Arzneimittel und Therapie

Verhaltenstherapie bei kindlicher Enuresis

Schon einfache Maßnahmen bringen Fortschritte

Kinderärzte des Children‘s Hospital at Westmead Clinical School der Universität Sydney (Australien) und weiterer Zentren haben die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen als Erst-Linien-Therapie bei kindlicher Enuresis auf der Basis publizierter Studien analysiert. Bereits einfache Interventionen wie Blasentraining am Tag oder eine Belohnung „trockener Nächte“ können erfolgreich sein.

Zwischen 15 und 20% aller Vorschulkinder leiden unter Enuresis. Ein Cochrane-Review auf Basis von 16 randomisierten bzw. quasi-randomisierten Studien mit 1643 Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren sollte die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen im Vergleich zu anderen Interventionen analysieren.

Umfangreiche Recherche als Basis

Die geprüften Maßnahmen umfassten Blasentraining und Flüssigkeitsrestriktion am Tag, nächtliches Wecken zum Wasserlassen sowie Belohnungen für „trockene Nächte“. Sie wurden untereinander sowie gegenüber Nicht-Intervention, einer Arzneimitteltherapie oder komplexeren Maßnahmen (z.B. Alarmtherapie) verglichen. Dazu analysierte man Studien, die zu diesem Thema bis Dezember 2011 in medizinischen Datenbanken und Kongressberichten publiziert worden waren. 865 Kindern und Jugendlichen wurde darin eine der genannten einfachen verhaltenstherapeutischen Interventionen zuteil.

Enuresis

Als Enuresis oder Bettnässen bezeichnet man das nächtliche Einnässen während des Schlafes, wenn alle folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • das Kind ist mindestens fünf Jahre alt (erst ab diesem Alter besteht die psychische und physiologische Reife für eine willkürliche Blasenkontrolle),
  • es nässt an mindestens zwei Nächten im Monat ein,
  • organische Grunderkrankungen und medizinische Ursachen wurden ausgeschlossen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert die Enuresis als behandlungsbedürftige Erkrankung. Nach Expertenansicht ist dies ein wichtiger Schritt in Richtung Aufklärung und Behandlung anstelle von Tabuisierung und Ignoranz.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sollen die noch häufig verwendeten Begriffe „Enuresis diurna“ und „Enuresis nocturna“ nicht mehr genutzt werden. Stattdessen steht Enuresis für die nächtliche Inkontinenz.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist Herausgeberin der Leitlinie „Enuresis und funktionelle Harninkontinenz“. Die Gültigkeit der 2006 verabschiedeten Fassung ist abgelaufen, eine Aktualisierung soll bis Ende 2014 abgeschlossen sein.

Einfache Maßnahmen zunächst ausreichend

In kleineren Studien führten Blasentraining am Tag, Wecken zum Wasserlassen sowie Belohnungen jeweils signifikant seltener zum Bettnässen als der Verzicht auf jegliche Intervention. Beim Vergleich untereinander war keine dieser einfachen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen effektiver als die jeweils andere. Verglichen mit der bekannten Alarmtherapie („Klingelhose“) oder Arzneimitteln (Imipramin oder Amitriptylin) waren sie jedoch weniger effektiv. Medikamente wirkten nicht über ihre Anwendungszeit hinaus, die kognitive Verhaltenstherapie war wirksamer als Belohnungen.

Das Fazit des Reviews: Bevor bei kindlicher Enuresis komplexe Interventionen oder Arzneimittel zum Zuge kommen, lohnt es sich, zunächst einfache – und zudem nebenwirkungsfreie – verhaltenstherapeutische Maßnahmen anzuwenden. 

Quelle

Caldwell PH et al. Simple behavioural interventions for nocturnal enuresis in children. Cochrane Database Syst Rev 2013; 7: CD003637, DOI 10.1002/14651858.CD003637.pub3

www.initiative-trockene-nacht.de

Website der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), www.awmf.org

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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