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Bezahlen per Handy

Der deutsche Handel hinkt beim mobilen Bezahlen hinterher

Während in anderen Ländern das Bezahlen mit dem Handy direkt an der Kasse schon alltäglich ist, scheint das kontaktlose Bezahlen mittels NFC-Technologie in Deutschland noch in den Kinderschuhen zu stecken.

Smartphone auflegen, Kassenzettel nehmen und fertig. So einfach soll die Zukunft aussehen, in der im Einzelhandel mittels NFC-Technologie bezahlt wird. Die Internet-, E-Commerce- und Mobilfunkbranche preist seit Jahren das bargeldlose Bezahlen per Handy an; und unter den immer neuen Anbietern herrscht schon seit Längerem Goldgräberstimmung. Auch Experten prognostizieren der neuartigen Bezahl-Technologie enormes Potenzial. Glaubt man einigen von ihnen, ist das Bargeld längst tot und die EC- oder Kreditkarte kurz davor. Wirft man jedoch einen Blick auf den deutschen Alltag, ergibt sich ein vollkommen anderes Bild: Zwar unterstützt eine zunehmende Zahl mobiler Endgeräte den für die Datenübertragung benötigten NFC-Standard, doch ein Großteil der potenziellen Kunden nutzt die Möglichkeiten des kontaktlosen Bezahlens selten bis nie. In Nordamerika, Asien und vielen europäischen Nachbarstaaten längst gängige Praxis, fehlen hierzulande flächendeckende NFC-Terminals und Standards. Es drängt sich die Frage auf, weshalb gerade am Industriestandort Deutschland die neue Technologie noch nicht angekommen ist.

Was ist NFC?

Nahfeldkommunikation, kurz NFC (engl. Near Field Communication) ist eine drahtlose Übertragungstechnik für den kontaktlosen Austausch zwischen Geräten mit einer Distanz von bis zu 4 Zentimetern. Die maximale Übertragungsrate der Funktechnik liegt bei 424 kBit/s. 2002 von der ehemaligen Philips-Tochter NXP und Sony entwickelt, wird die Technologie heute u.a. zum mobilen Bezahlen mit dem Handy oder zum automatischen Öffnen von Türen verwendet.

Die europäischen Nachbarn sind schon weiter

Mittlerweile bieten fast alle führenden Hersteller Smartphones mit fest integrierten NFC-Antennen an. Zudem wurde das kontaktlose Bezahlen mittels „virtueller Brieftasche“ auf Basis der NFC-Technologie von einer Vielzahl von Anbietern zur Marktreife geführt. Vielerorts wird daher der deutsche Handel als Hemmschuh für die Verbreitung des NFC-Standards gesehen. Fakt ist: das Bezahlen mit dem Smartphone ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Die Technologie ist vorhanden – wird jedoch vom deutschen Handel bisher zu zurückhaltend eingesetzt. Dass die Kunden den Service der kontaktlosen Bezahlung schätzen und auch nutzen, wenn er angeboten wird, zeigt ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn. In Polen sind schon rund 40 Prozent der Kartenterminals in Handel und Gastronomie, d.h. mehr als 200.000 Geräte, mit der NFC-Technik ausgestattet. Auch in der Schweiz öffnen sich die großen Handelsketten der mobilen Bezahlrevolution, nachdem es z.B. an Valora-Kiosken und in McDonald‘s-Filialen seit Längerem üblich ist, über NFC zu bezahlen. So werden in den Filialen des Schweizer Einzelhandels-Riesen Migros derzeit sämtliche Kassen auf NFC umgestellt. Konkurrent Coop plant die vollständige Umrüstung der 8500 Kassenterminals bis Mai 2014. Fast zwei Drittel aller 120.000 Zahlungsterminals sind in der Alpenrepublik bereits für kontaktloses Bezahlen ausgerüstet. Geplant ist, den Handel bis 2015 vollständig für die Nahfeldkommunikation auszustatten.

Aktuelle Zahlen des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens Gartner belegen, dass es sich bei den angeführten Ländern keineswegs um Ausnahmefälle handelt. Die Zunahme mobiler Zahlungen ist längst ein globaler Trend. Bereits im vergangenen Jahr erreichte das weltweite Marktvolumen 171 Milliarden Dollar – eine Steigerung von 61 Prozent zum Vorjahr. Die Zahl der Nutzer ist im gleichen Zeitraum um ein Drittel auf 212 Millionen gestiegen. Und das ist erst der Anfang: Insbesondere innovative Lösungen – wie sie u.a. cashcloud mit seiner Mobile Wallet vorlegt – werden zukünftig für starkes Wachstum sorgen. Denn die Kunden profitieren von einem echten Mehrwert, wenn sie mit nur einer App in Online-Shops und im Handel bezahlen; und zudem Geld an Freunde senden können. Die Analysten bei Gartner gehen davon aus, dass der weltweite Markt für mobile Zahlungen bis zum Jahr 2016 ein Volumen von 617 Milliarden Dollar erreicht und knapp 450 Millionen Nutzer umfasst.

Deutschland: Viele Kunden wollen es – ...

Das Potenzial, um an dieser aussichtsreichen Entwicklung teilzunehmen, ist in Deutschland ohne Frage vorhanden – nicht zuletzt aufgrund der 80 Millionen Mobiltelefone, die bereits heute landesweit im Umlauf sind. Eine Studie des Branchenverbandes Bitkom zeigt zudem, dass sich aktuell 43 Prozent aller deutschen Handy-Besitzer vorstellen können, mit dem Mobiltelefon zu zahlen. Bei der jüngeren Generation unter 30 Jahren sind es sogar drei von vier Nutzern. Jeder Fünfte würde generell überall mit dem Handy bezahlen, wo heute noch eine Kredit- oder Girokarte zum Einsatz kommt. Von mangelndem Interesse an der NFC-Technologie kann aufseiten der potenziellen Nutzer demnach keine Rede sein.

... der Handel zögert

Dass das Thema Mobile gegenwärtig oder zukünftig für den Handel von strategischer Bedeutung ist, wird auch von drei Vierteln der deutschen Händler bestätigt. Dies geht aus der Studie „Mobile in Retail“ hervor, welche Anfang des Jahres vom Dienstleister GS1 Germany in Zusammenarbeit mit dem EHI Retail Institute veröffentlicht wurde. Das mobile Bezahlen am Point-of-Sale wird von zwei Dritteln der befragten Händler als wichtiger Trend bezeichnet und gut die Hälfte der 250 Befragungsteilnehmer rechnet mit einer flächendeckenden Verbreitung von NFC-Terminals bis 2015. Im krassen Gegensatz zu den Antworten steht jedoch die Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der Händler ihren Kunden bisher noch keine kontaktlose oder mobile Bezahlung ermöglichen. Doch weshalb legt der deutsche Handel momentan so wenig Wert auf die NFC-Umrüstung, wenn der Mehrheit der Händler bereits heute klar ist, dass das Bezahlen per Nahfeldkommunikation mittel- und langfristig deutlich an Bedeutung gewinnen wird?

Viele Händler zögern vor allem deshalb mit der Installation von NFC-Terminals, weil sie die Kosten scheuen. Häufig befürchten sie, für jedes Geldinstitut unterschiedliche Hardware zu benötigen. Dies stimmt jedoch nur zum Teil. Der Übertragungsstandard NFC ist bei allen entsprechenden Payment-Verfahren gleich. Für die Dienste unterschiedlicher Anbieter sind zwar meist eine eigene Terminalsoftware und ein eigener Vertrag notwendig. NFC-Lesegeräte werden abhängig vom Anbieter jedoch einzeln oder in Kombination mit einem Terminal angeboten. Ein NFC-Lesegerät kostet derzeit rund 150 Euro, für die „On-Board“-Variante werden zwischen 300 und 500 Euro fällig. Neben den einmaligen Hardwarekosten kommen auf die Händler Transaktionsgebühren zu. Diese liegen jedoch deutlich unter den Kosten einer konventionellen Kreditkartenzahlung und werden noch deutlich sinken.

Dazu kommt, dass der Bezahlprozess mit NFC schneller ist, die Personalkosten geringer sind und die Geldübermittlung sicher ist. Auch die Lesegeräte sind weniger störanfällig als traditionelle Kassen, da keine mechanischen Abnutzungseffekte auftreten. Für Kunden sind Einkäufe ohne Unterschrift und PIN-Eingabe zudem bequemer, da die NFC-Karte oder das Handy lediglich vor das Lesegerät an der Kasse gehalten werden muss. Studien haben gezeigt, dass Smartphone-Nutzer Kaufentscheidungen schneller treffen und dennoch besonderen Wert auf Komfort und Geschwindigkeit legen. Gerade für die Kunden stationärer Händler kann das Smartphone darüber hinaus kaufentscheidende Zusatznutzen bieten. Über entsprechende Applikationen können gezielt platzierte Coupons, Kundenkarten oder Kaufempfehlungen den Gang zum Händler anstoßen.

Eine schwerfällige IT sollte keine Ausrede dafür sein, dass der deutsche Handel nur schleppend auf die Besonderheiten des Internet- und Smartphone-Zeitalters reagiert und sich dem NFC-Einsatz verschließt. Technologische Entwicklungen sind nicht aufzuhalten, wenn der Kunde sie vehement fordert. Wer darauf nicht rechtzeitig reagiert, wird Wettbewerbsnachteile haben. Es geht darum, nicht den Anschluss im internationalen Vergleich zu verlieren und den Kunden im Handel ein stimmiges Gesamtkonzept inklusive Web-Verzahnung und mobilen Zahlungslösungen anzubieten.

Olaf Taupitz, Geschäftsführer der cashcloud AG, www.cashcloud.com

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