DAZ aktuell

Produktneutrale Impfstoffverordnung nicht offensichtlich rechtswidrig

Baden-Württembergische Apothekerin unterliegt (vorerst) vor Gericht

BERLIN (jz) | Die in Baden-Württemberg praktizierte produktneutrale Impfstoffverordnung ist in rechtlicher Hinsicht – jedenfalls vorläufig – nicht zu beanstanden. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) entschieden. Anders als das Sozialgericht Stuttgart (SG), das diese Praxis im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als unzulässig einstufte, hat das LSG keine erkennbaren Bedenken gegen die Vereinbarung, auf Rezepten keinen bestimmten Impfstoff, sondern nur die Impfindikation anzugeben. (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2014, Az. L 4 KR 3593/13 ER-B – rechtskräftig)

Seit Januar 2013 sollen baden-württembergische Apotheken im Fall einer produktneutralen Verschreibung („Impfstoff gegen …“) anhand von Angaben auf einem Poster rabattierte Impfstoffe auswählen und abgeben. So hatten es Kassenärztliche Vereinigung (KV), AOK und andere Krankenkassen bzw. deren Landesverbände in Baden-Württemberg in der Schutzimpfungsvereinbarung 2012 vereinbart – als Folge der ab 2013 in diesem Bundesland geltenden Rabattverträge für sieben Impfstoffe. Aus Sicht der Apotheker eine unzulässige Vorgehensweise. Der Landesapothekerverband forderte daher von der AOK, die Behauptung zu unterlassen, Apotheken seien zu einem solchen Vorgehen verpflichtet. Doch die Kasse lehnte es ab, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

SG gibt Apothekern Recht

Eine im Landkreis Böblingen ansässige Apothekerin stellte daraufhin beim Sozialgericht Stuttgart einen Eilantrag und erhob zudem Klage gegen die AOK. Zur Begründung führte sie aus, sie könne nicht gezwungen werden, bestimmte verschreibungspflichtige Impfstoffe ohne die erforderliche Verschreibung abzugeben. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bekam sie zunächst Recht: Mitte Juli 2013 untersagte das Sozialgericht Stuttgart der AOK die Behauptung, die Apothekerin sei im Fall einer produktneutralen Verschreibung zur Abgabe des rabattierten Impfstoffs verpflichtet (siehe AZ 2013, Nr. 30, S. 2). Für eine solche Verpflichtung gebe es schon keine Rechtsgrundlage. Zudem seien Kassen und Ärzte gar nicht berechtigt, die Verantwortung zur korrekten Impfstoffabgabe auf die Seite der Apotheker zu verschieben – auch wegen der drohenden Retaxierungen.

LSG bestätigt Meinung der Krankenkassen

Doch diese Entscheidung hatte keinen Bestand. Auf die Beschwerde der AOK hob das LSG den Beschluss des Sozialgerichts auf und lehnte den Eilantrag letztinstanzlich ab – ohne damit alle Rechtsfragen abschließend zu klären. Welchen Impfstoff die Apothekerin im Rahmen der Versorgung eines Versicherten abgeben dürfe, heißt es im Beschluss, richte sich nach dem Leistungsanspruch des Versicherten. Zur Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen dürften Krankenkassen oder ihre Verbände nach § 132 Abs. 2 SGB V Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmen schließen. Soweit diese geschlossen werden, hätten Versicherte lediglich Anspruch auf den dort jeweils vereinbarten Impfstoff – und Apotheker dürften nur noch diesen abgeben.

Rabattverträge sind einzuhalten

Die Richter des LSG räumen in ihrem Beschluss zwar ein, dass die Apotheker nicht Vertragspartner der zwischen KV und Kassen geschlossene Schutzimpfungsvereinbarung 2012 sind. Eine Vorschrift, die die Apotheker einer Bindung unterwerfe, sei derzeit also nicht ersichtlich. Das ändere allerdings nichts daran, dass die Apotheker als Leistungserbringer an der Umsetzung des Sachleistungsanspruchs der Versicherten auf Schutzimpfungen mitwirken müssten, so die Richter weiter. Eine fehlende Vereinbarung könne daher nicht dazu führen, dass es den Apothekern freistehe, „einen anderen als den in den Rabattverträgen vereinbarten Impfstoff abzugeben und damit eine Leistung zu bewirken, auf die die Versicherten keinen Anspruch haben“.

Aus Sicht der LSG-Richter ist die produktneutrale Verordnung insoweit nicht erkennbar rechtswidrig. Zwar werde der Impfstoff nicht namentlich benannt – durch die Rabattverträge sei er aber eindeutig bestimmbar. Apotheker müssten zudem „wie bei allen unklaren oder unvollständigen Verordnungen auch bei unklaren oder unvollständigen Verordnungen von Impfstoffen entweder die Abgabe ablehnen oder bei dem die Verordnung ausstellenden (Vertrags-)Arzt nachfragen“, um für Klarheit zu sorgen. Einen beträchtlichen Mehraufwand gegenüber der namentlichen Verordnung eines Impfstoffes vermochte der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Die Zahl der Impfindikationen sei überschaubar, ebenso die der Impfstoffe. Und auch die Frage, ob eine EDV-technische Umsetzung der Rabattverträge möglich ist oder nicht, berühre den Sachleistungsanspruch des Versicherten nicht.

Endgültige Gerichtsentscheidung steht aus

Die summarische Interessenabwägung ging am Ende zulasten der Apothekerin: Ihr Umsatz mit den betroffenen Impfstoffen falle im Verhältnis zum Gesamtumsatz nicht derart ins Gewicht, dass eine Existenzgefährdung drohe, so das LSG. Bei der Abgabe rabattierter Impfstoffe bestehe auch keine Gefahr, eine Vergütung nicht zu erhalten oder retaxiert zu werden. Demgegenüber bestehe ein überwiegendes Allgemeininteresse, die finanzielle Stabilität der GKV zu stärken. Dem dienten auch die streitigen Impfstoffrabattverträge. Abzuwarten bleibt nun, wie der Rechtsstreit – bei einer umfassenden Prüfung – im Hauptsacheverfahren entschieden werden wird. 

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