DAZ aktuell

Aut-idem-Kreuz schlägt Rabattvertrag

HAV: Apotheker müssen umdenken

BERLIN (ks) | Beim sozialrechtlich geforderten Austausch von Import- und Originalarzneimitteln aus Wirtschaftlichkeitsgründen – entweder aufgrund des Vorrangs eines Rabattvertrags oder wegen der 15/15er-Regel – ist ab sofort zu beachten, dass ein gesetztes Aut-idem-Kreuz den Austausch ausschließt. Darauf weist der Hessische Apothekerverband (HAV) in einem Informationsschreiben hin. Anlass war ein Schreiben des GKV-Spitzenverbandes an seine Mitgliedskassen zu einem jüngst ergangenen Urteil des Sozialgerichts Koblenz.
Foto: ABDA
Aut-idem-Kreuz aufgedruckt? Dann darf der Apotheker keinen Austausch zwischen Original- und Importarzneimittel vornehmen. Das Verbot gilt in beide Richtungen.

Apotheker müssen bei der Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel an GKV-Versicherte sozialrechtliche Vorgaben und den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung beachten. Nur dann erwerben sie einen Vergütungsanspruch und sind vor Retaxationen gefeit. Doch die Auslegung der einschlägigen Normen hat ihre Tücken und beschäftigt Gerichte immer wieder.

Im letzten Januar entschied das Sozialgericht Koblenz in einem Fall, bei dem eine Kasse einen Apotheker retaxierte, der ein ausdrücklich verordnetes Importarzneimittel abgab, obwohl ein Rabattvertrag mit dem Originalhersteller bestand (Urteil vom 7. Januar 2014, Az. S 13 KR 379/13). Die von der Krankenkasse vorgenommene Retaxierung des Differenzbetrages zwischen Rabatt- und abgegebenem Arzneimittel sei unzulässig gewesen, so das Gericht.

GKV-Spitzenverband schließt sich Rechtsauffassung an

Nun hat der GKV-Spitzenverband ein Rundschreiben an seine Mitgliedskrankenkassen versandt, in dem es um dieses Urteil geht. Darin schließt sich der Verband der Rechtsauffassung der Koblenzer Richter an: „Ob importiertes Arzneimittel und Originalarzneimittel in ihrer Zusammensetzung vollständig identisch sind und ein Austausch aus rein pharmazeutischer Sicht völlig unproblematisch wäre, spielt, so vom Gericht sehr nachvollziehbar dargelegt, keine Rolle“, heißt es in dem Schreiben.

Das Gericht hatte ausgeführt, dass die Entscheidung des Arztes den Austausch nicht zu gestatten, für den Apotheker verbindlich sei, da die Therapiehoheit des Arztes ein schützenswertes Gut sei, über das sich Apotheken nicht hinwegsetzen dürften. Es obliege dem Vertragsarzt, die konkret anzuwendende Therapie zu bestimmen, die von den Krankenkassen – außer in offensichtlichen Missbrauchsfällen – nicht in Zweifel gezogen werden dürfe. Das Gesetz habe durch die Möglichkeit, auf die Verordnung ein „Aut-idem-Kreuz“ zu setzen, bestimmt, dass die Arzneimittelgabe in den Verantwortungsbereich des Apothekers falle, soweit und solange der Arzt nichts Gegenteiliges entscheidet. Habe der Arzt jedoch eine solche Entscheidung getroffen, so sei der Apotheker an diese zumindest in den Fällen gebunden, in denen der übrige Verordnungstext derart eindeutig ist, dass ein Austausch des Arzneimittels letztlich eine Verletzung der Therapiehoheit des Arztes darstellen würde, so das Sozialgericht. Eine Retaxierung des Apothekers schloss das Gericht also aus, da ihm kein Entscheidungsspielraum eingeräumt wurde. Erlange die Kasse Kenntnis davon, dass ein Vertragsarzt möglicherweise zu sorglos mit dem „Aut-idem-Feld“ umgeht, habe sie die Möglichkeit, die Kassenärztliche Vereinigung einzuschalten, heißt es im Urteil. Bei tatsächlichem Missbrauch könne sodann ein Bußgeld verhängt werden.

Der HAV schreibt nun an seine Mitglieder, dass in den Apotheken ein „grundsätzliches Umdenken erforderlich“ sei. Denn bislang galt ein Austausch zwischen Import und Original nicht als Aut-idem-Substitution. Zwar erhält der jeweilige Import arzneimittelrechtlich eine eigene Zulassung, diese erfolgt aber unter Bezugnahme auf das inländische Referenzprodukt (Original). Sozialrechtlich, so der HAV, handele es sich somit nicht um das gleiche, sondern um dasselbe Arzneimittel, weshalb bisher ein Austausch möglich und gegebenenfalls sogar notwendig wurde. Das Gericht messe nun aber der vom Arzt im Rahmen seiner Therapiehoheit getroffenen, mit Aut-idem-Kreuz untermauerten Entscheidung die höherrangige Bedeutung zu.

Die Konsequenz sei, dass die Apotheke nun nicht mehr austauschen dürfe, wenn ein Importarzneimittel vom Arzt mit Aut-idem-Kreuz verordnet ist. Selbst dann nicht, wenn das Original oder ein anderer Import in der Software als Rabattarzneimittel hinterlegt ist. Ebenso wenig dürfe ein verordnetes Original mit Aut-idem-Kreuz nicht gegen ein Importarzneimittel ausgetauscht werden.

Aus der Verordnung des Arztes müsse aber klar hervorgehen, welches Mittel verordnet ist, so der HAV weiter. Dazu reiche die eindeutige Bezeichnung des Handelsnamens und des Herstellers (auch bei Original) oder Importeurs, die Angabe der PZN sei nicht zwingend zusätzlich erforderlich. Sollte das verordnete Mittel nicht lieferbar sein, sei zunächst die Sonder-PZN für Nichtverfügbarkeit aufzutragen. Wegen des Aut-idem-Kreuzes müsse dann jedoch Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Denn es wird eine neue Verordnung nötig oder aber die Verordnung muss mit Angabe von Datum und Unterschrift geändert werden.

Wie die einzelnen Kassen nun tatsächlich in solchen Fällen vorgehen werden, wird sich zeigen. Das Urteil aus Koblenz wirkt nur zwischen den beiden Verfahrensbeteiligten. Und der GKV-Spitzenverband kann auch lediglich seine Auffassung gegenüber seinen Mitgliedskrankenkassen kundtun. 

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