Die Seite 3

Déjà vu

Dr. Doris Uhl
Chefredakteurin der DAZ

Die Folgen des zum 1. August 2013 vom Markt genommenen Benzodiazepins Tetrazepam sind noch nicht verwunden, da glaubt man mit dem Rückruf von Metoclopramid, einem weiteren Alt-Arzneimittel, ein Déjà vu zu erleben. Die Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen:

In beiden Fällen wurde die europaweite Neubewertung des Nutzen-Risiko-Profils auf Antrag der nationalen französischen Arzneimittelbehörde ANSM in die Wege geleitet, die in der massenweisen Verordnung dieser selbstverständlich auch mit Risiken behafteten Arzneimittel ein besonderes Problem gesehen hat. In beiden Fällen handelt es sich um Arzneimittel, die seit Jahrzehnten ihren festen Platz in der Therapie haben, in beiden Fällen weiß man über Risiken und Nebenwirkungen sehr gut Bescheid. Zugegeben, bei Tetrazepam werden schwere lebensbedrohliche Hautreaktionen ins Feld geführt, die sich kaum vorhersagen lassen, aber dafür sehr selten potenziell lebensbedrohlich sein sollen. Bei Metoclopramid sind es vor allem die dosisabhängigen neurologischen Komplikationen, die jetzt unter anderem zum Verbot aller Lösungen mit Stärken über 1 mg/ml und zu neuen Tageshöchstdosen geführt haben. In beiden Fällen muss jetzt auf Alternativen zurückgegriffen werden, mit denen sich nicht zwangsläufig die gleiche Wirksamkeit erzielen lässt und die selbstverständlich auch nicht frei von Problemen sind. Eine der Alternativen zu Metoclopramid ist beispielsweise Domperidon, dessen Anwendung ebenfalls eingeschränkt werden soll. Die entsprechenden Empfehlungen des Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA sind soeben bestätigt worden, die rechtlich verbindliche Umsetzung ist nur noch eine Frage der Zeit (s. a. S. 38).

Alle diese Maßnahmen werden ergriffen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern und die Patienten zu schützen. Doch ist ein Verbot tatsächlich der richtige Weg? Immerhin handelt es sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel. Wenn sie massenhaft fehlverordnet werden oder schwere Nebenwirkungen aufgrund von Überdosierungen eintreten, dann liegt das Problem zunächst einmal bei den verordnenden Ärzten. Sollten sie nicht in der Lage sein, für einen korrekten Einsatz und die richtige Anwendung zu sorgen, dann muss hier angesetzt werden.

Es ist unsere tägliche Erfahrung, dass manch ein Arzt mit den immer komplexer werdenden Arzneimittelverordnungen überfordert ist. Das ist in der Tat fatal, denn Arzneimittel können gefährliche und durchaus tödliche Nebenwirkungen haben. Aber auch Autoverfahren kann tödlich enden – doch ein Verbot wird nicht einmal diskutiert. Stattdessen arbeitet man an Konzepten, die die Sicherheit erhöhen.

Solche Konzepte gibt es für die Arzneimitteltherapie auch. Ein ganz einfaches lautet: die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker zu nutzen und auszubauen. Sicher, umsonst ist das nicht zu haben. Hier neue Strukturen zu etablieren, ist aufwendig und kostet Geld. Behördliche Verbote sind da der bequemere Weg. Wenn er jedoch Schule macht – und manche laufenden Verfahren sprechen dafür – dann wird das therapeutische Arsenal immer kleiner werden. Auf der Strecke bleiben die Patienten, für die dann entweder keine, nur noch schlechter wirksame oder weniger erprobte Alternativen zur Verfügung stehen. Das kann niemand wollen – schon gar nicht Ärzte und Apotheker. Es ist höchste Zeit, dass sich diese beiden Berufsgruppen im Interesse der Patienten zusammentun und gegen diese Entwicklung antreten. Auf ein weiteres Déjà vu möchten wir gerne verzichten.

Doris Uhl

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