INTERPHARM 2014 - ApothekenRechtTag

Wenn der Lebensmittelkontrolleur in der Apotheke steht …

Nahrungsergänzungsmittel: Was ist zu beachten?

jz | Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind apothekenübliche Waren und die Beratung zu Gesundheits- und Ernährungsfragen gehört zu den in der Apothekenbetriebsordnung anerkannten Dienstleistungen. Auch Apotheken müssen lebensmittelrechtliche Vorgaben beachten und können Adressaten der Lebensmittelüberwachung sein. Dabei entwickeln sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in diesem Bereich permanent (und ziemlich unübersichtlich) fort. Was ist zu tun (und zu unterlassen), wenn der Lebensmittelkontrolleur in die Apotheke kommt? Einen kurzweiligen Überblick hierzu gab Rechtsanwalt Andreas Meisterernst beim diesjährigen ApothekenRechtTag.
Foto: DAZ / A. Schelbert / C. Hartlmaier
Andreas Meisterernst, München

Apotheker, die Nahrungsergänzungsmittel verkaufen, gelten auch als Lebensmittelunternehmer. Zulässig ist der Verkauf entsprechender Produkte, solange der Arzneimittelversorgungscharakter in der Apotheke noch im Vordergrund stehe. Aber was ist eigentlich ein Nahrungsergänzungsmittel? Insbesondere die Abgrenzung zu Arzneimitteln ist oft schwierig. Die Nahrungsergänzungsmittelverordnung definiert es als Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung darstellt und in dosierter Form zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen in Verkehr gebracht wird. Unklar ist allerdings, was genau unter den Rechtsbegriffen „ernährungsspezifische Wirkung“ oder einem „Konzentrat“ zu verstehen ist. Andere Unsicherheiten wurden in den vergangenen Jahren beseitigt: So stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar, dass die im Arzneimittelrecht geltende Zweifelsregelung (wenn ein Produkt unter mehrere rechtliche Kategorien fällt, ist es nach deutschem Recht im Zweifel ein Arzneimittel) nur dann greift, wenn die Arzneimitteleigenschaft nachgewiesen ist. Produkte sollen nach dieser EuGH-Rechtsprechung also nicht „auf Verdacht“ dem Arzneimittelrecht unterworfen werden. Des Weiteren hat sich in der Rechtsprechung durchgesetzt, dass es für die Einordnung als Nahrungsergänzungsmittel im Körper einer „nennenswerten“ physiologischen Wirkung bedarf.

Was tun bei einer Abmahnung?

Das Wettbewerbsrecht ermöglicht es, jeden Marktteilnehmer, mithin auch Apotheken, in Anspruch zu nehmen, der falsch bzw. irreführend gekennzeichnete oder nicht verkehrsfähige Lebensmittel vertreibt. Das machen sich insbesondere Abmahnvereine gerne zunutze. Dabei gehen sie immer wieder bis an die Grenze des Rechtsmissbrauchs, indem sie gegen mehrere Apotheken vorgehen, die ein solches Produkt vertreiben, anstatt – was seriöser wäre – direkt den Hersteller zu kontaktieren. Apothekern, denen beispielsweise wegen einer angeblichen Falschkennzeichnung eine Abmahnung ins Haus flattert, rät Meisterernst, sich direkt an den Hersteller zu wenden und das weitere Vorgehen gemeinsam zu planen. „Wenn es ein seriöses Unternehmen ist, wird es Sie unterstützen und für Sie diesen Rechtsstreit ausfechten.“ Davon abgesehen besteht, so der Referent, bei einem tatsächlichen Kennzeichnungsfehler auch ein Regressanspruch gegen den Hersteller des unzureichend deklarierten Nahrungsergänzungsmittels.

Nichts machen reicht nicht

Die grundlegenden Regelungen im Lebensmittelbereich finden sich überwiegend in unmittelbar geltenden europäischen Verordnungen; die Grundprinzipien sind in der EU-Basisverordnung – dem „Grundgesetz des Lebensmittelrechts“ – verankert. Danach müssen Lebensmittelunternehmer auf ihrer Vertriebsstufe dafür sorgen, dass die Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen – und sie müssen die Einhaltung dieser Anforderungen auch überprüfen. Aber welche lebensmittelrechtlichen Kenntnisse muss ein Apotheker haben? Was muss er wissen? Die Verantwortlichkeit für die korrekte Information (Etikettierung/Werbung) regelt ab Ende des Jahres die EU-Lebensmittelinformationsverordnung: Apotheker als Lebensmittelunternehmer dürfen danach keine Lebensmittel abgeben, von denen sie wissen oder „annehmen müssen“, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der Rechtsvorschriften nicht entsprechen. Allerdings sei bislang noch nicht klar, was unter dem Terminus des „Annehmen müssen“ genau zu verstehen sei. Auch für jede Änderung, die Lebensmittelunternehmer an den Informationen zu einem Lebensmittel vornehmen, sind Apotheken verantwortlich – und müssen die Einhaltung der für ihre Tätigkeiten relevanten Anforderungen sicherstellen und die Einhaltung der Vorschriften prüfen. „Das ist eine deutliche Verschärfung der Basisverordnung“, betonte Meisterernst. Doch auch hier müsse sich erst zeigen, wie diese Vorgabe von der Rechtsprechung ausgelegt werde. Wichtig sei in jedem Fall die Dokumentation: „Man wird sich nicht mehr darauf zurückziehen können, dass man gar nichts macht.“ Apotheker sollten jedenfalls ein Minimum an Stichprobenkontrolle im QMS-System etablieren, um im Falle einer Beanstandung etwas vorweisen zu können.

Der Kontrolleur darf (fast) alles

Apotheker, die Nahrungsergänzungsmittel verkaufen, unterliegen als Lebensmittelunternehmer auch der Lebensmittelüberwachung. „Die amtliche Lebensmittelüberwachung darf alles“, fasste Meisterernst die im Lebens- und Futtermittelgesetzbuch aufgelisteten Befugnisse der Kontrolleure zusammen: jederzeit unangekündigt die Betriebsräume betreten, alles einsehen, Proben nehmen und auch alle Auskünfte verlangen. Allerdings gebe es keine Pflicht, sich selbst zu belasten. Auskünfte muss zudem immer nur der Betriebsverantwortliche erteilen, in der Apotheke also der Apothekenleiter. Das Apothekenpersonal sollte deshalb angewiesen werden, selbst keine Auskünfte zu erteilen. Seinen Mandanten rät Meisterernst, sich in einem Verfahren solange nicht zu äußern, wie keine Einsicht in die Behördenakte erfolgt ist. Übrigens: Die amtliche Lebensmittelkontrolle war bislang nur dann kostenpflichtig, wenn auch ein Verstoß festgestellt wurde. Das dürfte sich in den nächsten zwei Jahren aber wohl ändern – dann sollen die Kontrollen kostenpflichtig werden, kündigte Meisterernst an. „Die kommen nicht nur und nehmen die Produkte mit, sondern sagen dann noch, ‚ich hätte jetzt gern 120 Euro‘ dafür, dass ich Dich überwacht habe.“ 

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