Aus den Ländern

Personalisierte Medizin

Wie können sich die Apotheker einbringen?

KÖLN (hb) | Bis zur breiten Umsetzung der personalisierten Medizin in die Praxis ist es noch ein weiter Weg. Dies wurde beim 4. PerMediCon-Kongress am 20. und 21. März in Köln deutlich, dem einzigen, interdisziplinären Kongress mit Messe hierzu in Europa. Wissenschaft, Industrie, Behörden und Patientenorganisationen arbeiten in engem Schulterschluss daran, die individuelle Behandlung der Patienten effektiv zu gestalten. Da sollten die Apotheker nicht außen vor bleiben.

In einem Impulsreferat sprach Prof. Dr. Petra A. Thürmann, Klinische Pharmakologin an der Universität Witten-Herdecke, von einem regelrechten „Hype“ auf dem Gebiet der stratifizierten und personalisierten Medizin. An den Beispielen des HIV-Medikamentes Abacavir und des Melanom-Wirkstoffs Vemurafenib verdeutlichte sie, welche Vorteile die Stratifizierung sowohl für die Arzneimittelsicherheit als auch für die Wirksamkeit bringen kann. Sie ist jedoch nicht immer per se erfolgversprechend. Bei Tamoxifen, dessen Wirksamkeit auf der enzymatischen Umwandlung zu dem aktiven Metaboliten Endoxifen durch CYP2D6 beruht, ist die Datenlage zum Nutzen durchaus widersprüchlich. Der Versorgungsforscher Prof. Dr. Gerd Glaeske in Bremen rät deshalb dazu, die Non-Responder wegen des fehlenden Biomarkers nicht aus dem Auge zu verlieren. Sie könnten möglicherweise doch einen Nutzen von der Therapie haben.

Erfolge und Kosten

Prof. Dr. Roman Thomas, Institut für Translationale Genomik an der Universität zu Köln, berichtete von spektakulären Erfolgen in der maßgeschneiderten Krebstherapie und erkennt einen profunden Wandel in der Onkologie. Er wie auch die Humangenetikerin Prof. Dr. Saskia Biskup in Tübingen wollen dafür kämpfen, dass – soweit möglich – jeder Tumor vor Therapiebeginn genotypisch charakterisiert wird. „Wir müssen wegkommen vom Lungenkarzinom, Mammakarzinom, Darmkarzinom“, meint Biskup. Beide hoffen, dass die kostenintensive Diagnostik langfristig kein Hinderungsgrund für diesen Weg mehr sein wird, denn es würden schließlich auch massiv Therapie- und Folgekosten eingespart.

Patientenselektion

Stratifizierte Medizin kann nicht funktionieren ohne die sogenannten „Companion Diagnostics“. Sie werden für die molekulardiagnostischen Tests zur Auswahl der geeigneten Patientenpopulation gebraucht und sorgen in der Entwicklung von Innovationen und deren Zulassung für eine Fülle neuer Herausforderungen.

„Wir bringen gerade den Sicherheitsgurt für die Arzneimitteltherapie auf den Markt.“

Lothar Guske, Bad Vilbel, über die Companion Diagnostics

Sie müssen parallel zu dem Arzneistoff erforscht werden und dabei quasi sogar immer einen Schritt vorauseilen. Nach der Zulassung muss gewährleistet sein, dass sie auch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Für die überwiegende Zahl der derzeit zugelassenen stratifizierten Therapien sind sie im Rahmen der Zulassung verbindlich vorgeschrieben. Hier gilt: kein Companion Diagnostikum, keine Therapie. Die meisten großen Firmen, die die entsprechenden Innovationen entwickeln, arbeiten eng mit häufig kleineren Diagnostika-Unternehmen zusammen, um diese anspruchsvolle Aufgabe gemeinsam zu stemmen.

Testsets über die Apotheke

Dr. Anna C. Eichhorn, Pfungstadt, möchte über die Apotheken mehr Aufklärungsarbeit zur personalisierten Medizin leisten. Ihr Unternehmen bietet unter der Bezeichnung „Therapiesicherheit“ einfach und schnell durchzuführende Genotypisierungs-Tests für eine Reihe von Medikamenten an.

„Für den Apotheker ist die personalisierte Medizin schon jetzt mehr tägliches Brot, als man gemeinhin annimmt.“

Dr. Anna Eichhorn

Wer sich über die Sinnhaftigkeit und Sicherheit seiner Therapie mehr Klarheit verschaffen will, kann diese Sets über die Apotheke bekommen. Die Kosten für ein Set beinhalten auch die Auslagen für die anschließende Analyse und die Übersendung der Testergebnisse an den Arzt, die von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit nicht übernommen werden. Der häufig geäußerten Skepsis, das Wissen rund um die Analysen sei viel zu komplex und in der Praxis unanwendbar, trat Eichhorn entschieden entgegen. Es gehe vielmehr darum, die derzeit vorhandenen Tools sinnvoll einzusetzen und sich Schritt für Schritt an die neue Aufgabe heranzuwagen. Der Weg in die Praxis sei nicht einfach, aber alternativlos, so Eichhorn. Er eröffne zudem eine neue Dimension der Arzneimittelberatung in der Offizin.

Foto: Blasius
Dr. Anna Eichhorn und Friedemann Schmidt.

Nur in Kooperation mit den Ärzten

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ist ebenfalls der Überzeugung, dass sich die Apotheker diesem neuen Bereich der Expertise mutig stellen sollten, möglicherweise auch in Form einer neuen Spezialisierung. Man dürfe es nicht dabei belassen, die Tests einfach nur zu verkaufen. Für ihn kann der Beratungs-Service für die Patienten aber nur in Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen erbracht werden. Eine Konfrontation mit den Ärzten auf diesem Gebiet hält er für völlig unangebracht. Die Apothekerschaft sollte Kooperativität anbieten, in der Hoffnung, dass die Ärzte dieses Angebot auch schätzen werden.

„Es muss ganz klar sein, dass Patienten und Kunden in jeder Apotheke einen gewissen Beratungsstandard erwarten können. Ob die Ergebnisse von Genomanalysen auch zu diesem Standard gehören, hängt davon ab, ob die Vernetzung mit den Ärzten in der entsprechenden Breite angenommen wird.“

Friedemann Schmidt

Gleichwohl reklamierte Schmidt in diesem Zusammenhang weiteren Diskussionsbedarf bezüglich des Arztvorbehaltes im Gendiagnostikgesetz. Hiermit seien die Apotheker nicht einverstanden und würden auch nicht locker lassen. 

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