinson-Patienten gut einsetzbar ist. Die Liste der Tranquillanzien führt das Lorazepam an, weil es sehr gut und schnell angstlösend wirkt. Die Anwendungsdauer ist zu begrenzen, um einer Abhängigkeit vorzubeugen. Allerdings ist hier häufig der Wechsel aus der Klinik in die ambulante Versorgung problematisch, weshalb das Arzneimittel möglichst schon während des Klinikaufenthalts abgesetzt werden soll.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die etwa 70 Teilnehmer – jeweils zur Hälfte Apotheker und Ärzte – bei einem Imbiss die Möglichkeit zum fachlichen Austausch. Wegen der großen Resonanz waren sich Harhoff und Wegener als Vertreter der Veranstalter Indimed bzw. LAK Hessen einig, dieses gemeinsame Fortbildungsangebot fortzusetzen. 

Claudia Wegener, Baunatal

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