Die Seite 3

Erneute Attacke

Dr. Klaus G. Brauer
Herausgeber der DAZ

Sieh an: Nach ihrer historischen Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 19.5.2009 wagen sie sich wieder aus der Deckung – die Deregulierungsfanatiker, die erneut die Apotheken ins Visier nehmen. Wieder ganz vorn dabei: die EU-Kommission. Zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) will sie – als mächtige „Troika“ – weitere Hilfen für die Griechen unter anderem auch davon abhängig machen, dass die Hellenen ihr bisher verbindliches apothekenrechtliches Mehr- und Fremdbesitzverbot schleifen bzw. abschaffen; und OTC-Arzneimittel sollen Griechen künftig wie Smarties auch in ihren Supermärkten kaufen können. Welches Problem durch solche Reformen gelöst werden könnte, ist unklar. Klarer ist schon, dass neue Probleme entstehen würden.

Der EuGH hatte 2009 festgestellt, das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot in Deutschland sei nicht nur europarechtlich zulässig, es sei unter Verbraucherschutzaspekten auch vorteilhaft, wenn Berufsfremden und/oder Kapitalgesellschaften nicht erlaubt werde, Apotheken zu steuern und in ihren Besitz zu bringen. Im krassen Widerspruch dazu versucht nun die Troika, Griechenland vorzuschreiben, ihr Apothekensystem zu deregulieren. Der Verdacht liegt nahe, dass dabei erneut Pharmahandelskonzerne die Finger im Spiel haben, die überall nicht nur en gros, sondern auch en detail (d.h. mit eigenen Apothekenketten) Geld verdienen wollen. Einsicht ist von den verbohrten Deregulierungsfanatikern nicht zu erwarten. Trotz des Desasters bei der Deregulierung der Finanzmärkte zündeln sie an Regelungen, die sich insgesamt durchaus bewährt haben.

Als Brandbeschleuniger könnte sich „TTIP“, das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen, erweisen. Das Projekt der „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ wird von führenden Repräsentanten der EU und der USA (bislang in einem wenig transparenten Verfahren und ohne ausreichende demokratische Kontrolle) vorangetrieben. Auch hier ziehen im Hintergrund eingefleischte Deregulierer die Fäden. Details sind noch nicht durchgedrungen - sollen wohl auch verborgen bleiben. Dass der Gesundheitssektor vom Deregulierungsfuror nicht erfasst wird, ist derzeit leider höchst unwahrscheinlich – obwohl es sachgerecht wäre. Erkennbar ist: TTIP wird vor allem von Konzernen und deren Lobbyisten vorangetrieben. Gewinninteressen geben die Richtung vor. Das mag auf einigen Feldern vertretbar und sogar sinnvoll sein. Aber im Gesundheits- und Umweltbereich führt die propagierte „Harmonisierung“ von Standards tendenziell dazu, dass man sich auf niedrigem Niveau einigt – schön für supranational agierende Konzerne, schlimm für die Verbraucher. Denn nach der Unterschrift sollen Unternehmen sogar die Möglichkeit haben, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn diese in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der Verbraucher auf höheren Standards bestehen.

Für uns könnte das bedeuten: Die Standards unserer Arzneimittel- und Apothekengesetzgebung sind massiv gefährdet – jedenfalls dort, wo sie Investoren die Geschäfte erschweren. Und das EuGH-Urteil von 2009 würde auf den Kopf gestellt. Das gilt es zu verhindern.

Klaus G. Brauer

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